„hit hard and early“ - Behandlung von Multipler Sklerose: Wie NEDA den Therapieerfolg neu definiert
Früher startete man bei der Therapie der Multiplen Sklerose mit sanften Ansätzen. Heute greift man dem Prinzip „hit hard and early“ und greift gleich auf hochwirksame Therapien zurück. Neurologe und Psychiater Mimoun Azizi erklärt das NEDA-Konzept zur Therapie der MS und dessen Rolle für Betroffene.
Was sind die Hauptziele einer Therapie der Multiplen Sklerose (MS) und wie werden diese individuell auf den Patienten abgestimmt?
Die Behandlung der MS soll vorrangig zwei Zwecke erfüllen. Bei ersterem geht es um die sogenannten Schübe, beim anderen um die konkreten Symptome. Krankheitsschübe können mit der richtigen Therapie bestenfalls reduziert oder zumindest hinausgezögert werden. Zusätzlich sollen die Symptome reguliert werden, um die kognitiven und körperlichen Fähigkeiten des Patienten beizubehalten. So wird auch die Lebensqualität gesteigert.
Um das zu erreichen, muss die Therapie jedoch individuell auf den Patienten abgestimmt werden. Dies bedeutet, dass sowohl die Bedürfnisse des Patienten als auch seine Alltagsgewohnheiten berücksichtigt werden. Deshalb ist es wichtig, dass der behandelnde Arzt eng mit dem Patienten zusammenarbeitet, um eine passende Therapie zu finden.
So kann gewährleistet werden, dass die Behandlung so effektiv wie möglich ist und gleichzeitig den individuellen Bedürfnissen entspricht. Beispielsweise ist nicht jede Behandlung für Menschen, die international reisen oder im Schichtdienst arbeiten, geeignet.
Was genau bedeutet der Begriff NEDA bei der MS-Therapie und warum ist er so wichtig?
NEDA, die Abkürzung für „No Evidence of Disease Activity“, ist ein zentraler Begriff in der Behandlung von Multipler Sklerose (MS). Es bedeutet, dass es keine Anzeichen für eine Krankheitsaktivität gibt. Wir beurteilen damit den Erfolg der MS-Therapie. Bei NEDA 3 gibt es drei Hauptkriterien, die erfüllt sein müssen:
Keine neuen oder vergrößerten Läsionen in der Magnetresonanztomographie (MRT),
keine klinischen Schübe, also keine sichtbaren Verschlechterungen der Symptome und
keine Zunahme der Behinderung, gemessen durch den Expanded Disability Status Scale (EDSS), einen standardisierten Maßstab für die Behinderung.
Werden all diese Kriterien erfüllt, ist die Therapie wirksam und es liegen keine Hinweise auf Krankheitsaktivität vor. Sollten sich jedoch Krankheitszeichen zeigen, dann muss die Therapie angepasst werden. NEDA ist somit ein messbarer Standard, der jederzeit überprüft werden kann und eine wichtige Rolle bei der Beurteilung des Therapieerfolgs spielt.
Das Konzept „hit hard and early“
In der Vergangenheit war es üblich, zunächst mit einer eher sanfteren Therapie zu starten und erst bei einem schwereren Verlauf auf hochwirksame zurückzugreifen. Heute jedoch hat sich das Behandlungskonzept gewandelt und folgt häufig dem Prinzip „hit hard and early“. Dies bedeutet, dass schon von Beginn an hochwirksame Therapien eingesetzt werden.
Studien haben gezeigt, dass ein solcher früher Beginn den Krankheitsverlauf langfristig positiv beeinflussen kann. Insbesondere kann das Fortschreiten der körperlichen Behinderung verzögert werden. Ein Beispiel für eine solche hochwirksame Therapie, die bereits ab der Diagnose eingesetzt werden kann, ist die Antikörpertherapie.
Für diese Form stehen verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung. Dazu gehören Ublituximab, Ocrelizumab und der Wirkstoff Ofatumumab. Letzterer hat den Vorteil, dass dieser nur monatlich vom Patienten selbst gespritzt werden muss. Der Alltag wird so kaum vom Medikament eingeschränkt.
Wie kann ein Patient aktiv an seiner MS-Therapie teilnehmen und welche Rolle spielt die Patientenautonomie im Behandlungsprozess?
Die aktive Teilnahme eines Patienten an seiner MS-Therapie ist von entscheidender Bedeutung. Wenn ein Patient mit einem bestimmten Medikament unzufrieden ist oder Schwierigkeiten hat, es in seinen Alltag zu integrieren, kann dies die Therapietreue beeinträchtigen. Daher ist es wichtig, eine Behandlung zu finden, die verschiedene Faktoren berücksichtigt, wie zum Beispiel einen möglichen Kinderwunsch und die Kompatibilität mit Reisen oder Hobbies.
Die Patientenautonomie, aber auch die Patientenedukation spielen hierbei eine zentrale Rolle. Die Betroffenen sollten ausführlich über ihre Erkrankung und die Therapieoptionen einschließlich der Nebenwirkungen aufgeklärt werden. Es ist hilfreich, wenn Betroffene sich zusätzlich selbst aktiv informieren und dieses Wissen mit mir als behandelnden Arzt besprechen. Dies kann dazu beitragen, Ängste abzubauen, das Verständnis für die Behandlung verbessern und eine schnelle Umstellung auf andere Therapien verhindern.
Darüber hinaus sollten Patienten sich Zeit für Vorbereitung nehmen, um ihre Fragen im nächsten Arzt-Gespräch stellen zu können. Unzufriedenheiten mit der Behandlung sollten offen angesprochen werden. Nur wenn wir Ärzte über Schwierigkeiten informiert sind, können wir nach Lösungen suchen und die Therapie optimieren. In diesem Sinne ist eine offene Kommunikation zwischen Patienten und Behandlungsteam unerlässlich für einen erfolgreichen Therapieverlauf.