Hitze befeuert Hass: Je höher die Temperaturen, desto fieser die Internetkommentare

Der Klimawandel könnte eine bislang ungeahnte Folge haben: Je extremer das Wetter, desto extremer werden auch Internet-Diskussionen geführt.

Je heißer das Wetter, desto hitziger werden auch die Diskussionen auf Twitter (Symbolbild: Getty Images)
Je heißer das Wetter, desto hitziger werden auch die Diskussionen auf Twitter (Symbolbild: Getty Images)

Wenn einem der Internet-Diskurs in den vergangenen Monaten besonders unsachlich vorkam, liegt das womöglich nicht etwa nur an der politischen Lage oder der angespannten wirtschaftlichen Situation, sondern auch an den hohen Temperaturen in diesem Sommer. Denn, wie eine neue Studie nun ergab: Je heißer das Wetter, desto hitziger auch die Social-Media-Diskussionen.

Über vier Milliarden Tweets hat eine Studie des US-amerikansichen Medizin-Fachmagazins "The Lancet" ausgewertet, die nun auf dessen Website veröffentlicht wurde. Dabei wurden mithilfe von Algorithmen mit maschinellem Lernen nicht nur der Inhalt der jeweiligen Social-Media-Nachrichten, sondern auch der Ort, an dem sie verfasst wurden, sowie das örtliche Wetter zu dem jeweiligen Zeitpunkt.

Je extremer das Wetter, desto heftiger die Kommentare im Internet

Das Ergebnis: Je extremer die Temperaturen, desto schärfer, unsachlicher und beleidigender wird der Ton auf Twitter. Vor allem Hitze scheint einen Einfluss auf die Heftigkeit der Online-Reaktionen zu haben. Zeigt das Thermometer mehr als 42 Grad Celsius an, stellten die Wissenschaftler ein Anstieg von bis zu 22 Prozent an rassistischen, frauenfeindlichen und homophoben Tweets fest. Sinkt die Temperatur auf unter minus drei Grad, ist ein Anstieg von immerhin noch zwölf Prozent solcher Kommentare zu verzeichnen.

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Die wenigsten beleidigenden Tweets wurden der Studie zufolge bei Außentemperaturen zwischen 15 und 18 Grad geteilt. Doch schon wenn die Temperaturen unter zwölf fielen oder über 21 Grad kletterten, stiegen diese Zahlen messbar. Diese Tendenzen wurden weltweit festgestellt und scheinen unabhängig von Faktoren wie politischer Gesinnung oder Einkommen zu sein.

Auch die Zahl an Hass-Tweets und die Häufigkeit, mit denen solche geteilt werden, steigen "außerhalb einer klimatischen Komfortzone", wie es Studienleiterin Annika Stechemesser vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ausdrückt. "Menschen zeigen aggressiveres Verhalten online, wenn es entweder zu kalt oder zu heiß draußen ist", wird sie von The Guardian zitiert.

Die Technik-Konzerne seien in der Pflicht

Twitter wurde wegen der leichten Ortung seiner Inhalte und Nutzer gewählt, doch Diego Naranjo von der Organisation European Digital Rights nimmt im Gespräch mit The Guardian alle großen Technik-Konzerne in die Pflicht. Deren Geschäftsmodelle würden dazu führen, dass Plattformen polarisierende Inhalte propagieren würden, was zu mehr Hassbotschaften im Netz und damit zu größeren psychischen Problemen bei den Menschen führen würde.

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Diese Folgen sind nicht von der Hand zu weisen. Eine Studie der UN zeigt, dass nahezu drei Viertel aller Frauen weltweit bereits Online-Gewalt ausgesetzt waren. In den USA haben einer Umfrage des Pew Research Center vier von zehn Menschen bereits eine Form von Online-Beschimpfung oder Mobbing erfahren, was zu Angststörungen, Depressionen oder anderen psychischen Beschwerden führen kann. "Online zum Ziel von Hassrede zu werden ist eine ernsthafte Bedrohung für die psychische Gesundheit", betont auch Stechemesser.

Erst im Juni stand Facebook und sein Mutterkonzern Meta in der Kritik, weil sie verhindert haben, Hasskommentare in bestimmten Sprachen zu erkennen und dagegen vorzugehen. Weder Meta noch Twitter haben sich bislang zu der Studie geäußert.

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