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Vor Hitzewelle: Die Erfindung dieser Gründer macht Städte um mehrere Grad kühler

Der Sommer 2022 ist rekordverdächtig heiß. Abhilfe verspricht die Erfindung des Brandenburger Startups Citytree.

Wollen mit ihrem Citytree die Luft von Innenstädten säubern und kühlen: Zhengliang Wu und Peter Sänger, Co-Gründer von Green City Solutions - Copyright: Green City Solutions
Wollen mit ihrem Citytree die Luft von Innenstädten säubern und kühlen: Zhengliang Wu und Peter Sänger, Co-Gründer von Green City Solutions - Copyright: Green City Solutions

Ein künstlicher Baum, der 82 Prozent des Feinstaubs aus der Umgebungsluft filtert und sie dabei um bis zu vier Grad kühlt: Bei hitzegeplagten Großstädtern dürften die Versprechen des Startups Green City Solutions klingen, als werde ein Traum wahr. Der sogenannte Citytree des Brandenburger Unternehmens erinnert äußerlich zwar nicht wirklich an einen Baum – eher an eine runde Parkbank mit rechteckiger Litfaßsäule. Unter der städtischen Haube arbeitet allerdings ein grüner Kern: vertikal wachsendes Moos. Denn „wir müssen in die Natur schauen, um die Probleme in der Stadt zu bekämpfen”, sagt Co-Gründer und CEO Peter Sänger im Interview mit Gründerszene.

Diese Probleme sind tatsächlich drängend. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) lebten im Jahr 2019 etwa 99 Prozent der Menschen weltweit in Gebieten mit zu hoher Luftverschmutzung. Auch in Europa starben im selben Jahr noch mehr als 300.000 Menschen vorzeitig an den Folgen zu hoher Feinstaubbelastung. Obendrauf kommt die Klimakrise: Gerade im Hochsommer heizen sich die Städte durch Bodenversiegelung und Wärme speichernden Beton immer stärker auf – mit ernsten gesundheitlichen Folgen für die Einwohner. Auch das rettende Stadtgrün hat mit den Temperaturen zu kämpfen, vom zunehmenden Wassermangel ganz zu schweigen.

Der wäre auch für das Moos des Citytrees ein Problem. Doch das Startup kombiniert seine lebendigen Filter mit einem intelligenten, selbststeuernden Ventilations- und Bewässerungssystem – alles vernetzt durch eine Internet-of-Things-Schnittstelle. Smart-Moos gewissermaßen. „Die Moose sind ein sehr, sehr dienlicher Partner. Also ein Organismus, der perfekt dafür geeignet ist, die Klimaprobleme in der Stadt mitzulösen”, sagt Gartenbauer Sänger.

Zwei CityTrees im irischen Cork - Copyright: Green City Solutions
Zwei CityTrees im irischen Cork - Copyright: Green City Solutions

Kaufpreis im mittleren fünfstelligen Bereich

Ganz billig ist die Lösung des Unternehmens jedoch nicht: „Die Pricing-Situation war eine der größten Herausforderungen für uns”, sagt Sänger. Kunden könnten den Citytree derzeit ab etwa 1000 Euro im Monat mieten. Bei einem Kauf allerdings bewege sich der Preis je nach Ausführung im “mittleren fünfstelligen Bereich”, sagt Sänger, mit 50.000 Euro als “absoluter Obergrenze”.

Refinanzieren soll sich das ganze teilweise durch Werbung: Citybreeze nennt das Unternehmen beispielsweise eine neuere Ausführung, in der die vertikale Moosfilterwand mit einer digitalen Werbetafel verbunden wird. Aber auch andere Modelle wie der Verkauf von Umweltdaten schwebt Sänger in Zukunft vor. Und derzeit arbeitet Green City Solutions an einer neuen Version, das die Moos-Technologie auch an Hausfassaden oder U-Bahn-Wände bringen soll. Laut dem Unternehmen sind 40 Citytrees aktuell aktiv auf den Straßen, daneben insgesamt elf Citybreezes und Fassadenprojekte.

„Wir waren hardcore failing forward”

Die Idee zum Citytree ist allerdings schon etwas älter – und der bisherige Weg des Startups nicht ganz beschwerdefrei. „Wir waren hardcore failing forward”, sagt Sänger rückblickend. „Also immer gucken, wo die Fehler herkommen, was wir lernen können und wo wir uns hinentwickeln müssen."

Die Geschichte von Green City Solutions beginnt 2013, als sich die ursprünglich vier Gründer beim Studium in Dresden kennenlernen. Finanziert durch Fördergelder und einen 100.000-Euro-Kredit entwickeln sie den ersten Prototypen. „Zu viert zu starten hat seine speziellen Herausforderungen, weil man einfach vier unterschiedliche Köpfe hat”, sagt Sänger. „Es hat aber den Vorteil gehabt, dass unser Produkt so geworden ist, wie es geworden ist – nämlich aus vier verschiedenen Blickwinkeln: Architektur, Maschinenbau, IT und Gartenbau.”

Über den Berliner EUREF-Campus zieht das Startup dann schließlich zum jetzigen Standort im brandenburgischen Bestensee, wo Sänger, Co-Gründer und CIO Zhengliang Wu sowie das mittlerweile 35-köpfiges Team auf 1.200 Quadratmetern auch die hochspezialisierten Moose züchten. Ein halbes Jahr am Stück sollen die grünen Helfer mindestens durchhalten – und könnten danach für fünf bis sechs Jahre immer wieder revitalisiert werden.

Die Moosfarm im brandenburgischen Bestensee - Copyright: Green City Solutions
Die Moosfarm im brandenburgischen Bestensee - Copyright: Green City Solutions

2,5 Millionen Euro Fianzierungsrunde im Januar – über Companisto

Herausforderung war auch eine ganz andere Art Moos: die Finanzierung. „Wenn ich an den Anfang zurückdenke, war es extrem schwer, jemanden zu überzeugen”, sagt Sänger heute. Gerade die Frage der Skalierbarkeit sei bei dem komplexen Produkt immer ein Knackpunkt gewesen. Bis 2020 konnte das Unternehmen dennoch über zwei Millionen Euro von Inverstoren und aus EU-Förderung, beispielsweise dem Horizont-2020-Programm, einsammeln.

Anfang dieses Jahres kamen dann über 2,5 Millionen Euro dazu, die Green City Solutions allerdings von 610 Investoren über die Crowdinvesting-Plattform Companisto erhielt. Geleitet wurde die Runde von der Investitionsbank des Landes Brandenburg und Business Angel Lex Hartmann. Sänger zufolge war die Plattform eine gezielte Wahl: „Wir brauchten nicht nur Geld, wir brauchten Expertise – und das in verschiedene Richtungen.” So seien Spezialisten mit Know-How in Produktion und Vertrieb dabei gewesen.

Mit seinen Produkten war das Startup schon europaweit präsent, beispielsweise in London, Berlin oder Lissabon. Und obwohl auch in Asien oder Südamerika Interesse an sauberer Luft bestehen dürfte, bleibt Europa zunächst der Fokus des Unternehmens. Grund dafür sind unter anderem die Moose selbst. Denn die haben bestimmte Ansprüche ans Klima und müssten neu überdacht werden. Sänger dreht es positiv: „Ich glaube, es ist erstmal unsere Aufgabe, in Europa vorzumachen, wie man Städte klimaneutral bekommt, wie man Infrastruktur dekarbonisiert.”

Dieser Artikel erschien zuerst im Juli 2022.

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