Wahl in Österreich: Rechtspopulistische FPÖ stärkste Kraft - Ungewisse Regierungsbildung
Die rechtspopulistische FPÖ hat bei der Parlamentswahl in Österreich am Sonntag einen historischen Sieg errungen. Die Freiheitliche Partei Österreichs wurde laut Hochrechnungen mit fast 29 Prozent der Stimmen erstmals stärkste Kraft im Nationalrat. Die konservative ÖVP von Bundeskanzler Karl Nehammer musste deutliche Einbußen hinnehmen und landete mit rund 26 Prozent der Stimmen auf Platz zwei. Eine Regierungsbeteiligung der FPÖ ist aber ungewiss. Bundespräsident Alexander Van der Bellen ließ zunächst offen, wen er mit der Regierungsbildung beauftragen wird.
Nach Auszählung fast aller Stimmen kommt die FPÖ laut Hochrechnung auf 28,8 Prozent. Sie legte damit um 12,6 Prozentpunkte zu. Die ÖVP verlor demnach hingegen gut elf Prozentpunkte und erreicht nur noch 26,3 Prozent.
Dahinter folgen der Hochrechnung zufolge die sozialdemokratische SPÖ mit 21,1 Prozent (- 0,1 Punkte) und die liberale Neos-Partei mit 9,2 Prozent (+ 1,1 Punkte). Die derzeit noch mitregierenden Grünen rutschten den Angaben zufolge um 5,6 Punkte auf 8,3 Prozent ab. Die Wahlbeteiligung lag bei 80 Prozent.
"Es ist ein Stück Geschichte, das wir heute miteinander geschrieben haben", sagte FPÖ-Chef Herbert Kickl am Sonntagabend bei einer Wahlparty in Wien. Die FPÖ habe das beste Ergebnis ihrer Parteigeschichte eingefahren und sei zugleich erstmals stärkste Kraft bei einer Nationalratswahl geworden, sagte Kickl. Die FPÖ übertraf ihre bisherige Rekordmarke aus dem Jahr 1999, als sie unter ihrem damaligen Chef Jörg Haider auf 26,9 Prozent der Stimmen gekommen war.
Die Rechtspopulisten waren schon mehrmals an der Regierung in Wien beteiligt, allerdings bisher nur als Juniorpartner. Auch nach dem Wahlsieg bleibt ungewiss, ob es dem stramm rechten Parteichef Kickl gelingt, Koalitionspartner zu finden. Kanzler und ÖVP-Chef Nehammer etwa hatte eine Zusammenarbeit mit Kickl als Regierungschef immer wieder ausgeschlossen.
Der FPÖ-Chef bekräftigte nach der Wahl den Regierungsanspruch seiner Partei. "Wir sind bereit, auch eine Regierung zu führen", sagte Kickl im ORF. Die anderen Parteien müssten nun die Frage beantworten, "wie sie es mit der Demokratie haben", sagte er mit Blick auf die Absage Nehammers an ein Regierungsbündnis unter seiner Führung.
Der ÖVP-Chef betonte am Wahlabend, seine Aussage gelte "auch nach der Wahl". Nach einer möglichen Dreier-Koalition unter seiner Führung gefragt, sagte Nehammer, zunächst einmal müssten die Endergebnisse der Wahl und die Sitzverteilung im neuen Parlament abgewartet werden. Danach seien Gespräche "natürlich das Nächstwichtige nach so einem Wahltag".
Neben einer Koalition unter FPÖ-Führung wäre rechnerisch wohl auch eine Zweierkoalition aus ÖVP und SPÖ möglich. Nach den Hochrechnungswerten vom Sonntagabend erreichten beide Parteien zusammen 93 Mandate und holten damit einen Sitz mehr, als für die Mehrheit im Nationalrat benötigt wird.
Der frühere Innenminister Kickl hatte die FPÖ-Führung im Jahr 2021 übernommen - zwei Jahre nach dem "Ibizagate"-Korruptionsskandal seiner Partei und dem darauf folgenden Debakel bei der Nationalratswahl 2019. Mit Verschwörungserzählungen über die Corona-Schutzmaßnahmen, feindlichen Parolen gegen Migranten und scharfer Kritik an der Unterstützung der Ukraine angesichts des russischen Angriffskriegs brachte er der FPÖ Zulauf.
Kickl machte zudem mit gezielten Tabubrüchen von sich reden. So nennt er eine "Remigration" als eines seiner politischen Ziele, bei der Österreicher mit nicht-europäischen Wurzeln, deren Integration als unzureichend eingestuft wird, ausgewiesen werden sollen. Außerdem sagte der FPÖ-Chef wiederholt, dass er "Volkskanzler" werden wolle. Diesen Titel hatte während der NS-Herrschaft auch Adolf Hitler für sich gewählt.
Aufgrund von Kickls umstrittenen Äußerungen und Positionen könnte sich der aus den Reihen der Grünen stammende Bundespräsident Alexander Van der Bellen weigern, den FPÖ-Chef mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Der direkt gewählte Staatschef ist laut Angaben auf der Website des Präsidialamts "verfassungsmäßig völlig frei", er muss demnach nicht den Kandidaten der stärksten Fraktion auswählen. In diesem Fall könnte der amtierende Kanzler Nehammer erneut zum Zug kommen.
Van der Bellen sagte am Sonntag, er werde in der kommenden Woche Gespräche mit allen im Nationalrat vertretenen Parteien führen. "Jetzt geht es darum, aufeinander zuzugehen, Lösungen und Kompromisse zu finden. Das kann schon dauern, aber es ist gut investierte Zeit", fügte er hinzu.
In den Gesprächen mit den Parteien werde es darum gehen, "auszuloten, wer mit wem kann". Wer alleine keine Mehrheit habe, müsse andere "überzeugen" - und zwar andere Parteien "genauso wie den Bundespräsidenten", sagte Van der Bellen.
bfi/kas