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Hoeneß bei Sky: Häuptling eines kleinen bayerischen Dorfes

Uli Hoeneß gab sich bei Sky gewohnt lautstark. Der Präsident des FC Bayern teilte weiträumig aus und thematisierte dabei auch Mesut Özil, den DFB sowie die Transferpolitik seiner Münchner. Er klammert sich regelrecht an die vertraute Vergangenheit.

Uli Hoeneß vom FC Bayern sieht die Dinge etwas anders. (Bild: Getty Images)
Uli Hoeneß vom FC Bayern sieht die Dinge etwas anders. (Bild: Getty Images)

Kritik ist für Hoeneß immer ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite teilt er sie gerne aus und schießt dabei auch mal über Grenzen hinaus. Auf der anderen Seite lässt er sich oder den FC Bayern aber nur sehr widerwillig zum Ziel machen.

So auch beim rund zweistündigen Sonntag-Auftritt bei Sky im Gespräch mit Moderator Jörg Wontorra. Wenn Hoeneß kommt, hat die Welt zuzuhören, dieses Ambiente strahlte das Gespräch von Anfang an aus. Im Nachgang allerdings muss man sich fragen, ob man Hoeneß wirklich immer zuhören muss.

Dass der 66-Jährige etwas konservativer denkt und lieber im Gestern als im Heute leben würde, sollte inzwischen hinlänglich bekannt sein. Bei Sky aber unterstrich er diese Wahrnehmung beeindruckend. Investoren, Sponsoren, Vermarktung, Social Media: Die moderne Fußballwelt wurde von Hoeneß links und rechts abgewatscht.

Hoeneß nutzt beliebte Ziele

Da passt es nur sehr gut ins Programm, wenn Hoeneß gegen Mesut Özil schießt. Ein leichtes Ziel, hat er doch seine Sympathien beim deutschen Fanstamm schon lange verloren und ist spätestens seit der WM 2018 die beliebteste Zielscheibe im Kreise der Nationalmannschaft.

Kritik am DFB? Auch gerne gesehen in der aktuellen Zeit. Das Aus in Russland, die blamable Darstellung von Präsident Reinhard Grindel und in Teilen sicherlich auch Teammanager Oliver Bierhoff sowie Trainer Joachim Löw gibt Hoeneß nich Unrecht.

Und ob Spieler wirklich direkt in der Kabine schon twittern müssen? Wenn wir ganz ehrlich sind: Eigentlich nicht. Man mag schnell Sympathie empfinden anhand der geäußerten Kritik, sollte sich allerdings davon freimachen, Hoeneß in jedem Punkt zuzustimmen.

Hoeneß und das NIH-Syndrom

Denn sportlich darf es gegenüber Özil nicht derart viele Vorbehalte geben. Kein deutscher Nationalspieler hat die gleichen Qualitäten wie der Spielmacher vom FC Arsenal. Wohl aber übt Hoeneß sportliche Kritik am 29-Jährigen und scheint dabei seine außersportlichen Eindrücke in die Bewertung eines Spielers einfließen zu lassen.

Würde Hoeneß sich mit der quantitativen Spielanalyse im Fußball beschäftigen, wäre ihm schnell klar, dass Özil in vielen Bereichen Top-Werte aufweist. Das ist aber vielleicht einfach etwas zu modern für den Bayern-Präsidenten, der sich mit Händen und Füßen gegenüber Neuerungen wehrt.

Er muss sich vorwerfen lassen, bisweilen Opfer des NIH-Syndroms zu werden. Das Not-invented-here-Syndrom ist eine Beschreibung davon, wie Wissen oder andernorts bereits bestehende Praktiken in der eigenen Beurteilung abgewertet werden, weil sie von außen kommen.

Der Fußball ist ein Geschäft geworden

Hoeneß kann nicht viel anfangen mit dem “FC Qatar” oder dem “SV Shanghai”, wohl aber mit dem FC Bayern, der sein Trainingslager am Tegernsee abhält. Er hat keine Handhabe für Transfers wie die von Neymar oder Cristiano Ronaldo, die auch aufgrund außersportlicher Werte dreistellige Millionensummen kosten.

Der Fußball ist ein beeindruckender Teil der Weltwirtschaft geworden, in Spanien machte er zuletzt gar einen satten Prozent des BIP aus. Hoeneß wehrt sich dagegen und würde am liebsten Häuptling eines kleinen bayerischen Dorfs sein, das sich tapfer gegen die Besatzer wehrt.

Das ist ehrenhaft und darf einem hochrangigen Funktionär auch so zugerechnet werden. Er will den Fußball am Boden halten, nahe an den Fans, nahe an der Basis. Gleichwohl muss man sich aber fragen, ob das wirklich der Weg zum Erfolg ist.

FC Bayern wird zum Außenseiter

Es scheint vielmehr der Weg zu sein, um ein Außenseiter unter den großen Klubs Europas zu werden. Im Oktober 2017 vermeldete der Klub ein Umsatzwachstum von zwei Prozent. Im Jahr zuvor waren es 20 Prozent gewesen.

Während Klubs wie der FC Barcelona, Real Madrid oder Manchester United den Bayern in diversen Kennzahlen enteilen, rücken Paris Saint-Germain und Manchester City konsequent immer näher heran an den bayerischen Platz vier.

“Wir sammeln im Moment ein bisschen Geld ein, für den Fall, dass wir nächstes Jahr ein bisschen größer einkaufen müssen”, sagte Hoeneß, während in Barcelona zum dritten Mal in Folge im Sommer über 125 Millionen Euro in den Kader investiert werden konnten.

Hoeneß spricht für den Fan – und für sich

Letztlich macht diese Art von Sturheit Hoeneß durchaus sympathisch. Seine Aussagen sind nahe an dem, was sich der Fans denkt, der bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft “80 oder 100 Euro” berappen muss. Gleichwohl aber täuschen sie über vieles hinweg, was der FC Bayern verpasst.

Es ist ein Risiko, das Hoeneß eingeht. Er lässt die Konkurrenz fast schon absichtlich enteilen, um ihr mit seinem eigenen Weg hinterherzulaufen. Nicht nur der FC Bayern versucht, Talente früher abzugreifen und auf dem Transfermarkt Schnäppchen zu machen.

Es wirkt fast ein wenig arrogant, wie Hoeneß davon ausgeht, mit weniger Mitteln die gleichen Ziele anstreben zu können wie die europäische Konkurrenz. Arroganz ist in München aber durchaus ein positiv behaftetes Wort. Und das versucht Hoeneß für sich auszuspielen.