"Ich hoffe, dass die Ansätze der Grünen nicht zu sehr aufgeweicht werden"

Peter Maffay feierte als Musiker gigantische Erfolge, nun tritt er zum wiederholten Male als Moderator auf: Am 14. November startet bei Magenta TV sein neues Talk-Format "Begegnungen". (Bild: Wolfgang Köhler/Red Rooster Musikproduktion GmbH)
Peter Maffay feierte als Musiker gigantische Erfolge, nun tritt er zum wiederholten Male als Moderator auf: Am 14. November startet bei Magenta TV sein neues Talk-Format "Begegnungen". (Bild: Wolfgang Köhler/Red Rooster Musikproduktion GmbH)

Peter Maffay gehört zu den erfolgreichsten Musikern Deutschlands, nun versucht er sich zum wiederholten Male als Talkshow-Moderator. Ein Gespräch über denkwürdige "Begegnungen", die Erwartungen an eine mögliche Ampel-Koalition und das Gendern.

Peter Maffay schätzt Menschen, die nicht um den heißen Brei herumreden und sich klar positionieren. Das gilt für den Menschen Peter Maffay und auch für Peter Maffay, den Moderator. Am 14. November startet bei Magenta TV sein neues Talk-Format "Begegnungen" - eine Mischung aus "Inas Nacht", "Sing meinen Song" und "Markus Lanz", aufgenommen in einer Scheune im Gut Dietlhofen bei München. Jeden Sonntag wird eine neue Folge veröffentlicht, und man darf auch hier wieder Tacheles erwarten: Auf der Gästeliste stehen unter anderem Sigmar Gabriel, Dr. Sarah Wagenknecht, Ralf Dümmel, Frank Elstner, Pur-Sänger Hartmut Engler, Reinhold Beckmann und Maffays alter Kumpel Thomas Gottschalk. Nachdem der ihn so oft auf der "Wetten, dass ..?"-Couch hatte, wird der Spieß nun also umgedreht. Im Interview spricht Maffay über diese und weitere denkwürdige "Begegnungen", über die aus seiner Sicht "ernüchternden" Bundestagswahlen und, so unbedeutend ihm das Thema auch erscheint, übers Gendern.

teleschau: "Begegnungen" ist in erster Linie ein Talk-Format, zum Konzept der Sendung gehört aber auch, dass gemeinsam musiziert wird. Wer singt denn schöner: Sigmar Gabriel oder Sarah Wagenknecht?

Peter Maffay (lacht): Beide haben zugehört - und gesungen haben andere ...

teleschau: Die beiden wollten nicht?

Maffay: Nun, wir hatten natürlich Gäste, die musikaffin sind. Zum Beispiel auch ein Reinhold Beckmann. Wenn der auf die Bühne geht, weiß er, was er da macht. Bei Hartmut Engler ist das natürlich erst recht so. Und Andere machen eben bei der Sendung mit, weil sie das spaßig finden.

teleschau: Aber Gottschalk hat gesungen, das konnte man in der Vorschau sehen. Oder er hat zumindest das Mikro in der Hand gehalten und so getan, als würde er singen.

Maffay: Ja, aber allein dazu gehört schon Mut. Klar, sonst ist er sehr viel lauter und wortgewaltiger bei seinen Auftritten. Aber es geht hier ja auch nicht darum, irgendjemandem etwas zu beweisen mit dem Gesang. Es geht einfach darum, irgendwie eine charmante Situation zu erzeugen.

teleschau: Wenn man also mit ein paar Leuten in einer Scheune sitzt und eine Stunde redet - ist das schon eine "Begegnung"?

Maffay: In diesem Fall ja. Mit einigen der Gäste verbindet mich eine lange Freundschaft, andere waren für mich natürlich eher "neu", weil ich sie bislang nur aus den Medien kannte und nicht aus der persönlichen Begegnung. Aber es waren jedesmal echte, substanzielle Begegnungen.

teleschau: Eine echte Begegnung, die ja mehr ist als ein bloßes Zusammenkommen, kann man natürlich kaum planen. Welches der Treffen blieb Ihnen als besonders in Erinnerung?

Maffay: Das kann man schlecht beantworten. Unsere Gäste sind so unterschiedlich in dem, was sie tun oder wofür sie stehen, dass man nicht sagen kann: Dieses oder jenes Gespräch war besonders herausragend. Ich habe mich einfach gefreut, dass wir den Gästen in dieser Scheune mal ein bisschen Abwechslung bieten konnten. Ein großer, gemütlicher Raum, in dem auch Publikum anwesend war, eine sehr lockere, gelöste Atmosphäre. Und: Es war quasi bei uns zu Hause.

"Wenn der Thomas mir gegenübersitzt, dann zeigt er mir natürlich, was er kann", sagt Peter Maffay (links). Er saß schon viele Male bei Thomas Gottschalk auf der "Wetten, dass ..?"-Couch, in der Scheune im Gut Dietlhofen kommt es nun zum Rollentausch - zumindest ein bisschen. (Bild: Wolfgang Köhler/Red Rooster Musikproduktion GmbH)
"Wenn der Thomas mir gegenübersitzt, dann zeigt er mir natürlich, was er kann", sagt Peter Maffay (links). Er saß schon viele Male bei Thomas Gottschalk auf der "Wetten, dass ..?"-Couch, in der Scheune im Gut Dietlhofen kommt es nun zum Rollentausch - zumindest ein bisschen. (Bild: Wolfgang Köhler/Red Rooster Musikproduktion GmbH)

"Wenn der Thomas mir gegenübersitzt, dann zeigt er, was er kann"

teleschau: Wann hat ein Peter Maffay denn jenseits so einer Sendung noch Zeit für echte Begegnungen?

Maffay: Die Zeit muss man haben. Eigentlich besteht unser gesamtes Leben doch aus Begegnungen, zumindest ist das mein Eindruck. Sie sind immer der Motor für Entwicklung, für Motivation. Ohne Begegnungen blieben wir wahrscheinlich irgendwann stehen, weil es keine neuen Impulse gibt. Deswegen war es für mich auch total spannend, aber in gewisser Hinsicht auch logisch, als Musiker immer wieder mit neuen Leuten zu arbeiten - für einen Lernprozess, für eine Verschiebung des Horizonts.

teleschau: Ein Beispiel?

Maffay: Fritz Rau, mein langjähriger Freund und Tourpromoter, kam eines Tages zu mir und sprach von einem Künstler, den ich mir unbedingt ansehen und anhören müsse - Bruce Springsteen. Ich hörte mir ein paar Platten an, die ich großartig fand, dann flogen wir für ein Konzert nach London. Springsteen war natürlich grandios, und dann kam eben auch ein Typ mit Saxofon und langem Umhang auf die Bühne: Clarence Clemons. Ich sagte "Den muss ich haben!" Das war im ersten Moment nur ein Jux, aber irgendwann nach dieser Begegnung kam Clarence dann eben doch nach Tutzing, um Musik einzuspielen, und hinterher gingen wir dann sogar gemeinsam auf Tour.

teleschau: An welche Begegnungen erinnern Sie sich, die über die musikalische Zusammenarbeit hinausgingen?

Maffay: Da gab es viele. Ich habe ja beispielsweise mit der ganzen Welt erleben dürfen, wie es zu einem glücklicherweise friedlichen Ende des großen Ost-West-Konflikts, des Kalten Krieges kam. Das wurde damals herbeigeführt durch viele Politiker, die auf unserer Seite nach vorne dachten, wie etwa Willy Brandt und später Hans-Dietrich Genscher, aber eben maßgeblich auch durch Michail Gorbatschow. Ich habe ihn aus der Entfernung immer dafür bewundert, was er für den Weltfrieden getan hat, und eines Tages sind wir uns dann auf einer Bühne begegnet. Es gibt ein Foto, wo wir uns in den Armen liegen. Das war eine völlig spontane Geste von beiden Seiten, und dieser Moment dauerte nur ein paar Augenblicke. Aber ich habe mich wahnsinnig gefreut: Ich bin einem Mann begegnet, der echte Akzente gesetzt hat in der Weltgeschichte wie nur wenige andere Menschen.

teleschau: Auch bei "Begegnungen" sprechen Sie mit Menschen, die Akzente gesetzt haben, wenn auch in ganz anderer Weise. Wenn man nun jemanden wie Thomas Gottschalk in einem Talk-Format zu Gast hat: Wie schwer ist es, als Moderator bei so einem Vollblut-Unterhalter die Oberhand zu behalten?

Maffay: Ich hatte gar nicht vor, die Oberhand zu behalten. Ich habe allen Gästen klar zu verstehen gegeben, dass sie es bei mir als Moderator mit einem blutigen Laien zu tun haben. Aber wenn der Thomas mir gegenübersitzt, dann zeigt er mir natürlich, was er kann. Ich kenne ihn so und empfinde das auch als angenehm, weil er es auf eine sympathische Art macht. Seine Schlagfertigkeit ist einfach etwas, was ich in dem Maße nicht besitze, und es ist für mich absolut legitim, wenn er seine Trümpfe dann auch ausspielt. Das tut der ganzen Geschichte keinen Abbruch und meinem Ego sowieso nicht.

teleschau: Aber grundsätzlich, das merkt man, haben Sie schon Spaß daran, den Spieß mal ein wenig umzudrehen.

Maffay: Ja, weil ich in der ersten Staffel ("Red Rooster TV", 2020, d. Red.) schon festgestellt habe, dass diese Gespräche nicht nur "blabla" sind. Es sind immer Leute da, die etwas mitbringen, die klar konturierte Ansichten haben - und keine Angst, diese Ansichten auszudrücken.

Bei "Begegnungen" setzt Peter Maffay (links) auf eine bunt durchmischte Gästeliste. In einer der bereits vollständig abgedrehten Folgen sind beispielsweise die Politikerin Dr. Sarah Wagenknecht (Die Linke) und Extremsportler Joey Kelly zu Gast. (Bild: Wolfgang Köhler/Red Rooster Musikproduktion GmbH)
Bei "Begegnungen" setzt Peter Maffay (links) auf eine bunt durchmischte Gästeliste. In einer der bereits vollständig abgedrehten Folgen sind beispielsweise die Politikerin Dr. Sarah Wagenknecht (Die Linke) und Extremsportler Joey Kelly zu Gast. (Bild: Wolfgang Köhler/Red Rooster Musikproduktion GmbH)

"Die letzten Wahlergebnisse sind definitiv nicht befriedigend"

teleschau: Auch Sie gelten als jemand, der sich klar positioniert. Vor zwei Jahren sagten Sie mit Blick auf den Klimawandel, die Bevölkerung müsse ihre Volksvertreter so wählen müsste, dass diese "Stopp!" sagen zur Zerstörung der Umwelt. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund das Ergebnis der zurückliegenden Bundestagswahl?

Maffay: An meiner Position hat sich in dem Punkt nicht viel geändert, insofern finde ich das Ergebnis ziemlich ernüchternd. Ich glaube, dass die Zeit uns wahnsinnig schnell durch die Finger rinnt, während wir nach wie vor nur sehr langsam auf die Umstände reagieren, mit denen wir es zu tun haben. Die Politik agiert viel zu langsam, sie wird meiner Meinung nach oft ausgebremst durch Lobbyismus. Und ich glaube, die Aufklärung in der Bevölkerung ist immer noch nicht weit genug fortgeschritten, um den Ernst der Lage richtig einzuschätzen. Aber: Selbst wenn wir hier in Deutschland die Lage richtig einzuschätzen vermochten, bliebe immer noch die Frage: Was macht der Rest der Welt?

teleschau: Aber ist diese Diskussion um den "Rest der Welt" nicht in gewisser Weise immer eine wie bei Geschwistern, die ihre Kinderzimmer nicht aufräumen, weil der oder die jeweils andere auch nicht aufräumt? Irgendjemand muss eben anfangen ...

Maffay: Das stimmt natürlich, und letztlich gibt es ja auch keine Alternative. Es muss jemand vorangehen, und wenn wir in Deutschland irgendwann vorne dabei sind - was aktuell nicht der Fall ist -, was sollte daran nicht in Ordnung sein? Aber wie gesagt, die letzten Wahlergebnisse sind definitiv nicht befriedigend, weil wieder deutlich wurde, dass immer noch zu viele Menschen ihr eigenes Süppchen kochen. Wenn es so bleibt, werden wir wahrscheinlich auch nie zu einer echten Lösung, zu einem globalen Konsens kommen.

teleschau: Immerhin, im Moment befinden wir uns mit großer Wahrscheinlichkeit auf dem Weg zu einer Ampel-Koalition, also zu einer Regierung mit Beteiligung der Grünen. Welche Erwartungen hätten Sie an eine solche Regierung? Welche Hoffnungen?

Maffay: Dass unser Denken und unser Handeln wirklich grüner wird. Schließlich ist das ja das Kernthema, das große Anliegen der Grünen.

teleschau: Die Partei wird innerhalb einer Regierung mit SPD und FDP aber wahrscheinlich auch sehr zu kämpfen haben.

Maffay: Klar. Und es ist auch etwas anderes, ob man aus der Opposition heraus agiert oder ob man in eine politische Verantwortung gerät, bei der man Weichen stellen muss. Bei der man mit Kompromissen leben muss, denn ohne die geht es nicht in der Politik. Ich hoffe jedenfalls, dass die Ansätze der Grünen dabei nicht so sehr aufgeweicht werden, dass letztlich kaum etwas davon übrigbleibt.

teleschau: Ein Thema, das in der Gesellschaft und in den Medien zuletzt genauso hitzig diskutiert wurde wie der Klimaschutz, ist das Gendern ...

Maffay: Ich kann diese Euphorie, oder eher Hysterie, nicht wirklich verstehen. Es gibt so viele andere wirklich wichtige Themen ... Diesem gestehe ich nicht zu, dass es mich bestimmt. Ich möchte auch nicht, dass Leute mir vorschreiben, wie ich mich auszudrücken habe, und ich merke in meinem persönlichen Umfeld, dass es vielen Leuten ganz ähnlich geht. Diese hanebüchenen, zum Teil an den Haaren herbeigezogenen Argumente sind aus meiner Sicht einfach nicht substanziell.

teleschau: Ein zentraler Punkt in dieser Diskussion ist aber doch, dass es um die stärkere alltägliche Anerkennung von Frauen, aber auch von unterschiedlichen Minderheiten geht.

Maffay: Die Personen, die glauben, dass durch diese Veränderung der Sprache die Position von irgendjemandem verbessert wird, müssten sich vielleicht vergegenwärtigen, dass wir per Geburt alle gleichberechtigt sind. Und: Das Verhalten der Menschen untereinander wird sicher nicht verbessert durch irgendwelche grammatischen Formulierungen. Die Werteprägung muss doch ganz woanders ansetzen - in unserer Erziehung etwa, dort wird der Grundstein dafür gelegt, dass wir uns gegenseitig als gleichberechtigt ansehen. Ich weiß natürlich, dass dieses Thema für viele Menschen wichtig ist, aber meiner Meinung nach verwenden wir da zu viel Energie in die falsche Richtung.

Bei "Begegnungen" trifft Peter Maffay (links) auch auf Laura Karasek und Reinhold Beckmann, der auch als Musiker "weiß, was er da macht". (Bild: Wolfgang Köhler/Red Rooster Musikproduktion GmbH)
Bei "Begegnungen" trifft Peter Maffay (links) auch auf Laura Karasek und Reinhold Beckmann, der auch als Musiker "weiß, was er da macht". (Bild: Wolfgang Köhler/Red Rooster Musikproduktion GmbH)