Holzweg der Mächtigen: Was passiert hinter den Kulissen des Weltwirtschaftsforums?

Ein faszinierender Dokumentarfilm spielt Mäuschen, wenn beim Weltwirtschaftsforum in Davos die mächtigsten Politiker und Wirtschaftsführer der Welt zum Smalltalk über den Zustand der Welt antreten.

Wer schon immer mal bei Gesprächen in den Hinterzimmern der Macht dabei sein wollte, sollte diesen Dokumentarfilm sehen, der am Dienstag, 14. Januar, bei ARTE im Programm ist und am Montag, 20. Januar, 22.45 Uhr, noch einmal im Ersten läuft. Ein Jahr lang war es dem renommierten Dokumentarfilmer Marcus Vetter ("Das Herz von Jenin") erlaubt, dem 81-jährigen Gründer des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, mit der Kamera über die Schulter zu schauen.

Seit 1971 bringt Schwab die mächtigsten Politiker und Wirtschaftsführer der Welt in einem Schweizer Bergdorf zusammen. Die Motivation des schwäbischen Wirtschaftsprofessors: den Zustand der Welt durch Dialog verbessern. Nicht so einfach, wenn per "Apocalypse Now"-artiger Hubschrauber-Armada starrhalsige Weltführer wie US-Präsident Donald Trump oder der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro über die in verschneiter Ruhe thronenden Alpen einschweben. Aus irgendeinem Grund, vielleicht weil die Staatsführer und CEOs der Weltkonzerne "ihrem Klaus" vertrauen, darf man dank dieses Films nun also erstmals teilhaben, wenn per Smalltalk der Zustand der Welt von den Mächtigen diskutiert, also Diplomatie auf höchstem Niveau betrieben wird.

Allein wegen seiner Bilder und Gesprächsfetzen, die ein solches Spitzentreffen aus einer ungewöhnlichen, faszinierenden Perspektive zeigen, ist "Das Forum" ein frühes Dokumentarfilm-Highlight des Jahres. Andererseits verlässt sich Vetter nicht nur auf seine spektakulären Bilder und die teilweile skurrilen Situationen - beispielsweise wenn sich die CEOs der weltweit größten Industrieunternehmen unterwürfig wie Schulbuben bei Präsident Trump in einer intimen Runde vorstellen und dieser ihnen auf den Hinweis, man habe dieses und jenes US-Unternehmen gekauft, entgegenkläfft: "Habt ihr einen guten Preis bekommen? Ihr Kerle bekommt doch immer einen guten Preis!" Ja, das erschreckend Triviale im Auftreten mancher Führer ist auch eine Erkenntnis dieses Films. Andererseits müht sich Vetter auch abseits des Davoser Gewusels, ein paar Wahrheiten zu entdecken. Eine davon führt sein Film im Titel: "Rettet Davos die Welt?"

Das Weltwirtschaftsforum: Teil der Lösung oder des Problems?

Kritiker des Weltwirtschaftsforums, einer Mega-Stiftung mit 800 Mitarbeitern, wie Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan glauben nämlich, dass Davos Teil des Problems und nicht der Lösung ist. Während der besonnene Schwab der Überzeugung ist, gerade "den Sündern" die Tür der Kirche nicht versperren zu dürfen, damit man über persönliches Kennenlernen und Verstehen das Gute in die Welt tragen kann, denken Morgan und Co., dass in Davos jeder Mächtige nur seine eigene Agenda betreibt und keinerlei Lösungen für drängende Weltprobleme wie den Klimawandel vorangetrieben werden. Dass Schwab selbst die Welt am Herzen liegt, zeigt Marcus Vetter, wenn er den fitten Senior auf zahlreichen Reisen beispielsweise nach Asien und Afrika begleitet. Etwa beim Versuch, durch nachhaltige Palmöl-Projekte in Indonesien die Abholzung des Regenwaldes zu stoppen oder in Ruanda, wenn die Versorgung von Krankenhäusern mit Blutkonserven durch Drohnen erprobt wird.

ARTE bindet den herausragenden Dokumentarfilm in einen Themennachmittag und -abend über "Waldthemen" ein. So läuft im Anschluss an "Das Forum" um 21.45 Uhr die Dokumentation "S.O.S. Amazonas". Und im Ersten, am 20. Januar? Da läuft ein solcher Film leider mal wieder erst um 22.45 Uhr. In der Primetime,um 20.15 Uhr, die "Das Forum" als Gedankenanstoß für ein großes Publikum verdient hätte, gibt es stattdessen: "Erlebnis Erde - Unsere Erde aus dem All". In dieser Hochglanz-Doku werden zwar auch Phänomene des Klimawandels angesprochen, aber eben am Rande, mithilfe schöner Bilder - und ziemlich weit weg vom Zentrum der Macht.