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Hommage an Michael J. Fox: Auch ein Zeitreisender kann die Zukunft nicht aufhalten

Michael J. Fox (Bild: AP)
Michael J. Fox (Bild: AP)

Als Kind lehrte mich Michael J. Fox alles, was man über Zeitreisen in die Vergangenheit wissen muss: Wenn es ganz schlimm kommt, verliebt sich die jüngere Version deiner eigenen Mutter in dich. Und wenn es noch schlimmer kommt, vergisst sie dabei auch noch, sich in deinen Vater zu verlieben, so dass du nie geboren wirst.

Wenn man es sich recht überlegt, konnte Michael J. Fox’ Feel-Good-Klassiker “Zurück in die Zukunft” ganz schön gruselig sein. Inzestuös anmutende Zeitreiseparadoxien, peinliche Begegnungen mit deinem zukünftigen Erzeuger und Raufereien mit minder bemittelten Schulhofrowdys von der Sorte, die es heutzutage bis ins Weiße Haus schafft: Ganz schön übel, aber letztlich alles kein Problem für den zeitreisenden Teenager Marty McFly, der von Michael J. Fox mit einer sympathischen Lässigkeit verkörpert wurde, der man sich unmöglich entziehen konnte.

Der Typ von nebenan

Als McFly-Fanboy habe ich ihn geliebt, diesen Hollywood-Star der 80er, der trotz seiner 1,63 Meter alle anderen Action-Helden dieser Ära locker überragte. Im Grunde verhielt sich Michael J. Fox zu Ikonen wie Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone wie Peter Parker zu Superman und Batman: Im Gegensatz zu den kraftstrotzenden Superstars jener Zeit wirkte der schmächtige “Zurück in die Zukunft”-Mime wie der Typ von nebenan, der gar nicht das Zeug zum Helden hat – aber zu einem werden konnte, wenn es drauf ankam. Kurzum: Man wollte damals so sein wie Michael J. Fox. Oder einen besten Kumpel haben wie Michael J. Fox. Oder beides.

Wie cool Marty McFly ist, kann man hier sehen:

Nach “Zurück in die Zukunft” folgten weitere leichtfüßige Kino-Erfolge wie “Teen Wolf” und “Das Geheimnis meines Erfolges”, aber auch ambitionierte Dramen wie “Die Verdammten des Krieges” und “Die grellen Lichter der Großstadt”. Anfang der 90er wurde es ein wenig ruhiger um den aus Kanada stammenden Schauspieler – bis er 1996 mit der Sitcom “Chaos City” ein umjubeltes Comeback im Fernsehen feierte. In der Rolle des stellvertretenden Bürgermeisters von New York versprühte der mittlerweile 35-jährige Fox noch immer den unbekümmerten Charme seiner Marty McFly-Zeiten. Für mich Grund genug die sympathische Comedy-Serie einzuschalten und meinen Helden von damals hochleben zu lassen. Fox hatte es zurück ins Rampenlicht geschafft. “Chaos City” wurde vom Publikum geliebt und mit Auszeichnungen überhäuft.

Zwei Jahre später verkündete Michael J. Fox, dass er an der Parkinson-Krankheit leidet. Seit seinem 30. Lebensjahr.

Die Meldung war ein Schlag in die Magengrube. Trotz allem spielte er in “Chaos City” bis zum Ende der 4. Staffel auch weiterhin die Hauptrolle. Im Jahr 2000 stieg er aufgrund der fortschreitenden Erkrankung jedoch aus. Was folgte, waren Engagements als Synchronsprecher und Nebenrollen. Jenseits der Unterhaltungsindustrie begann Fox, sich mit großem Engagement für die Parkinson-Forschung einzusetzen. Von gelegentlichen Meldungen abgesehen, verlor ich ihn gewissermaßen aus den Augen, freute mich aber umso mehr, wenn ich ihn in tollen Serien wie “Scrubs” als Gaststar sah und zufrieden feststellte, dass er es nach wie vor verstand, selbst mit kurzen Auftritten einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Fast so, als würde man einem guten Freund aus Kindertagen zufällig über den Weg laufen und feststellen, dass es ihm trotz allem gut geht.

Reunion der
Reunion der “Zurück in die Zukunft”-Stars (Bild: AP)

“Er ist einfach ein Arsch”

Jahre später begegnete ich ihm erneut wieder. In der Anwaltsserie “The Good Wife”, die im letzten Jahr den Abschluss ihrer siebten und letzten Staffel feierte. Ein Wiedersehen, auf das ich nicht vorbereitet war – und das mich geradezu umhaute. Als Louis Canning spielt Michael J. Fox die wiederkehrende Rolle eines brillanten Anwalts, der unter tardiver Dyskinesie leidet, einer motorischen Störung, die sich in unwillkürlichen Bewegungsabläufen äußert. Natürlich ist ihm der Part des körperlich beeinträchtigten Juristen aufgrund seiner eigenen physischen Konditionen auf den Leib geschneidert. Wer nun aber sentimentalen Betroffenheitskitsch hoch zwei befürchtet, wird schnell eines Besseren belehrt. Louis Canning ist geradezu das Gegenteil des netten Typen von nebenan, den Michael J. Fox seit seiner Zeit als Marty McFly immer wieder unter wechselnden Vorzeichen verkörpert hat. Canning ist hinterhältig, manipulativ und stets auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Seine Behinderung nutzt er ganz unverfroren aus, um beim ahnungslosen Gegenüber Mitleid zu wecken – und ihn daraufhin genüsslich in die Falle tappen zu lassen.

“Ich wollte beweisen, dass körperlich beeinträchtigte Menschen ebenfalls Arschlöcher sein können”, erzählte Fox letztes Jahr dem Hollywood Reporter über seine “Good Wife”-Rolle. “Man will ihn bemitleiden, aber er ist einfach ein Arsch, ob nun beabsichtigt oder nicht.” Umso beeindruckender, wie Fox diesem gerissenen, machiavellistischen Tunichtgut eine Menschlichkeit verleiht, die uns dazu bringt, Louis Canning trotzdem zu mögen. Kein Mitleid, aber Empathie für ihn zu empfinden. Nur weil er ein Arsch ist, heißt das ja schließlich nicht, dass er ein schlechter Mensch sein muss.

Eine kleine Kostprobe von Louis Cannings betörender Gerissenheit:

Vielleicht versteht Fox die Figur auch deshalb so gut, weil er aus der augenscheinlichen Schwäche ebenfalls eine Stärke macht. Statt sich aus dem Rampenlicht zurückzuziehen, tritt er die Flucht nach vorn an – mit einer Rolle, die seine körperliche Beeinträchtigung nicht zu kaschieren versucht, aber auch nicht ausschlachtet. Ein schwieriger Balanceakt, den Fox mit Bravour meistert.

Über Zeitreisen in die Vergangenheit dürfte uns Michael J. Fox nix mehr beibringen können. Stattdessen lehrt er uns nun etwas viel Wertvolleres: wie man mit Witz und Haltung einer ungewissen Zukunft ohne Happy End trotzt.

Autor: Carlos Corbelle

Im Video: Die legendären Sneaker aus “Zurück in die Zukunft” gibt es inzwischen auch im wahren Leben


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