Hongkonger Plattform "Stand News" und Ex-Redakteure wegen "Volksverhetzung" verurteilt
Rückschlag für die Pressefreiheit in Hongkong: Ein Gericht hat den Betreiber der pro-demokratischen Nachrichtenplattform "Stand News" und deren beiden Ex-Chefredakteure wegen "Volksverhetzung" verurteilt. "Ich erkläre die drei Angeklagten für schuldig", befand am Donnerstag ein Gericht des Verwaltungsbezirks Wan Chai. Die EU, die USA und NGOs reagierten entsetzt.
Die Journalisten Chung Pui Kuen und Patrick Lam sowie die Betreiber der 2021 geschlossenen Website waren wegen "Verschwörung zur Veröffentlichung und Vervielfältigung aufrührerischer Publikationen" angeklagt. Das Vergehen kann mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden.
In der schriftlichen Urteilsbegründung hieß es, "Stand News" habe die "Autonomie Hongkongs unterstützt und vorangetrieben". Zudem sei die Plattform zu einem Werkzeug geworden, um die Behörden der Zentralregierung in Peking und die Hongkonger Regierung zu "verleumden und zu diffamieren". Auch das Mutterunternehmen Best Pencil Limited wurde für schuldig befunden.
Lam war wegen einer Krankheit nicht im Gerichtssaal anwesend. Beide Journalisten kamen gegen Kaution bis zur Urteilsverkündung am 26. September auf freien Fuß.
Es ist die erste Verurteilung dieser Art, seit die britische Kronkolonie Hongkong 1997 an China übergeben wurde. Das Urteil ist ein weiterer herber Rückschlag für die Pressefreiheit. Im Pressefreiheit-Ranking der Organisation Reporter ohne Grenzen ist die Sonderverwaltungszone in den vergangenen zwei Jahrzehnten von Platz 18 auf Platz 135 abgerutscht.
"Stand News" erreichte während der pro-demokratischen Proteste in Hongkong 2019 eine große Leserschaft. Die Staatsanwaltschaft führte in dem Prozess zahlreiche Artikel des Mediums als Beweismittel an, in denen die Beschneidung von Freiheiten in der früheren britischen Kronkolonie seit der gewaltsamen Niederschlagen massiver pro-demokratischer Proteste durch die Zentralregierung in Peking kritisiert wurde.
Mehr als 100 Menschen hatten sich zur Urteilsverkündung vor dem Gerichtsgebäude versammelt. Vertreter mehrere Konsulate, darunter die USA, Großbritannien und die Europäische Union, wohnten der Urteilsverkündung bei.
Ein anwesender ehemaliger Journalist, der anonym bleiben wollte, bezeichnete den Prozess als bahnbrechenden Sieg für die Unterdrückung der Pressefreiheit. Chung habe "lediglich das getan, was ein Journalist tun würde, und das hätte in der Vergangenheit nicht zu einer Kriminalisierung und Inhaftierung geführt", sagte der Ex-Journalist der Nachrichtenagentur AFP. Lau Yan-hin, ein früherer Mitarbeiter von "Stand News", sprach von einem "Rundumangriff" auf die Medien.
Die Europäische Union forderte Hongkong nach dem Urteil auf, "die Verfolgung von Journalisten einzustellen". Das Urteil berge die Gefahr, "dass der pluralistische Gedankenaustausch und der freie Informationsfluss, beides Eckpfeiler des wirtschaftlichen Erfolgs von Hongkong, behindert werden", sagte ein EU-Sprecher. Die USA erklärten, der Schuldspruch sei ein "direkter Angriff auf die Pressefreiheit".
Der Vorwurf der Volksverhetzung stammt noch aus der britischen Kolonialzeit. Er kam jahrzehntelang nicht zur Anwendung, wird jedoch seit 2020 von den Behörden gegen Regierungsgegner eingesetzt.
Beh Lih Yi vom Komitee zum Schutz von Journalisten mit Sitz in den USA kritisierte, die Anwendung von "archaischer Gesetzgebung wie dem britische Gesetz gegen Volksverhetzung aus der Kolonialzeit" stelle "eine Verhöhnung der Justiz" dar. "Journalismus ist nicht aufrührerisch", betonte sie. Das Urteil zeige, "dass Hongkong immer tiefer in den Autoritarismus abrutscht und dass jeder, der nicht linientreu ist, im Gefängnis landen kann". Sarah Brooks, China-Direktorin bei Amnesty International, bezeichnete das Urteil als "einen weiteren Sargnagel für die Pressefreiheit in Hongkong".
In einem weiteren Prozess wurde am Donnerstag ein Angeklagter wegen eines angeblich geplanten Bombenanschlags auf die Polizei in Hongkong während der Proteste im Jahr 2019 verurteilt. Sechs weitere Angeklagte wurden Medienberichten zufolge von der Jury freigesprochen. Dem Verurteilten Lai Chun-pong droht nun eine Strafe von bis zu 20 Jahren Gefängnis.
kbh/yb