"House of Gucci": Die wahre Geschichte von Lady Gagas Filmfigur

Am 2. Dezember 2021 soll Lady Gagas neuester Film "House of Gucci" in die deutschen Kinos kommen. Der Superstar spielt darin Patrizia Reggiani, die Ex-Frau von Modeschöpfer Maurizio Gucci, dem Chef des gleichnamigen Modehauses - und die Frau, die seinen Mord in Auftrag gab.

Lady Gaga und Adam Driver spielen Patrizia Reggiani und Maurizio Gucci. (Bild: REUTERS/Mario Anzuoni)
Lady Gaga und Adam Driver spielen Patrizia Reggiani und Maurizio Gucci. (Bild: REUTERS/Mario Anzuoni)

Es war ein schöner Frühlingsmorgen, erinnert sich der frühere Pförtner der Via Palestro 20, dem Gebäude, in dem Maurizio Gucci sein privates Büro hatte. "Mr. Gucci kam an, er trug ein paar Zeitschriften und sagte 'Guten Morgen'", berichtet Giuseppe Onorato gegenüber dem "Guardian". Nur wenige Sekunden später wurde die Idylle gestört, als drei Schüsse fielen.

Maurizio Gucci wurde dreimal in den Rücken geschossen, als er die Treppe herauf ging, als er zusammenbrach folgte ein vierter Schuss in den Kopf. Auch den Pförtner trafen mehrere Schüsse, doch er schaffte es dennoch zum schwerverletzten Gucci: "Ich hielt seinen Kopf fest. Er starb in meinen Armen."

"Wir waren ein wunderschönes Paar und hatten natürlich ein wunderschönes Leben"

Der Geschäftsmann und damalige Chef des Gucci-Modehauses, Enkelsohn des berühmten Gründers Guccio Gucci, verstarb am 27. März 1995 im Alter von nur 46 Jahren in Mailand.

Um die Hintergründe des Falls zu verstehen, müssen wir in der Zeit zurückgehen, genau genommen ins Jahr 1970. Auf einer Party trifft Maurizio Gucci auf die damals 21-jährige Patrizia Reggiani. Er soll sich sofort Hals über Kopf in die junge Frau, die zwar reich aber nicht Teil der Mailänder High Society war, verliebt haben, so schildert es Reggiani später. "Ich selber war zuerst nicht sonderlich an ihm interessiert. Er war einfach dieser stille Junge, dessen Zähne sich vorne überkreuzten", erzählt sie weiter.

Trotz dessen heiratet das Paar zwei Jahre später, sehr zum Unmut von Guccis Vater Rodolfo, der zum einen Reggianis Herkunft, aber auch ihrer starken Persönlichkeit wenig abgewinnen kann. Doch gerade diese Persönlichkeit machte aus den beiden das wahrscheinlich erste "Power-Couple" der italienischen Geschichte.

"Wir waren ein wunderschönes Paar und hatten natürlich ein wunderschönes Leben", erklärt Patrizia Reggiani heute. Opulente Themenparties, Reisen zu ihren privaten Inseln mit der Yacht, ein Ski-Chalet in St. Moritz, regelmäßige Treffen mit Jackie Onassis and den Kennedys: Gucci und Reggiani zelebrierten öffentlich den Lifestyle der Reichen und Schönen - und auch ihre Liebe. In Manhattan ließen sie sich beispielsweise in einem Auto herumfahren, das das personalisierte Kennzeichen "Mauizia" hatte.

Mit dem Tod von Rodolfo bröckelte das Unternehmen - und die Ehe

Doch mit dem Tod von Maurizio Guccis Vater Rodolfo, der Patrizia mit der Geburt der ersten Tochter schließlich doch noch akzeptiert hatte, begann nicht nur das Gucci-Imperium zu bröckeln, sondern auch die Ehe. Maurizio erbte die 50% Firmenanteile seines Vaters und drehte, nach Patrizia Reggianis Aussage, durch. Nicht nur habe er aufgehört, auf die Ratschläge seiner Frau zu hören, gleichzeitig kämpfte er jahrelang mit seinen Onkeln und Cousins um die restlichen Anteile und plante die Vermarktung des Unternehmens gänzlich umzustellen.

Genervt von den ständigen "Einmischereien" seiner Frau, soll Maurizio Gucci eines Abends einfach seine Tasche gepackt haben und gegangen sein. Am nächsten Tag schickte er einen Freund vorbei, der Patrizia sagen sollte, dass die Ehe vorbei sei, und er nicht mehr wiederkommen werde. 1993 hatte er schließlich eine neue Frau an seiner Seite: Paola Franchi und 1994 folgte die offizielle Scheidung. Auch, wenn Patrizia seitdem nicht mehr den Namen Gucci tragen darf, sagt sie auch heute noch: "Ich fühle mich immer noch wie eine Gucci - eigentlich bin ich sogar die, die den Namen am meisten verdient hat."

Am Tag von Guccis Tod nur ein einziges Wort im Tagebuch: "Paradeisos"

An diesem Punkt beginnen die Aussagen von Patrizia Reggiani und die offiziellen Ermittlungsergebnisse zum Fall Maurizio Gucci auseinander zu gehen. Reggiani beteuert bis heute, dass sie ihren Ex-Mann nicht umbringen ließ, dass eine Freundin ihr die Tat in die Schuhe geschoben habe, dass Maurizio die Person gewesen sei, "die ihr am meisten bedeutete". Doch die Fakten scheinen eine andere Sprache zu sprechen.

So belegen Tonaufnahmen, die später auch vor Gericht vorgelegt wurden, dass Reggiani Gucci immer wieder anrief, beleidigte und bedrohte. Dabei soll sie ihn ein "Monster" genannt haben, weil er sie und die gemeinsamen Töchter vernachlässige und unter anderem gewarnt haben: "Das Inferno für dich kommt noch." Ein weiteres belastendes Indiz, das die Ermittler schließlich bei Patrizia Reggiani fanden: Ihr Cartier-Tagebuch. Darin hatte sie am Tag von Guccis Tod nur ein einziges Wort geschrieben: "Paradeisos" – das griechische Wort für Paradies.

Patrizia Reggiani, Ex-Frau des getöteten Maurizio Gucci
Patrizia Reggiani musste sich schließlich für die Tat vor Gericht verantworten. (Bild: Reuters/ PH/SR/WS)

1997 wurde Patrizia Reggiani schließlich mit drei weiteren Leuten, unter anderem dem tatsächlichen Mörder ihres Ex-Mannes, festgenommen und ihnen wurde der Prozess gemacht. Reggiani, von den Medien "Vedova Nera", die Schwarze Witwe, genannt, blieb bei ihrer Aussage, dass sie nicht für den Tod von Gucci verantwortlich sei. Zwar stimme es, dass sie einer Freundin eine große Summe Geld gezahlt hatte, allerdings nicht, damit diese einen Auftragsmörder engagiert, wie es ihr die Anklage vorwarf. Stattdessen sei sie von der Freundin, die ihr die Tat anhänge wolle, erpresst worden, und habe deshalb gezahlt.

"Nur noch" 860.000 Dollar Unterhalt im Jahr

Die Anklage zeichnete im Gegensatz dazu das Bild einer rachsüchtigen, von Neid, Missgunst und Stolz getriebenen kaltblütigen Mörderin. Durch den Mord habe sie verhindern wollen, dass Gucci seine neue Freundin heiraten würde - nicht nur, weil sie selber auf die neue Beziehung neidisch gewesen war, sondern auch, weil das bedeutet hätte, dass sie nur noch halb so viel Unterhalt von ihrem Ex-Mann bekommen hätte. Konkret wären dies "nur noch" 860.000 Dollar im Jahr gewesen, oder wie Reggiani es selber ausdrückte, "gerade einmal genug für eine Schale Linsen."

Einige Experten sehen allerdings noch ein anderes Hauptmotiv für ihre Tat. So erklärt Giusi Ferrè, ein Fashion-Autor und Kulturkritiker aus Mailand, gegenüber "The Guardian": "Alles, was Reggiani war, war sie dadurch, dass sie eine Gucci war." Teil des Imperiums zu sein, sei ihre gesamte Identität gewesen, wodurch Maurizio Guccis geschäftliches Versagen und die Scheidung sie umso härter getroffen und in ihr eine unglaubliche Wut auf ihren Ex-Mann geweckt haben sollen.

Lady Gaga lehnte persönliches Treffen mit Patrizia Reggiani ab

1997 wurde Patrizia Reggiani schließlich wegen des Auftragsmords an ihrem Ex-Mann Maurizio Gucci zu 29 Jahren Gefängnis verurteilt. 2011 bekam sie die Möglichkeit, im Rahmen eines Arbeitsprogramms früher aus der Haft entlassen zu werden. Das Angebot schlug sie jedoch aus, mit der Begründung, dass sie noch nie in ihrem Leben gearbeitet habe und "ganz sicher nicht jetzt damit anfange". Nach insgesamt 18 Jahren hinter Gittern wurde Reggiani im Oktober 2016 wegen guter Führung vorzeitig entlassen und lebt seitdem in Mailand.

In Reaktion auf den neuen Film "House of Gucci", der ihr Leben und auch ihre Tat thematisiert, kommentierte Reggiani, dass sie sich darüber freue, von Lady Gaga gespielt zu werden. Allerdings sei sie enttäuscht darüber, dass der Star sich nicht bei ihr gemeldet hätte, um den echten Menschen hinter ihrer Figur kennenzulernen.

Tatsächlich handelte es sich dabei aber wohl um eine bewusste Entscheidung des Produktionsteams sowie von Lady Gaga selber. Man wolle Reggiani "und das schreckliche Verbrechen", das sie begangen hat, nicht derartig unterstützen, heißt es dazu in einem Statement.

Im Video: Lady Gaga ist der Blickfang bei der Premiere von "House of Gucci"