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"Humor wird immer die Waffe der EAV sein"

Thomas Spitzer (Mitte, l.) und Klaus Eberhartinger (Mitte, r.) sind die berühmten Gesichter der EAV

Mit dem Raritäten-Album "Was haben wir gelacht" startet die Erste Allgemeine Verunsicherung einen Frontalangriff auf das Zwerchfell ihrer Hörerschaft. Die 18 humorvollen Songs und skurrilen Kurzgeschichten stammen aus drei Jahrzehnten EAV und waren beinahe schon in Vergessenheit geraten. Texter und Komponist Thomas Spitzer (63) und Sänger Klaus Eberhartinger (66) sprechen im Interview mit spot on news über die Grenzen von Humor, Drogen und das blödsinnigste Lied der EAV aller Zeiten.

Wie kam es zu dem Album "Was haben wir gelacht"?

Thomas Spitzer: Auf dem Album sind nur Songs, die aus unerfindlichen Gründen durch den Tonträger-Rost gefallen sind. Die meisten davon sind Jahrzehnte in irgendeiner Kiste verstaubt. Jetzt haben wir diese Kiste aufgemacht und festgestellt, diese Lieder darf man der Öffentlichkeit nicht vorenthalten. Ob sie Musik-historisch relevant sind, sei erstmal dahingestellt. Uns gefallen sie auf jeden Fall.

Angesichts der langen Band-Geschichte war es sicher nicht einfach, die Archive zu durchsuchen.

Spitzer: Es versandet und versickert in so einer Zeit natürlich viel. Aber meine Lebensgefährtin hat das alles ausgegraben. Sie hat sich irgendwann meine alten Computer, die wir längst vergessen hatten, vorgenommen und unzählige MP3-Files durchforstet. Die Freude war dann natürlich umso größer als sie verschiedene Raritäten gefunden hatte und meinte, ich sollte mir das anhören. Das Material hätte locker für ein Doppelalbum gereicht.

Die EAV gibt es fast seit vierzig Jahren. Auf dem Album heißt es aber "Larifaritäten aus drei Jahrzehnten". Warum fehlt ein ganzes Jahrzehnt?

Spitzer: Irrsinnig viele Sachen, die wir irgendwann mal gemacht haben, sind leider nicht mehr aufgetaucht. Aus den 80er Jahren gibt es gar nichts mehr. Die Bänder von damals wurden entsorgt. Aber von Anfang der 90er haben wir noch einiges gefunden und wer ein Humor-Gen in sich trägt, der wird sich gut unterhalten fühlen.

Welcher Song ist denn der blödsinnigste auf dem Album?

Spitzer: "Der blöde Hein". Zugleich ist das aber auch mein absoluter Favorit. "Der blöde Hein" ist sinnentleert wie er selbst und das wohl blödsinnigste Lied der EAV überhaupt. Ich zeichne gerade ein Video dazu, das fängt so an: Eine Konservendose - mit dem alten Schlüssel - dreht sich selbst auf und der blöde Hein schaut raus. Die Konservendose ist sein Boot und mit dem fährt er durch die Welt. Diese Nummer hat der Klaus einmal eingesungen und fertig. Im Nachhinein haben wir da nichts mehr verändert.

Eberhartinger: Bei mir sind es eher die Gedichte wie "Wehe dem der pflügt" oder "Ich tät's noch einmal". Da schaue ich den Thomas an und denke mir, was reitet ihn? Aber ich lache mir dann einen ab, weil ich so skurrile und dadaistische Sachen liebe. Aber "Der blöde Hein" ist schon auch wirklich so ein Song über dem nur eines schwebt: das Warum?

Ein Song auf dem Album fällt allerdings etwas aus dem Rahmen.

Spitzer: Nachdem auf der CD eh nur Blödsinn drauf ist, haben wir mit der 2016er Version von "Neandertal" einen Song mit aufs Album genommen, der eine politische Aussage hat. Nicht, dass uns unsere Politiker und Polit-Fans noch komplett steinigen. Zumindest ein Song auf dem Album sollte sowas ähnliches wie eine Aussage haben. Das ist quasi unsere Entschuldigung für den Rest. Aber die EAV darf sich das auch einmal erlauben, ein Album so rauszubringen. Beim nächsten wird das wieder anders.

Sind Sie eigentlich erschrocken, dass ein Song wie "Neandertal" aus Ende der 90er Jahre mit kleinen Textanpassungen heute noch immer aktuell ist?

Spitzer: Das ist ja dasselbe wie mit "Burli". Den haben wir ursprünglich nach der Katastrophe von Tschernobyl geschrieben. Nach Fukushima haben wir den wieder aktualisiert.

Eberhartinger: Es ist traurig und erschreckend, dass manche Sachen sogar jetzt noch aktueller sind. Dieser religiöse Stellvertreter-Krieg beginnt aus dem Ruder zu laufen. Da kommt noch etliches auf uns zu. Bei der Flüchtlingswelle haben viele Leute gefragt: "Warum dramatisiert ihr jetzt die Flüchtlingswelle?" Und ich merke auch bei Auftritten: bei dem Thema geht die Stimmung immer runter. Aber das ist ein ernstes und wichtiges Thema und dazu wollen wir Stellung beziehen. Das, was wir jetzt erleben, ist noch immer erst der Anfang. Es werden nicht nur die Leute aus Kriegsgebieten kommen. Durch den Klimawandel wird es eine Süd-Nord-Migration geben. Leute, die nichts mehr zu verlieren haben, riskieren ihr Leben, um hierher zu kommen. Dann gibt es da noch den Rechtsruck in Europa und vielleicht bald noch einen Trump als US-Präsident - dann steuern wir auf eine große Katastrophe zu.

Spitzer: Aber wenn man es makaber ausdrücken will, wird auf diese Weise der EAV nie der Stoff ausgehen.

Begegnet man solch ernsten Themen leichter mit Humor und bitterböser Satire?

Spitzer: Humor ist das Rettungsboot des Elends. Es ist nicht unsere Art zu sagen, dies oder jenes ist schlecht. Das sollen andere machen und das ist auch gut so. Wir zeichnen Bilder anders. Humor wird immer die Waffe der EAV sein. Wir können die Welt nicht ändern, aber wir können das aktuelle Geschehen mit unseren Mitteln reflektieren.

Wie weit darf Humor in der Musik gehen?

Spitzer: Von der EAV gibt es zu Themen wie AIDS beispielsweise keine Songs. Aber Themen generell zu tabuisieren finden wir nicht richtig.

Eberhartinger: Was für mich an der Grenze war, war diese Böhmermann-Geschichte. Ich habe den Sinn dahinter schon verstanden. Aber das Gedicht selber war dann so unter der Gürtellinie und auch so den Islam wie wir sagen würden "anbrunzend", das geht nicht.

Spitzer: Das kann man eleganter machen. Natürlich muss man Erdogan dafür kritisieren, dass er alle Intellektuellen einsperren lässt. Aber man muss nicht "Ziegenficker" sagen. Das ist einfach zu flach.

Eberhartinger: Das war einfach nur noch beleidigend und nicht mal mehr lustig. Da wurde eine rote Linie überschritten.

Wie viel Alkohol war eigentlich bei der Entstehung des einen oder anderen sinnentleerten Songs im Spiel?

Spitzer: Früher waren neben Alkohol auch andere Substanzen im Spiel. Jetzt erstaunlicherweise kaum mehr. Ich trinke schon mal ganz gerne was, aber heute ist das alles viel disziplinierter als früher. Das ist wohl auch dem Alter geschuldet.

Eberhartinger: Ein Exzess macht im Moment Spaß, die Selbstüberschätzung wächst ins Unermessliche. Es hält nur meistens nicht einmal bis zum nächsten Tag.

Spitzer: Es gibt nur eine Ausnahme, wo der Rausch wirklich Sinn gehabt hat: Das war zu meinem Geburtstag irgendwann in den 90er Jahren. Da haben wir bis vier in der Früh gefeiert und ich war schwer illuminiert; auch mit anderen Substanzen abgefüllt. Dann hatten unser ehemaliger Keyboarder David Bronner und der Klaus keine Lust mehr, wollten schlafen. Um fünf habe ich sie wieder geweckt und gesagt, es fehlt noch der richtige Geburtstagssong. Zum Klaus habe ich gesagt: "Jetzt machen wir First Take 'Alles Schlechte zum Geburtstag'". Und diesen Song haben wir genau so wie er war, auf das Album getan. Also in diesem Fall hat das alles Sinn gemacht, aber sonst hat der Klaus recht: in der Regel bringt so ein Exzess nichts, wenn es um Ideen-Bildung geht.

Und wie ist Ihre Haltung zu Cannabis? Immerhin haben Sie dem grünen Stoff mit "Was haben wir gelacht" einen eigenen Song gewidmet. Sollte Gras legalisiert werden?

Spitzer: Sich totsaufen ist legal. Das sagt doch schon viel.

Eberhartinger: Aber man weiß schon auch, dass Marihuana nicht ganz so ungefährlich ist. Ein extremer Marihuana-Genuss entflechtet die Gehirnvernetzungen, du wirst langsamer. Aber es ist auch eine Droge, die in der Schmerztherapie eingesetzt wird. Viel schlimmer sind diese künstlichen Produkte wie Crystal Meth. Selbst bei der WHO in der Liste ist Marihuana weit hinter Alkohol.

Spitzer: Ich sage immer, jeder kann sich umbringen, womit er will. Das ist meine Grundeinstellung. Solange er niemand anderen verführt oder damit dealt.

Eberhartinger: Alkohol ist ein unglaublich gesellschaftliches Problem. Drogen sind mit Vorsicht zu genießen, aber alleine mit Verboten kommt man der Problematik nicht bei.

Foto(s): Andreas Weihs