Hunderte Euro extra im Jahr - Warum Sie nur 99,99 Prozent der Rente beantragen sollten

Deutlich mehr Geld haben viele Senioren, die bei der Rente einen unerwarteten Schritt gehen.<span class="copyright">Getty Images</span>
Deutlich mehr Geld haben viele Senioren, die bei der Rente einen unerwarteten Schritt gehen.Getty Images

Wer in Deutschland 99,99 Prozent Rente beantragt, erhält jeden Monat geringfügig niedrigere Bezüge. Im Gegenzug profitieren diese Rentner von Regelungen, die ihnen erhebliches Geld einbringen können. Der Trick funktioniert unter zwei Bedingungen, die auf Hunderttausende zutreffen.

59.000 Rentner tun es bereits: Sie beziehen Teilrenten zwischen 99 und 99,99 Prozent. Für viele Ruheständler lohnt sich das Modell, bestätigt die Rentenversicherung. Auch der VdK sagt: 99,99 Prozent Rente lohnen sich oft mehr als 100 Prozent.

Pro 1000 Euro Rente verzichten Ruheständler bei 99,99 Prozent Rente auf zehn Cent im Monat. Weil sie damit offiziell aber eine Teilrente beziehen, bekommen sie an anderer Stelle oft deutlich mehr Geld. Warum das so ist? Hier die Erklärung.

1. Wenn Sie jemanden pflegen: Bis zu 440 Euro extra pro Jahr

Von den 59.000 Menschen, die in Deutschland zwischen 99 und 99,99 Prozent Teilrente beantragt haben, haben laut einer Sprecherin 43.000 ihr reguläres Rentenalter erreicht. Der Rest nimmt die Rente mit 63 in Anspruch. Die meisten dieser 43.000 Menschen dürften die Teilrente nutzen, weil sie Angehörige pflegen.

Pflegende bekommen für ihren Einsatz Geld von der Pflegeversicherung.

  1. Erhalten Ruheständler 100 Prozent Rente, zahlt die Pflegeversicherung keine Beiträge in die Rentenversicherung ein.

  2. Erhalten Ruheständler eine Teilrente, zahlt die Pflegeversicherung Rentenversicherungsbeiträge, bestätigt die Sprecherin. Dadurch steigen mit jedem Pflegemonat die künftigen Bezüge der Pflegenden.

Ein Rentner mit 99,99 Prozent Rente vereint die Vorteile beider Welten. Er verzichtet kurzfristig minimal auf Rente, erhält künftig aber mehr. Gerade für Menschen, die schon beim Renteneintritt jemanden pflegen, kann sich das lohnen.

Für diese Regel müssen Rentner Angehörige mit mindestens Pflegegrad 2 für mindestens zehn Stunden pro Woche auf mindestens zwei Tage verteilt, zu Hause pflegen, bestätigt der VdK.

Was 99,9 Prozent Rente bringt, rechnet der VdK vor:

  • Die Rente der Pflegenden erhöht sich immer zum nächsten 1. Juli.

  • Das bringt momentan (August 2024) pro Jahr häuslicher Pflege eines Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 2 genau 9,93 EUR zusätzliche Brutto-Monatsrente ab dem nächsten 1. Juli, bei Pflegegrad 5 macht es sogar 36,77 EUR aus, also über 440 Euro im Jahr.

  • Wenn zusätzlich ein Pflegedienst die Pflege übernimmt, erhöht das auch die Rente, aber in geringerem Maße.

Pflegt ein Rentner mehrere Jahre summiert sich der Gewinn. Bei Pflegegrad 5 bekommt er nach drei Jahren über 1000 Euro zusätzliche Rente im Jahr, nach fünf Jahren über 2000 Euro.

Die höheren Bezüge gelten bis ans Lebensende: Wer 20 Jahre 2000 Euro extra im Jahr erhält, streicht 40.000 Euro ein.

2. Falls Sie weiterarbeiten: Im Krankheitsfall mehr Geld

16.000 Menschen beziehen auch schon vor Erreichen des regulären Rentenalters zwischen 99 und 99,99 Prozent Rente. Sie nutzen die sogenannte Rente mit 63.

Für sie lohnt sich der Schritt, wenn sie weiterarbeiten. Seit Anfang 2023 dürfen Frührentner beliebig zu ihren Altersbezügen hinzuverdienen. Die Regel, nach der Rentner nur einen Teil ihrer Rente bekamen, wenn sie viel hinzuverdienten, entfällt.

Besonders im Alter haben Angestellte aber ein hohes Risiko doch noch krank zu werden. Wer langfristig erkrankt, bekommt vom Arbeitgeber nach sechs Wochen kein Gehalt mehr. Bis zum Rentenalter springt die Krankenkasse ein und zahlt Krankengeld. Bei arbeitenden Frührentnern tut sie das nicht immer:

  • Wer 100 Prozent Rente bezieht, bekommt kein Krankengeld. Er erhält nach sechs Wochen Krankheit kein Geld mehr. Dafür zahlt er einen etwas niedrigeren Krankenkassenbeitrag.

  • Wer eine Teilrente bezieht, erhält Krankengeld. Zusätzlich zu den sechs Wochen Gehalt des Arbeitgebers, zahlt die Krankenkasse pro Krankheit 72 Wochen lang Krankengeld neben der Rente.

Wieder vereint ein Rentner mit 99,99 Prozent Rente Vorteile beider Optionen: Er verzichtet meist nur auf einige Cent pro Monat, sichert sich aber gegen langfristige Erkrankungen ab, die mit zunehmendem Alter häufiger auftreten. Gerade wer schon kränkelt, aber das Geld vom Weiterarbeiten braucht, sichert sich mit den 99,99 Prozent Rente das beste beider Welten.

Es gelten zwei Einschränkungen:

  1. Die Arbeitsunfähigkeit muss nach Rentenbeginn eintreten.

  2. Die Möglichkeit gilt nur bis zum Erreichen des regulären Rentenalters von 67 Jahren: Altersrentner verlieren ihren Anspruch auf Krankengeld. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Rente ihren Lebensstandard sichert. Also ersetzt die Kasse dann auch keine Verdienstausfälle mehr. Im Gegenzug zahlen sie geringere Krankenkassenbeiträge.

Vorsicht bei Betriebsrente: Schauen Sie genau hin

Ein Stolperstein bei der Teilrente: Betriebsrenten zahlen ihre Beiträge für Teilrentner teils nur vermindert oder gar nicht aus, darauf weist die Sprecherin der Rentenversicherung hin. Bevor Sie eine Teilrente beantragen, sollten Sie bei allen Altersvorsorgen abklären, dass sie ihnen trotzdem ihr volles Geld zahlen.