Im Schattenbann: Ärger um Facebooks Sperrpraxis

Ein Mann ist im Profil mit einem Laptop vor einem blauen Hintergrund mit dem Facebook-Logo zu sehen.
Facbook im Hintergrund: Oft können User nicht nachvollziehen, welche Posts gesperrt werden und welche nicht. (Bild: REUTERS/Dado Ruvic)

Immer wieder gibt es Beschwerden über die Sperrpraxis bei Facebook und Instagram. Denn die Kriterien sind oft kaum durchschaubar und der Konzern hält sich bedeckt.

Eigentlich gibt es klare Richtlinien in den Geschäftsbedingungen von Facebook. In den Gemeinschaftsstandards des Facebook "Transparency Centers" heißt es: "Unser Ziel ist es, Facebook zu einem sicheren Ort zu machen. Inhalte, die Nutzerinnen und Nutzer bedrohen, haben das Potenzial, andere einzuschüchtern, auszugrenzen oder mundtot zu machen. Deshalb sind sie auf Facebook nicht gestattet." Doch wer schon einmal versucht hat, einen Verstoß zu melden, wird schnell merken, dass es hinter den Kulissen anscheinend längst nicht so transparent abläuft.

Bei einer Anhörung vor dem US-Senat hatte Facebook-CEO Marc Zuckerberg angegeben, es würden bis zu 94 Prozent aller Hass-Posts entfernt werden. Wie die "Washington Post" nun berichtete, hat die interne Recherche-Gruppe von Facebook herausgefunden, dass es unter fünf Prozent der menschenfeindlichen Beiträge sind, die tatsächlich gelöscht werden. Während viele beleidigende, bedrohende und verunglimpfende Posts und Inhalte also auf den Seiten stehen bleiben dürfen, wundert sich mancher Facebook-Nutzer über plötzliche Löschungen oder sogar Sperren seiner eigenen Posts, die angeblich gegen die Richtlinien verstoßen haben sollen.

"Shadowban" kommt Sperre gleich

Insbesondere bei politisch kritischen Themen erwischt dieses Prozedere auch Journalisten und Autoren. Dabei werden die manchmal nicht einmal in Kenntnis gesetzt. Stattdessen widerfährt ihnen ein sogenannter "Shadowban". Der "Schattenbann" bedeutet, dass ihre Inhalte plötzlich nicht mehr von anderen User gefunden und gesehen werden können. Faktisch wird so die Reichweite außer Kraft gesetzt, der "Schattenbann" kommt so eigentlich einer Sperre gleich. Ursprünglich war diese Taktik dazu gedacht, Trolle und Spammer unbemerkt sperren zu können, damit sie nicht einfach unter einem neuen Account weitermachen. Doch mittlerweile mehrt sich unter Kritikern der Eindruck, der "Shadowban" werde auch gezielt gegen missliebige Meinungen eingesetzt. Sie fordern mehr Transparenz über Praxis und Einflussnahme hinter den Kulissen der Social-Media-Riesen.

Sperren wegen journalistischer Inhalte?

Einer, der schon zahlreiche Erfahrungen mit der Sperrpraxis bei Facebook sammeln konnte, ist Tobias Huch. Der Journalist (Anm.: Huch schreibt regelmäßig für Yahoo Deutschland) und Buchautor hat bereits aus Kriegsgebieten berichtet. Unter seinen Posts befanden sich auch solche, in denen er die politische Lage in Nordsyrien analysiert und schrieb, dass die Ideologie des IS bei Teilen der durch die Türkei unterstützten Kräfte vorhanden sei. Daraufhin wurde sein Account gesperrt mit der Begründung, er würde damit eine Terrorgruppe unterstützen. Huch war entgeistert: "Wirrer geht es kaum – auch vor dem Hintergrund, dass der IS öffentlich meine Ermordung gefordert hat."

Vor dem Kapitol in Washington D.C. demonstrieren Facebook-Kritiker mit Pappfiguren des CEO Marc Zuckerberg.
Bei Protesten gegen Facebook-Gründer und CEO Mark Zuckerberg wie hier in Washington D.C. geht es meist um Datensicherheit, doch auch die Sperrpraxis steht mehr und mehr in der Kritik. (Bild: REUTERS/Leah Millis)

Er vermutet System hinter dieser Sperrpraxis. Facebook und Instagram verdienten sehr viel Geld durch Hass und Fakenews, sagt Huch Yahoo. "Personen wie ich sind da ein Dorn im Auge, weil ich mich immer klar gegen Hass und Hetze positioniere." Er wurde bereits mehrfach gesperrt, seine Facebook-Seite sei inzwischen mit einem "Schattenbann" belegt worden. Fans seien gelöscht und die Monetarisierung deaktiviert worden. "Dagegen verweigern Facebook und Instagram immer wieder die Löschung volksverhetzender Inhalte", berichtet der Journalist von seinen Erfahrungen.

Gesprächsangebot als Beschwichtigungstaktik

Darunter leide auch die gemeinnützige Flüchtlingshilfe, mit der Huch sich für Menschen in Syrien und dem Irak engagiert. "Ich schätze den Schaden auf zwei Millionen Euro", sagt er. Die bisherigen Gesprächsangebote von Seiten des Konzerns hält er lediglich für eine strategische Ablenkung: "Das ist eine Facebook-Taktik. Gibt es einen öffentlichen Aufschrei – und den gab es mehrfach bei Sperren gegen mich – beschwichtigt Facebook und verkündet, dass es in Berlin zu einem persönlichen Treffen kommt. Ist das Thema dann nicht mehr in den Medien, sagt Facebook die Termine ab." Huch fordert nun eine Aufhebung aller Banns und die Wiederherstellung seiner Reichweite. Auch eine Entschädigung für die entgangene Reichweite würde er sich wünschen, er könnte sich sogar ein gemeinsames Projekt im Nahen Osten vorstellen, "etwa den Wiederaufbau eines zerstörten Dorfs."

"Den Bock nicht zum Gärtner machen"

Vor allem aber müsse sich die Praxis bei Facebook ändern. Huch fordert: "Es ist dringend nötig, einmal ordentlich die politischen Gesinnungen in den Instagram und Facebook-Sperrzentren zu überprüfen." Aus internen Quellen wisse er, dass dort auch Personen arbeiteten, die eine freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnten. "Es ist ein absolutes NoGo, solche Personen zu beschäftigen. Den Bock darf man nicht zum Gärtner machen", stellt Huch klar. Er bietet dem Facebook-Verantwortlichen an, eine gemeinsame Taktik zu erarbeiten, "um gegen Hass durch Islamisten, Graue Wölfe und andere Faschisten vorzugehen." Dafür allerdings bräuchte es einen direkten Ansprechpartner sowie ein ehrlich gemeintes Gesprächsangebot des Konzerns. Auf Nachfrage von Yahoo Deutschland antwortete die deutsche Pressestelle von Facebook, man äußere sich nicht zu Einzelfällen.

Sperre gegen US-Wissenschaftler nach Facebook-Recherche

Dabei ist Huch bei Weitem nicht der Einzige, der von problematischen Sperrmethoden der Social-Media-Seiten betroffen ist. Im August diesen Jahres wurden die persönlichen Accounts von mehr als 20 Researchern der New Yorker Universität gesperrt. Sie hatten untersucht, wie politische Anzeigen auf Facebook geschaltet werden und wer für sie bezahlt. Dabei ging es auch um die Verbreitung von Falschinformationen, da Facebook die lukrativen politischen Anzeigen keinem Fakten-Check unterzieht. Laura Edelson, eine der beteiligten Wissenschaftlerin, sagte Bloomberg News: "Facebook stellt uns ruhig, weil unsere Arbeit Aufmerksamkeit auf die Probleme der Plattform lenkt." Als Begründung für die Sperre gab der Konzern an, die NYU-Forscher hätten für ihre Studie ohne Genehmigung User-Daten abgefragt. Man habe den Wissenschaftlern angeboten, sie mit eigenen erhobenen Daten zu versorgen und sie andernfalls vor einer Sperre gewarnt, ließ Facebook mitteilen. Nach der oft versprochenen Transparenz klingt das nicht gerade.

Video: Warum auch dich die "Facebook Papers" etwas angehen