Im Wiener Tatort "Wahre Lügen" wird's politisch

Der Mord an einer Journalistin, die an einer Geschichte über illegale Waffenhändler recherchierte, bringt Moritz Eisner und Bibi Fellner nicht nur an ihre Grenzen, sondern auch zu einem nicht aufgeklärten Todesfall aus der Vergangenheit. Foto: ARD Degeto/ORF/Cult Film/Petro Domenigg
Der Mord an einer Journalistin, die an einer Geschichte über illegale Waffenhändler recherchierte, bringt Moritz Eisner und Bibi Fellner nicht nur an ihre Grenzen, sondern auch zu einem nicht aufgeklärten Todesfall aus der Vergangenheit. Foto: ARD Degeto/ORF/Cult Film/Petro Domenigg

Politische Verstrickungen, illegale Waffengeschäfte, eine erschossene Investigativ-Journalistin – und wer war’s? Die eifersüchtige, lesbische Ex-Freundin. Und warum? Weil sich die Journalistin in den Waffenhändler verliebte, den sie mit ihrem Material belasten würde. Und was passiert noch so? Die eifersüchtige, lesbische Ex-Freundin schläft mit dem Waffenhändler. Hört sich verquirlt an? So war’s auch.

Die Story

Im Wiener Tatort “Wahre Lügen” ermitteln die Kommissare Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer). Zuerst ist da nur die erschossene Frau, die samt Auto aus einem Fluss geborgen wird, dann aber finden sich Hinweise auf einen angeblichen Mord, der dreißig Jahre zurückliegt. Die Investigativ-Journalistin Sylvie Wolter recherchierte über einen realen Fall. Karl Lütgendorf, ehemaliger Verteidigungsminister, wurde verdächtigt, an illegalen Waffengeschäften beteiligt gewesen zu sein. 1977 trat er deshalb zurück, fünf Jahre später wurde er mit einer Kugel im Kopf gefunden. Angeblich Selbstmord.

Ihre Story sollte groß einschlagen, doch dann verliebte Wolter sich in den Geschäftsmann und Waffenhändler David Weimann (Robert Hunger-Bühler). Kann Gehirnwäsche wirklich so schnell gehen? Die Geschichte ist unglaubwürdig – selbst wenn man davon ausgehen würde, dass Wolter bisexuell ist, auf ältere Männer steht und ihre Idealvorstellungen über Bord wirft, nur um auf dem Schiff der Liebe nach Afrika zu segeln – am besten noch mit ein paar Waffen an Bord. Aber dass ihre lesbische Ex-Freundin Sybille Wildering (Emily Cox) aus Rache ebenfalls mit Weimann schläft – damit hätte man in der Erwartbarkeit des Krimis tatsächlich nicht gerechnet. Vielleicht wollte sie aber auch nur wissen, ob der Sex wirklich so gut war, dass Wolter die sechsjährige Beziehung am Telefon beenden musste. War er vermutlich nicht, denn am Ende versuchen sich Weimann und Wildering gegenseitig umzubringen.

Apropo Erwartbarkeit… Wer hätte gedacht, dass der Informant der Kommissare nach dem Satz “Das kann ich Ihnen am Telefon nicht sagen, wir müssen uns persönlich treffen” tot aufgefunden wird. Angeblich Selbstmord. Da ist es kein Wunder, dass der Tatort einen unbefriedigt zurück lässt. Die Einzige, die festgenommen wird, ist Wildering.

Lukas Kragl und Dr. Maria Digruber von der inneren Sicherheit versuchen die Kommissare dazu zu bewegen, die Ermittlungen einzustellen. Foto: ARD Degeto/ORF/Cult Film/Petro Domenigg
Lukas Kragl und Dr. Maria Digruber von der inneren Sicherheit versuchen die Kommissare dazu zu bewegen, die Ermittlungen einzustellen. Foto: ARD Degeto/ORF/Cult Film/Petro Domenigg

Das Ungeklärte

Was ist mit den politischen Verstrickungen? Was ist mir Dr. Maria Digruber und ihrem Sekretär Lukas Kragl von der inneren Sicherheit, die jeden Ermittlungsschritt wissen wollten und alles versuchten, damit der Fall zu den Akten gelegt wird? Die Kommissare wissen von dem gelöschten E-Mailverkehr zwischen Weimann und Digrubers Sekretär. Übrigens hat Kargl eine gewisse Ähnlichkeit mit dem österreichischen Bundeskanzler. Die gleichen schwarzen zurück gegelten Haare, das gleiche Gesicht, ebenfalls Anzug und Hemd.

Anstatt gegen Digrubers Sekretär zu ermitteln, konfrontieren die Kommissare Kargl mit angeblichen Beweisen. Und was geschieht? Digruber wird in die Chefetage der Bahn versetzt. Keine Aufklärung. Keine Festnahmen. Keine neuen Indizien.

Und das, obwohl die Kommissare im Wiener Tatort, anders als ihre Kollegen aus Deutschland, top ausgerüstet waren. An einem Touchscreen zeichnete Fellner gelbe und rote Kreise, verschob Bilder von Verdächtigen – nur leider brachte sie das auch nicht weiter. Der Selbstmord bleibt ein angeblicher Selbstmord.

Die Komik

Selbst die bissigen Kommentare, die man vom Ermittlerduo gewohnt ist, fehlten. Es war ein düsterer, ernster Tatort, in dem die Komik eher unfreiwillig war. Dann wenn zum Beispiel Fellner tieftraurig zu Eisner sagt: “Ich scheine das Unglück anzuziehen.” Und der Zuschauer sich denkt: Ja, das ist so in der Mordkommission.

Oder als der Chefredakteur so durchschaubar platt agiert, dass man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Er unterschlug Beweise, weil er unbedingt seine Story veröffentlichen wollte. Das Gespräch zwischen ihm und Eisner lief folgendermaßen ab:

“Sie ham uns angelogen.” (Eisner)
“So kann man das nicht sagen.” (Chefredakteur)
“Wie dann?” (Eisner)
“Investigativer Journalismus.” (Chefredakteur)
“Gott, ist das ein Koffer.” (Eisner)

Das Fazit

Da war der letzte Wiener Tatort deutlich besser – vor allem war er lockerer, lustiger, unterhaltsamer. Auch dieser Tatort hatte dazu am Anfang Potential, nur leider wurde man am Ende enttäuscht.

Die Personen und die Handlung des Films sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

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