Immer, wenn sie wütend wird

Eine 17-jährige bekämpft mit Superkräften ihre Teenage Angst und wird in der neuen Netflix-Serie "I Am Not Okay With This" mit düsterer Komik zu einer modernen "Carrie".

Auch wenn sie von sich selbst behauptet, ein "langweiliges weißes Mädchen zu sein": Die Pickel an ihren Beinen sind Sydneys (Sophia Lillis) geringstes Problem. Die 17-Jährige muss sich in einer neuen Highschool zurechtfinden, ist heimlich verliebt in ihre beste Freundin, weiß nicht so recht, was sie für den charmanten Nachbarn Stan (Wyatt Oleff) empfindet, und ihr Vater nahm sich vor Jahresfrist das Leben. Da kann man schon mal den Verstand verlieren, zumindest aber die Kontrolle - und das passiert Syd in der neuen Netflix-Serie "I Am Not Okay With This" (ab 26. Februar) regelmäßig.

Gleich in der ersten Szene läuft sie blutüberströmt die Straße entlang, im Hintergrund verfolgt von einem Polizeiauto: Immer wenn Syd in den sieben knapp halbstündigen Episoden wütend wird, entwickelt sie Superkräfte. Das ist normal, mag man meinen, und zwar nicht erst seit Stephen Kings "Carrie". Schließlich müssen alle Teeanger irgendwie Superhelden sein, um diese Lebensphase zu überstehen.

Bei Syd sieht das allerdings so aus, dass sie mit telekinetischen Fähigkeiten Wände aufreißt, halbe Wälder entwurzelt und fremde Nasen bluten lässt. Natürlich verwirrt sie das, dabei hat sie schon genug Probleme. Zu Hause mit ihrer alleinerziehenden Mutter und dem kleinen Bruder, in der Highschool mit ihrer besten Freundin und heimlichen Schwarm Dina (Sofia Bryant), die sich ausgerechnet mit dem arroganten Brad (Richard Ellis) einlässt. Als wäre das nicht genug, will Nachbar Stan, wie Syd ein Einzelgänger, mehr knüpfen als nur freundschaftliche Bande.

Willkommen in der Ödnis

Basierend auf dem gleichnamigen Comic von Charles Forsman, ist es schon ein bisschen düster, das Teenagerleben bei Netflix. Nicht zuletzt wegen der senfigen Grautöne in die sich Syd kleidet und die sie fast verschwinden lassen in der eintönigen Ödnis ihrer Kleinstadt. Aber die Serienmacher haben schon bei "Stranger Things" und der wunderbaren britischen Netflix-Perle "The End Of The Fucking World" humorvoll und einfühlsam das große Chaos kartografiert, in dem sich Teenager immer schon verloren haben. In "I Am Not Okay With This" erzählen sie mit lakonischer Komik und sensiblem Gespür von all den großen und kleinen Ängsten, die Außenseiter genauso haben, wie Football-Schönlinge und Sexbomben.

Auch wenn es Highschool-Prototypen sind, die sich im Dickicht des Erwachsenwerdens verlieren: Das Schöne ist, dass sie alle herrlich normal sind und keine Figur überzeichnet wurde. Das macht es einfacher, sich an die eigene Jugend zu erinnern, in der man sich selbst Superkräfte gewünscht hätte.