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Impfen in Zeiten von Corona

Im Gesundheitsamt weist ein Zettel mit der Aufschrift «Impfsprechstunde» den Weg zur Praxis, in der u.a. die Grippeschutzimpfung erfolgt.
Im Gesundheitsamt weist ein Zettel mit der Aufschrift «Impfsprechstunde» den Weg zur Praxis, in der u.a. die Grippeschutzimpfung erfolgt.

Gegen das Virus Sars-CoV-2 gibt es noch keinen Impfstoff. Risikogruppen wie Senioren kann aber eine Immunisierung gegen andere Krankheiten dabei helfen, sich gegen eine Superinfektion zu schützen. Ganz oben auf der Liste: die Grippe.

Berlin (dpa) - Was bedeutet die Corona-Pandemie fürs Impfen? Gegen das neue Virus selbst gibt es noch keine Immunisierung. Einen Impfstoff erwartet das Robert Koch-Institut (RKI) erst Anfang kommenden Jahres - und dann auch nicht direkt für alle.

Es sei wichtig, einen guten allgemeinen Gesundheitszustand in der Bevölkerung zu erhalten, um das Gesundheitssystem zu entlasten, heißt es vom RKI. Dazu könne ein umfassender Impfschutz nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beitragen. Einige Beispiele:

GRIPPE: Die Hauptrisikogruppen für Covid-19 und Influenza sind deckungsgleich: Gefährdet sind vor allem ältere Menschen über 60 und Patienten mit Grunderkrankungen. Diesen Gruppen empfiehlt die STIKO deshalb in diesem Jahr ganz besonders die Grippeschutzimpfung. In der Saison 2018/19 war das Interesse daran gering. Nur rund ein Drittel der Senioren (35 Prozent) ließen sich nach RKI-Angaben immunisieren. Bei Menschen mit chronischen Grundleiden waren es ein Fünftel bis die Hälfte.

Dazu kommt eine Impfempfehlung für medizinisches Personal in Krankenhäusern, Pflege- und Senioreneinrichtungen und im Gesundheitswesen, dazu für Schwangere und Bewohner von Alters- oder Pflegeheimen. Sollten all diese Gruppen eine Impfung haben wollen, wären das rund 40 Millionen Menschen. Es werden aber wohl nur rund 26 Millionen Dosen angeboten. Droht ein Engpass?

«Wir können derzeit keinen Mangel an Grippeimpfstoff für die Influenzasaison 2020/21 in Deutschland erkennen», sagt Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI). «Wir gehen davon aus, dass die Hersteller mindestens 21 Millionen Dosen bereitstellen werden.» 13,6 Millionen Dosen seien nach Chargenprüfung bereits für Deutschland freigegeben, für diese Jahreszeit eine übliche Menge. «Gerade in der derzeitigen Coronavirus-Pandemie kann die Influenzaimpfung nur empfohlen werden», betont Cichutek.

Das Bundesgesundheitsministerium habe zusätzlich für die kommende Influenzasaison sechs Millionen Dosen Influenza-Impfstoffe beschafft, sagt Sprecher Sebastian Gülde. Diese würden sukzessive bis Dezember zur Verfügung stehen, der überwiegende Teil im November und Dezember. Die Finanzierung erfolge aus Mitteln, die das Bundesfinanzministerium zusätzlich zur Bewältigung der Corona-Pandemie bereitstelle. In der Vorsaison hätten lediglich 21 Millionen Impf-Dosen zur Verfügung gestanden. «Die Erfahrungen der letzten Jahre haben auch gezeigt, dass die jeweils verfügbaren Impfstoffmengen nicht vollständig in der jeweiligen Saison verbraucht wurden», ergänzt Gülde.

Wie wirksam die neue Grippe-Impfung ist, lässt sich nicht vorhersagen. Auf der Grundlage des jährlichen und weltweiten Monitorings der zirkulierenden Influenzaviren empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation für die Nordhalbkugel bereits im Februar die Impfstoffzusammensetzung für die nächste Saison. Danach wird produziert. Je nach Treffsicherheit kann der Impfschutz deshalb schwanken - normalerweise zwischen 20 und 60 Prozent. Eine Grippeerkrankung verlaufe allerdings bei geimpften Personen milder, also mit weniger Komplikationen, als bei Ungeimpften, betont das RKI.

Eine Impfung von Kindern empfiehlt die STIKO bisher nicht speziell beziehungsweise lediglich für Kinder, die ein höheres Risiko für Komplikationen besitzen, weil sie unter bestimmten Vorerkrankungen leiden. Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie rät dazu, Kinder zu impfen. «Wir wissen, dass Kinder das Influenza-Virus maßgeblich übertragen», sagte Johannes Hübner, Oberarzt und Vorsitzender der Gesellschaft, der «Welt am Sonntag». In Zeiten der Corona-Pandemie gebe es neben den Risiken für die Gesundheit der Kinder eine gesellschaftliche Verpflichtung zum Schutz anderer.

Ärztepräsident Klaus Reinhardt sprach sich gegenüber der Funke Mediengruppe (Donnerstag) für eine möglichst lückenlose Grippeimpfung bei Erziehern und Lehrern aus. Seiner Ansicht nach könnte die Grippewelle unter anderem wegen der Corona-Hygieneregeln harmloser verlaufen als in früheren Jahren.

PNEUMOKOKKEN: Die Pneumokokken-Impfung schützt laut RKI nicht vor Covid-19. Allerdings können Infektionen mit diesen Bakterien zu schweren Lungenentzündungen und Blutvergiftungen führen. Das RKI geht bisher davon aus, dass die Pneumokokken-Impfung eine bakterielle Superinfektion durch diesen Erreger bei Patienten mit Covid-19 verhindern kann. Bei Influenza-Erkrankungen seien bakterielle Superinfektionen durch Pneumokokken eine bekannte Komplikation.

Aktuell ist ein Pneumokokken-Impfstoff (Pneumovax 23) in Deutschland allerdings nur eingeschränkt verfügbar. Daher sollen zurzeit vorrangig Menschen geimpft werden, die ein besonders hohes Risiko für diese Erkrankung haben. Dazu zählen Kinder in den ersten beiden Lebensjahren und ältere Menschen ab 60, die in den vergangenen sechs Jahren nicht gegen diesen Erreger geimpft wurden. Auch Menschen, die an chronischen Krankheiten der Lunge oder des Herzens, an einem insulinpflichtigen Diabetes oder an bestimmten neurologischen Krankheiten leiden, haben ein erhöhtes Risiko und sollten sich impfen lassen.

Die Nachfrage nach Pneumovax 23 sei im Zusammenhang mit der Pandemie weltweit und auch in Deutschland stark gestiegen, sagt Ariane Malfertheiner, Sprecherin des Herstellers MSD. In der Bundesrepublik seien im Jahr 2019 rund 1,2 Millionen Dosen auf den Markt gegangen. Im Jahr 2020 plane das Unternehmen 2,5 Millionen Dosen, 2021 rund 2,6 Millionen Dosen. Die Produktion von Impfstoffen sei sehr komplex und könne bis zu 36 Monate in Anspruch nehmen. Nur in Ausnahmefällen könnten Bestände zwischen Ländern umgeschichtet werden. Anfang Mai sei es dem Unternehmen gelungen, 320 000 Dosen Pneumovax 23 aus Japan zu importieren und dem deutschen Markt zur Verfügung zu stellen.

«Alle Hersteller von Pneumokokken-Impfstoffen haben dieses Jahr aufgrund des großen Bedarfs zusätzliche Impfstoffdosen auf den deutschen Markt gebracht», sagt PEI-Präsident Cichutek. Da ein Hochfahren der Produktion Monate dauere, könne es aber noch eine Weile immer wieder zu vorübergehenden Engpass-Situationen kommen.

PERTUSSIS: Auch Keuchhusten wird durch Bakterien ausgelöst. Für diese Infektionskrankheit der Atemwege sind starke Hustenanfälle typisch. Menschen, die schon durch Sars-CoV-2 geschwächt sind, kann eine Infektion mehr zusetzen. Oder auch umgekehrt: Bei Menschen, die durch Pertussis bereits geschwächt sind, könnte das Coronavirus laut RKI ein leichteres Spiel haben.

Die Impfung erfolgt immer in Kombination mit anderen Impfstoffen. Neben Kindern sollten auch alle Erwachsenen einmalig bei der nächsten fälligen Tetanus- und Diphtherie-Impfung zusätzlich gegen Pertussis geimpft werden. Zudem sollen Frauen in jeder Schwangerschaft geimpft werden, in der Regel ab der 28. Woche.