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Integrationsdebatte: Lanz verpasst Chance

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Was uns Markus Lanz gestern Abend bewiesen hat? Er verschenkt das Potential seiner Gäste.

Zu Gast waren der Islamwissenschaftler Michael Lüders, Sänger Andreas Gabalier, Hundetrainer Martin Rütter und Unterwasserarchäologe Florian Huber.

Und Sawsan Chebli. Vielleicht hat sie es am Ende bereut, der Einladung von Lanz gefolgt zu sein. Die muslimische Sprecherin von Außenminister Steinmeier ist geübt darin, sich mit harschen Fragen und forschen Journalisten herumzuschlagen. Das ist ihr Job. Doch Lanz ist eben kein Journalist. Er unterliegt dem – selbst gesetzten – Zwang zu unterhalten. Das bekam die Politologin in dieser Runde am meisten zu spüren.

Chebli ist 38, wuchs mit elf Geschwistern auf als Tochter palästinensischer Eltern. Sie ist bekennende Muslima, Politologin und als stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amtes quasi das zweite Gesicht, das Sprachrohr von Frank-Walter Steinmeier. Eine Frau in einer hohen Position, - wenn auch möglicherweise nicht ganz so hoch, dass sie einen Krieg auslösen würde, „wenn Sie nicht aufpassen“, wie Lanz es zuspitzt.

Vieles, was Chebli von ihrer Familie erzählt, ist unheimlich interessant, auch im Blick auf die aktuelle Integrationsdebatte. Zum einen ist da das Gefühl von Cheblis Eltern, dass „die Anfeindungen“ gegenüber Muslimen noch nie so stark waren, „die Aversionen und der Hass“, wie in den letzten zwei Jahren. Interessant auch: Cheblis Vater wurde drei Mal abgeschoben. Bis heute spricht er wenig Deutsch, ist frommer Muslim, „aber integrierter als viele Funktionäre der AfD“ - gemessen an Disziplin, Pünktlichkeit, Ordnung. Chebli weiß, mit Aussagen wie diesen zieht sie Wut und Unverständnis – natürlich vor allem aus dem AfD-Lager auf sich. Genau hier könnte eine spannende Diskussion ansetzen, wenn Lanz es zuließe. Cheblis Eltern wurden erst nach ihrer Flucht streng religiös, wie viele Flüchtlinge. Sie haben nie gut Deutsch gelernt, auch, weil es früher kaum Maßnahmen gab.

„Ihre Mutter trägt Kopftuch – Sie tun das sozusagen theoretisch auch“

Geschichten wie diese könnte dabei helfen dazuzulernen, für unsere Gegenwart und Zukunft. Doch statt sich auf diese für die Integration so wichtigen Themen zu konzentrieren, ganz elementare Aspekte auch heute, beharkt Lanz eine Scheindiskussion über das Kopftuch: Immer wieder drängt Lanz Chebli in die Ecke, unterschwellig fordert er von ihr, sich für sämtliche Muslime zu erklären, sich für Islamismus rechtzufertigen – und dafür, warum ein Teil der muslimischen Frauen, aus welchen Gründen auch immer, Kopftuch trägt. Sie wohlgemerkt nicht. Das spielt für Lanz jedoch keine Rolle.

„Ihre Mutter trägt Kopftuch – Sie tun das sozusagen theoretisch auch“, sagt Lanz. Irritierter Blick von Chebli. Dann erklärt sie: „Bei jedem geht ein Film ab.“ Kopftuch, das heißt für viele automatisch nicht emanzipiert, nicht feministisch, nicht gebildet. Aus Karrieregründen habe sie sich darum dagegen entschieden. Was sie vor allem betont: Jede Muslima hat ihre Gründe für oder gegen das Kopftuch. Sei es aus modischen, aufgrund eines gesellschaftlichen Zwangs, aus Gewohnheit, aus Stolz. „Das Kopftuch sagt so gar nichts über uns aus“

Doch da hört Lanz schon nicht mehr hin. Eines der Probleme dieser Unterhaltung. Das zweite Problem: Chebli ist berufsbedingt so geübt im kunstvollen Sprechen, ohne etwas zu sagen, dass letztlich Lanz Konfrontationskurs an ihr abperlt. „Ich finde das faszinierend. Sie haben jetzt im Grunde ganz lange geantwortet, ohne irgendwas zu sagen.“

Genau daran scheitert eine erkenntnisreiche Diskussion zwischen ihm und seinem – wieder einmal – einzigen weiblichen Gast. Und Lanz? Ist schon beim nächsten Thema. Von der Frage: Warum tragen Frauen Kopftuch? - springt er zur Frage: Warum trägt eigentlich Andreas Gabaliers Lederhosen? Als Gabalier dann auch noch anfängt zu singen, ist es Zeit abzuschalten. Doch halt, was singt der Österreicher da? „Vergiss die Heimat nie…“ Das gestehen wir einem österreichischen Schlagermusiker, pardon Volks-Rock`n`Roller zu. Doch offenbar nicht allen, die in dieses Land kommen.

Foto: Screenshot

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