Wirbel um Partei-Plan zum Ampel-Aus - Jetzt fliegt die „D-Day“-Lüge des FDP-Generals auf – auch eigene Partei belogen

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dpa

Ein neues internes FDP-Strategiepapier belegt, wie konkret sich die Partei auf den Ausstieg aus der Ampel vorbereitet hatte. Es wurden drei Zeitpunkte für den „Ausstieg“ durchgespielt sowie Narrative erdacht und eine konkrete Medienstrategie vorbereitet.

  • Das ganze Dokument finden Sie hier.

Die FDP-Spitze hat einen möglichen Ausstieg aus der Ampel-Koalition detailliert durchgespielt. Das macht ein Papier deutlich, das die Partei jetzt selbst veröffentlicht hat, um nach eigenen Angaben Transparenz herzustellen. Table.briefings hatte zuvor darüber berichtet. Das achtseitige Dokument - offensichtlich eine Powerpoint-Präsentation - ist überschrieben mit „D-Day Ablaufszenarien und Maßnahmen“.

Die Überschrift ist besonders deshalb brisant, weil die FDP nach entsprechenden Berichten von der „Zeit“ und der „Süddeutschen Zeitung“ vehement bestritten hatte, dass der Begriff genutzt worden sei. „Das stimmt nicht. Dieser Begriff ist nicht benutzt worden“, sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am 18. November in einem Interview bei RTL/ntv und nannte entsprechende Medienberichte eine „Frechheit“.

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Kurz darauf bestritt Djir-Sarai, dass die Führung seiner Partei über das Papier informiert gewesen sei. „Das Papier ist auf Ebene der Mitarbeiter entstanden. Niemand aus der Führung der FDP kannte das Papier“, sagte Djir-Sarai der „Welt“ zum sogenannten D-Day-Papier. Einen Grund zurückzutreten, sehe er nicht.

Strack-Zimmermann: „Jetzt ist ausschließlich Selbstkritik gefragt“

FDP-Präsidiumsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat das Papier ihrer Partei kritisiert. „Jetzt ist ausschließlich Selbstkritik und Aufarbeitung gefragt“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. „Die Wortwahl ist der Sache nicht dienlich, eine Verschriftlichung mit dieser Tonalität nicht nachvollziehbar.“

Dass man sich aber in einer Situation, wie man sie in der Regierung gehabt habe, mit Ausstiegsszenarien auseinandersetze, sei folgerichtig gewesen, nicht nur für die FDP. Bei dem entsprechenden Treffen sei sie aber nicht dabei gewesen.

Wurde auch die eigene Partei angelogen?

Im Umgang mit dem Papier wurde offenbar auch die eigene Partei belogen. In einem Gespräch mit dem „Spiegel“ sagte Franziska Brandmann, Vorsitzende der Jungen Liberalen, ihr sei versichert worden, der Begriff sei nie in Verwendung gewesen.

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Robert Pausch, der „Zeit“-Journalist, der zuerst über die FDP-Planungen berichtete, schreibt auf X, ehemals Twitter, der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr habe in einer FDP-Sitzung ebenfalls versichert, der Begriff sei nie verwendet worden.

Nun veröffentlicht die Partei also das Papier selbst – und es ist mit „D-Day“ überschrieben.

Im achtseitigen Papier sucht die FDP den „idealen Zeitpunkt“ für das Ampel-Aus

„Es könnte ein Ausstieg zu Beginn der KW 45 (4. bis 10. November, Anm. d. Red.) erfolgen“, heißt es in dem achtseitigen Papier der FDP-Zentrale. Unter dem Stichwort „idealer Zeitpunkt“ wurde außerdem erwogen, den Ausstieg zur Mitte der KW 45 erfolgen zu lassen, allerdings sprachen dagegen der „ungewisse Ausgang der US-Wahl“. Nach der internen Analyse wäre eine Verschiebung nach hinten aber problematisch gewesen, da der Zeitpunkt des Ausstiegs dann mit den Haushaltsverhandlungen und dem Parteitag der Grünen kollidiert hätte.

„Wir machen den Weg frei“ als „Kernnarrativ“ der FDP

Das Papier enthält Angaben zu einem „Kernnarrativ“, das nach einem Ausstieg verbreitet werden müsste. Der Wortlaut:

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„Seit einem Jahr tobt ein Richtungsstreit in der Bundesregierung über den Kurs in der Wirtschaftspolitik. Die fundamentalen Gegensätze zwischen Rot Grün einerseits und den Liberalen andererseits sind nicht durch Kompromisse zu überbrücken. Die Bundesregierung ist damit selbst zum größten Standortrisiko geworden. Den Richtungsstreit und die Unentschiedenheit können wir nicht noch ein Jahr fortsetzen. Die deutsche Bevölkerung sollte in vorgezogenen Neuwahlen entscheiden, welchen Weg Deutschland zukünftig geht: Subventionen und neue Schulden oder bessere Bedingungen für unsere Unternehmen durch weniger Bürokratie und geringere Steuern. Also: Planwirtschaft oder Soziale Marktwirtschaft. Das sollten wir jetzt entscheiden. Deutschland wartet dringend auf Reformen, deshalb beenden wir den Stillstand. Wir machen den Weg frei für vorgezogene Neuwahlen und fordern alle Demokraten auf, diesem Weg zu folgen.“

So wollte die FDP den Bruch der Ampel begründen.

„Muss strategisch gesteuert erfolgen und darf nicht durchsickern“

In dem Papier macht sich die FDP auch bereits konkrete Gedanken über die Kommunikationsstrategie . „Um die Hoheit über die Kommunikation zu halten, muss diese strategisch gesteuert erfolgen und darf nicht durchsickern.“ Weiter heißt es: „Es ist entscheidend, die ersten Sätze und Bilder zu einem Aus der Koalition zu setzen.“

Erwogen wurden drei Szenarien, darunter sogar, die eigenen Gremien zu überraschen. Das Papier erörtert auch die Folgen dieses Vorgehens, das ihrer Einschätzung nach die „beste Kommunikationshoheit“ versprochen hätte: „Höchster Überraschungseffekt. Unmut in den Gremien vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.“

FDP-Plan für das Ampel-Aus: „Offene Feldschlacht“

Auch erwogen wurden die Kanäle, über die das Ampel-Aus kommuniziert werden sollte. Dazu heißt es in dem Papier wörtlich: „Neben den Worten sind die Bilder der Verkündung entscheidend. Diese müssen eine Position der Stärke, Entschlossenheit und Überzeugung ausdrücken. Die Atmosphäre muss ernsthaft, aber nicht getrieben wirken.“

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Besonders ins Auge fallen Option C und D. Unter dem Punkt „Option C: SoMe-Video / Selfie“ (SoMe steht in dem Zusammenhang wohl für Social Media, Anm. d. Red.) heißt es: „Ampel begann mit einem Selfie und endet auch so“.

Im Jahr 2021 sorgten Annalena Baerbock und Robert Habeck (Grüne) sowie Christian Lindner und Volker Wissing (FDP) mit einem symbolträchtigen Selfie noch für Aufbruchstimmung. Doch die anfängliche Euphorie der Koalition aus Grünen, FDP und SPD verwandelte sich rasch in interne Streitigkeiten, die schließlich zum Scheitern führten.

Option D beinhaltete schließlich bereits das Medium, in dem die Nachricht verlautet werden sollte: „Gastbeitrag FAZ“, also Frankfurter Allgemeine Zeitung. Fraglich ist, ob die FAZ von ihrem Glück schon wusste und bereits gefragt wurde.

Ablaufpyramide, „Schlachtruf“, „offenen Feldschlacht“

In einer Grafik ist die Ablaufpyramide illustriert, in Phase vier ist die Rede vom Beginn der „offenen Feldschlacht“. Auch enthalten: „Impuls“ (Phase 1), „Narrativ qualitativ setzen“ (Phase 2), „Narrativ quantitativ verbreiten“ (Phase 3).

Mehrfach ist die Rede von einem „Schlachtruf“. So heißt es für die „Phase eins“: „1. Statement CL ( Christian Lindner, Anm. d. Red.) vor Presse. Kern-Line wird zu Beginn und Ende des Statements platziert (Schlachtruf)“.

Ebenso in Phase zwei, die laut FDP-Plan Stunde eins bis vier nach dem Ampel-Bruch beinhaltet, heißt es: „2. Video CL für Partei versenden (zeitgleich mit Statement oder davor). Emotionaler, nahbarer als Statement, Schlachtruf wiederholen“.

Für Phase 4, die den Titel „offene Feldschlacht“ trägt und für die 24 Stunden vorgesehen waren, gibt es auch konkrete Planungen über Maßnahmen und Zuständigkeiten. Hierzu gehörten demnach digitale Parteihintergründe und der Start der Mitgliederkampagne „Partei ergreifen“.

Auf Anfrage von Table.Briefings hatte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai die Existenz des Papiers bestätigt und betont: „Der Stillstand der Ampel war längst zu einer Belastung für das Land geworden.“

Ohne die Verständigung auf eine bessere Wirtschaftspolitik hätte die FDP natürlich die Koalition verlassen müssen. „Wir haben niemals ein Geheimnis daraus gemacht, dass ohne eine Wirtschaftswende ein Ende der Ampel ein möglicher Ausgang des von uns selbst genannten Herbstes der Entscheidungen sein könnte.“

FDP veröffentlicht Papier

Am Donnerstag hat die Partei das Papier inklusiver einer Pressemitteilung veröffentlicht.

Darin heißt es: „Weil wir falschen Eindrücken zum Charakter des Papiers vorbeugen wollen, haben wir uns dazu entschieden, zu diesem Vorgang Transparenz herzustellen. Das Dokument ist ein Arbeitspapier, das der Bundesgeschäftsführer zum ersten Mal am 24.10.2024 um 15:38 Uhr erstellt hat. Gegenstand dieses Papiers ist das zu diesem Zeitpunkt bereits realistische und in den Medien breit diskutierte Ende der Ampel-Koalition. Dieses Papier befasst sich mit den Fragen, wie ein Ausstieg der FDP aus der Bundesregierung kommuniziert werden könnte. Der letzte Änderungsstand des Dokumentes ist vom 05.11.2024 um 12:39 Uhr. Diese Version veröffentlichen wir.“