Interview mit Dominik Tolksdorf - Experte ist überrascht von Trump-Auftritt nach Attentat - hier sagt er, warum

Der republikanische Präsidentschaftskandidat und ehemalige US-Präsident Donald Trump.<span class="copyright">Carolyn Kaster/AP/dpa</span>
Der republikanische Präsidentschaftskandidat und ehemalige US-Präsident Donald Trump.Carolyn Kaster/AP/dpa

Das Trump Attentat vor wenigen Tagen hat die Welt geschockt. Der Ex-Präsident überlebte den Angriff fast unverletzt, weil er sich in letzter Sekunde wegdrehte. Was der Anschlag für Folgen hat, erklärt unser Experte.

  • Sehen Sie im Video den Moment, über den die Welt spricht.

FOCUS online: Herr Tolksdorf, Donald Trump hat ein Attentat im wahrsten Sinne des Wortes haarscharf überlebt . Noch auf der Bühne reckte er nach einem Streifschuss am Kopf die Faust zum Himmel. Hat dieser Moment den Wahlkampf entschieden?

Dominik Tolksdorf: Das kann auf jeden Fall ein Moment sein, der den Wahlkampf entscheidend beeinflusst. Donald Trump hat in diesem Augenblick gezeigt, dass er ein Instinktpolitiker ist. Er hat sich schnell aufgerappelt, die Situation erfasst und sie genutzt, um Stärke zu demonstrieren. Diese Bilder sind bereits viral gegangen und haben schon jetzt ikonischen Status erreicht.

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Besonders im Vergleich zu Joe Biden kann Trump daraus viel gewinnen, weil er als starker Mann erscheint, der sich nicht unterkriegen lässt. Es wird jetzt entscheidend sein, wie er weiter vorgeht – ob er mehr Öl ins Feuer gießt oder staatsmännischer auftritt, um auch die Wechselwähler in den Swing States zu gewinnen.

Der Mordversuch fand am Samstag statt. Trump eröffnete mit einer Rede den Parteitag der Republikaner. Dieser findet trotz des Attentats wie geplant statt. Haben die Schüsse die Erwartungen an das Treffen geändert?

Tolksdorf: Der Parteitag wird nach dem Attentat noch intensiver beobachtet. Trump wird diese Gelegenheit nutzen, seine Rolle als Überlebender und Kämpfer zu betonen. Er könnte einerseits versuchen, sich als Versöhner zu präsentieren, um weitere Wählergruppen anzusprechen.

Gleichzeitig könnte er das Attentat dazu nutzen, seine politischen Gegner noch stärker anzugreifen und seine Anhänger zu mobilisieren. Die Art und Weise, wie Trump auftritt, wird die kommenden Wochen im Wahlkampf stark beeinflussen.

„Es gibt Spekulationen darüber, ob das Attentat seine Denkweise verändert hat“

Keine 48 Stunden nach dem Attentat ist Trump mit einem weißen Verband am Ohr auf dem Parteitag erschienen. Er reckte wieder die Faust und ließ sich minutenlang feiern. Was zeigt der erste Auftritt Trumps?

Tolksdorf: Die ersten Eindrücke von ihm sind überraschend. Er wirkt eher besonnen und weniger hetzerisch, als man vielleicht erwartet hätte. Es gibt Spekulationen darüber, ob das Attentat seine Denkweise verändert hat. Da wäre ich mir nicht so sicher. Bisher hat er sich oftmals über politische Gewalt lustig gemacht, sie relativiert und angestachelt. Möglicherweise ist ihm klargeworden sein, dass die Verherrlichung von Gewalt auch ihn selbst treffen kann.

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Dazu passt, dass Trump vor Beginn des Parteitags plötzlich für eine Überwindung der politischen Spaltung im Land warb. Er habe seine ursprünglich geplante und sehr angriffslustige Rede für den Parteitag verworfen, sagte er. „Ich will versuchen, das Land zu einen“, so Trump. Worte, die man so noch nicht von ihm gehört hat. Was erwarten Sie nun von seiner Rede am Donnerstag? Wird er den „Versöhner“ geben?

Tolksdorf: Das ist natürlich spekulativ, aber es wäre klug von ihm, jetzt versöhnliche Töne anzuschlagen. Durch das Attentat hat er viele Sympathien gewonnen, und wenn er sich nun staatsmännisch und versöhnlicher zeigt, könnte er Wählergruppen erreichen, die ihn bisher abgelehnt haben.

Besonders in den Swing States könnte das entscheidend sein. Wenn er es schafft, als Versöhner aufzutreten und staatsmännisch zu wirken, könnte er einen erheblichen Vorteil daraus ziehen, den Joe Biden nur schwer wieder aufholen kann.

„Trump weiß instinktiv, wie er sich verhalten muss“

Plötzlich steht also Einigkeit im Zentrum. Ist das Strategie oder ist hier ein ernsthafter Sinneswandel zu erkennen?

Tolksdorf: Das ist Strategie. Trump ist natürlich ein erfahrener Politiker und weiß instinktiv, wie er sich verhalten muss, um aus Situationen – wie jetzt dem Attentat – einen politischen Vorteil zu ziehen. Er analysiert täglich den Wahlkampf und hat Berater, die ihm helfen, die Stimmung unter Wechselwählern einzuschätzen. Selbst wenn es innerlich in ihm brodelt, weiß er, dass er die richtigen Schritte tun muss, um daraus im Wahlkampf zu profitieren.

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Wie denken Sie, wird sich das Attentat sonst noch auf den Parteitag der Republikaner auswirken?

Tolksdorf: Die Wahl von J. D. Vance als Vizepräsidentschaftskandidat ist besonders interessant. Sie könnte eine Reaktion auf das Attentat sein. Vance ist ein loyaler Anhänger Trumps, der ihn früher kritisiert hatte, aber in den letzten Jahren seine Haltung zu Trump fundamental geändert hat.

Trump könnte so versuchen, verschiedene Wählergruppen anzusprechen, indem er Vance als den extremeren Kandidaten positioniert, während er selbst jetzt als besonnener Staatsmann auftritt, der auch für moderatere Wählergruppen akzeptabel ist.

Bleiben wir kurz bei J.D. Vance. Was würde er im Falle eines Wahlsieges für Deutschland bedeuten?

Tolksdorf: J. D. Vance ist ein starker Kritiker der bisherigen amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik, insbesondere der Unterstützung der Ukraine. Er hat sich im Kongress immer gegen diese Unterstützung gestellt und würde dafür werben, dass sie eingestellt wird. Zudem ist er Nato-kritisch und fordert, dass die Alliierten viel mehr in ihre eigene Verteidigung investieren müssen.

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Die Wahl auf J. D. Vance wird die Befürchtungen in Europa über einen graduellen Rückzug der USA aus der europäischen Sicherheit weiter steigern. Denn sollte das tatsächlich passieren, hätte das für Deutschland und Europa natürlich erhebliche Auswirkungen .

„Demokraten sind in einer schwierigen Lage“

Vance ist Trump gegenüber loyal. Die Bilder vom Parteitag suggerieren, dass das auf die gesamte Partei zutrifft. Sind die verschiedenen Lager jetzt geeinter denn je?

Tolksdorf: Trump hat es in den letzten Jahren geschafft, die Partei stark nach seinen eigenen Vorstellungen zu prägen. Mehr als die Hälfte der Republikaner können sich mit der MAGA-Politik klar identifizieren. Es gibt zwar noch Leute in der Partei, denen dieser Kurs zu extrem ist. Dennoch schafft Trump es zunehmend, seine Agenda der Partei überzustülpen. Das wird sich am Parteitag fortsetzen.

Die Zeit von Politikern alter Schule wie Mitch McConnell scheint vorbei zu sein. Jeder, der in der Partei Karriere machen möchte, muss sich zur MAGA-Agenda bekennen. Trump möchte diese Linie in der Partei verankern, um sie auch in Zukunft fortzuführen, selbst wenn er nicht mehr im Amt ist. So ist auch die Wahl von J. D. Vance zu verstehen.

Trump wirkt aktuell wie ein „Übergegner“, hat alles überstanden – von Corona über den Schweigegeldprozess bis hin zum Attentat. Biden hingegen wirkt eher schwach. Was können die Demokraten ihm denn jetzt noch entgegensetzen?

Tolksdorf: Die Demokraten sind in einer schwierigen Lage und müssen strategisch schnell überlegen, wie sie Wechselwähler für sich gewinnen und gleichzeitig ihre Basis bei Laune halten können. Die Kritik an Biden wird wahrscheinlich nicht abnehmen und die Rufe nach einer anderen Kandidatin werden nicht leiser werden.

Am Ende würden es wahrscheinlich viele in der Partei begrüßen, wenn Biden sich eingesteht, dass er aus Altersgründen nicht mehr kandidieren sollte und seine Delegierten bittet, eine andere Kandidatin oder Kandidaten zu unterstützen. Das Problem ist, dass ihm das keiner öffentlich nahelegen möchte, und die potenziellen Kandidaten trauen sich nicht, öffentlich Führungsanspruch zu erheben.

Es geht viel Zeit verloren, und eine neue Kandidatin oder Kandidat hätten daneben das Problem, dass sie national wenig bekannt sind. Im Moment wird die Diskussion aber überschattet von dem Attentat auf Trump.