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Interview: Reaktor-Zerstörung in Syrien - Wie Israel womöglich Schlimmeres verhindert hat

Cockpit-Aufnahmen von der Zerstörung des Reaktors (Bild: IDF/Handout via Reuters TV)
Cockpit-Aufnahmen von der Zerstörung des Reaktors (Bild: IDF/Handout via Reuters TV)

September 2007: Bei einem nächtlichen Überraschungsangriff zerstören Kampfflugzeuge im Osten Syriens einen Kernreaktor. Niemand bekennt sich zu dem Angriff, doch jahrelang wird vermutet, dass es sich um eine israelische Geheimaktion gehandelt hatte. Bisher hatte Israel dies bestritten, aber nun öffnete die israelische Regierung die Geheimakten über den Luftschlag.

Vermutlich mit nordkoreanischer Hilfe wollte das mit Israel verfeindete syrische Regime ein Atomprogramm starten, welches direkt die Existenz des jüdischen Staates bedrohte. Israel sah sich gezwungen, einer Bedrohung seiner Existenz schlagkräftig zu begegnen und zerstörte die Anlage. Manche verstehen die Aufhebung der Geheimhaltung zum jetzigen Zeitpunkt als direkte Drohung in Richtung Iran. Yahoo Nachrichten hat darüber mit dem Direktor für Auswärtige Angelegenheiten im israelischen Geheimdienstministerium, Major Arye Sharuz Shalicar, gesprochen.

Was hatte es mit dieser Operation auf sich? Welche Bedrohung ging konkret von der Anlage aus?

Arye Sharuz Shalicar: Die Operation fand in der Nacht vom 5. auf den 6. September 2007 statt. Acht israelische Kampfflugzeuge zerstörten einen sich im Bau befindenden Nuklearreaktor in Deir ez-Zor im Osten Syriens. Sieben Jahre später (2014) wurde dieselbe Stadt von den Terroristen des Islamischen Staates (IS) eingenommen. Nicht vorstellbar, wo wir uns heute befinden würden, wenn Israel damals nicht jene mutige und richtige Entscheidung getroffen hätte.

Welche Verbindungen sieht Israel zwischen Syrien und Nordkorea?

Shalicar: Der Syrische Reaktor wurde mit Hilfe der Nordkoreaner entwickelt. Überhaupt bestanden und bestehen weiterhin Kontakte zwischen Diktaturen und Terrorstaaten im Bereich der atomaren Aufrüstung. Eine höchst gefährliche und sehr ernst zunehmende Bedrohung, die nicht in Nordkorea beginnt und im Iran stoppt, sondern andere “problematische“ Staaten beeinflusst.

Vor dem Hintergrund des Syrienkriegs kann man die Zerstörung fast schon als Glücksfall bezeichnen, da die Anlage jahrelang im Gebiet der Terrorgruppe IS gestanden hätte. Kann man damit sagen, dass ohne den israelischen Angriff der IS jetzt womöglich in einer ganz anderen Machtposition wäre?

Shalicar: Für Israel und die Region sind sowohl die schiitische Expansion (Iran, Hisbollah, schiitische Milizen in Syrien, Irak und Jemen) als auch der fundamentalistisch-dschihadistische sunnitische Terror (ISIS, al-Qaeda, Hamas, Islamischer Dschihad) ernstzunehmende strategische Gefahren und Grund für eine kontinuierliche Instabilität, die weiterhin Terror und Gegenterror und damit auch neue Flüchtlingsbewegungen fördern wird – auch nach Europa. Es wäre eine Katastrophe, wenn sowohl die eine als auch die andere Seite in den Besitz von atomaren Waffen gekommen wäre. Insofern war die erfolgreiche Aktion der israelischen Luftwaffe nicht nur ein Glücksfall, sondern Beweis dafür, dass freie Gesellschaften und die westliche Welt im Bereich der geopolitischen Sicherheitsbedrohungen keine Sekunde die Augen, Ohren und das Hirn ausschalten dürfen.

Auf jeden Fall hätte das syrische Regime zu dem Zeitpunkt waffenfähiges Uran besitzen können. Vor dem Hintergrund, dass das Regime nicht vor Giftgas (Chemiewaffen) zurückschreckt, wäre dann wohl eine atomare Bedrohung durch angereicherte Munition denkbar? Wie ist hier die israelische Position?

Shalicar: Denkbar und fast durchsetzbar. Aber mittlerweile sollte unserer “netten” Nachbarschaft klar sein, dass Israel nicht zurückschrecken wird, wenn es hart auf hart kommt. Insbesondere nicht, wenn es sich um eine existentielle Gefahr handelt. Das ist auch eine klare Ansage an das iranische Regime.

Die Rückflugstrecke der israelischen Kampfflugzeuge ging teils über türkisches Gebiet. War dieser Angriff mit der türkischen Regierung abgesprochen und waren andere NATO-Staaten involviert?

Shalicar: Der Angriff war mit niemandem abgesprochen. Die Amerikaner unter Bush zögerten und weigerten sich, den Angriff zu starten. Sie wurden informiert, dass Israel ihn durchführen wird, wenn sie es nicht tun. Die Flugroute führte über das syrisch-türkische Grenzgebiet.

Israel betont, dass es auch weiterhin auf Bedrohungen auch in dieser Form reagieren wird. Welche Bedrohung stellt vor diesem Hintergrund das iranische Atomprogramm dar?

Shalicar: Der Iran weiß, dass Israel sowohl den Nuklearreaktor im Irak als auch den in Syrien erfolgreich zerstört hat. Das Regime denkt, dass es uns einschüchtern kann, indem es einen Ring um Israel schließt mit mehreren Terrororganisationen und Milizen, die bis an die Zähne aufgerüstet sind und uns abschrecken sollten. Diese Rechnung wird nicht aufgehen, denn wenn wenn es ums blanke Überleben geht, wird Israel in der Lage sein, auch einen Mehrfrontenkrieg für sich zu entscheiden, wie es auch in der Vergangenheit mehrmals bewiesen wurde.