Interview mit Ursula Engelen-Kefer - Will für Schwache da sein: Wagenknecht bezieht ausgerechnet von Sozialverband Prügel

Wirft BSW-Chefin Sahra Wagenknecht (l.) vor, nicht an Sozialpolitik, sondern nun am eigenen Machtanspruch interessiert zu sein: die einstige DGB-Vize-Chefin Ursula Engelen-Kefer.<span class="copyright">dpa</span>
Wirft BSW-Chefin Sahra Wagenknecht (l.) vor, nicht an Sozialpolitik, sondern nun am eigenen Machtanspruch interessiert zu sein: die einstige DGB-Vize-Chefin Ursula Engelen-Kefer.dpa

Ursula Engelen-Kefer, langjährige Vize-Chefin des DGB, macht dem BSW kurz vor der Landtagswahl in Brandenburg schwere Vorwürfe zur Sozialpolitik. Parteichefin Sahra Wagenknecht trage sie „wie eine Monstranz vor sich her“. In Wahrheit aber ginge es ihr nur um eines – „ihren eigenen Machtanspruch“.

FOCUS online: Frau Engelen-Kefer, kurz vor der Landtagswahl in Brandenburg gerät das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) heftig in die Kritik wegen der Sozialpolitik, für die es sich so starkmacht. Sehen Sie einen Widerspruch zwischen dem, was Wagenknecht öffentlich sagt und dem, was programmatisch dahintersteckt?

Ursula Engelen-Kefer: Sahra Wagenknecht erweckt den Eindruck, als ob sich ihr Bündnis ganz besonders um jene Menschen kümmere, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Sie redet immer wieder über Themen wie prekäre Arbeitsbedingungen, niedrige Löhne, Renten, Armut bei Arbeit und im Alter, über die zu niedrigen und nicht nachvollziehbaren Regelsätze beim Bürgergeld. Bei ihrer Kritik deckt sich vieles mit jener unseres Sozialverbandes. Doch das, worauf es jetzt kurz vor der Wahl ankommt, ist ein Plan, wie das BSW es besser machen will. Und da kann ich wenig finden bei Wagenknechts Partei.

 

„Sozialpolitik? Das BSW will die Katze im Sack verkaufen“

Können Sie Ihre Kritik an konkreten Beispielen erläutern?

Engelen-Kefer: Wir haben das BSW in Brandenburg mit Bezug auf die bevorstehende Landtagswahl gefragt, wie ihre Strategie bei den Themen Gesundheitspolitik, Barrierefreiheit und soziale Teilhabe aussieht. Doch statt uns zu erklären, was sie machen wollen, hat uns das BSW aufgefordert, zu unserem Anliegen ein Konzept vorzulegen und uns angeboten, nach den Wahlen Gespräche darüber zu beginnen. Das BSW will also die Katze im Sack verkaufen? Weder Sahra Wagenknecht noch der brandenburgische BSW-Chef Robert Crumbach, ein Ex-SPD-Politiker und Arbeitsrichter, sind Neulinge in der Politik. Für eine Partei, die so schnell so viel Bedeutung in zwei und nach der Brandenburg-Wahl vermutlich in drei Landtagen erringt, ist das einfach viel zu wenig.

Engelen-Kefer: „BSW macht keine Aussagen, an denen es gemessen werden kann“

Was bezweckt Wagenknecht denn Ihrer Meinung nach mit ihren Aussagen zur Sozialpolitik? Schließlich ist das ein extrem wichtiges Thema für sie und ihre Partei.

Engelen-Kefer: Wagenknecht und ihre Partei machen schwammige Aussagen, die an keine konkreten Vorschläge gebunden sind, an denen sich das BSW nach der Wahl messen lassen könnte. Die BSW-Chefin liefert lediglich oberflächliche Appelle zu mehr sozialer Gerechtigkeit, die ich an einem Nachmittag in zwei Stunden formuliere. Das hat man auch bei ihren Äußerungen zu den Tafeln in der Talkshow von Caren Miosga gesehen. Anstatt zu erklären, warum die Tafeln in so großen Schwierigkeiten sind, warum immer mehr ältere Leute nicht mehr zum Zug kommen und zu wenig Lebensmittel an die Tafeln geliefert werden und vor allem, wie man das ändern kann, geriet sie mächtig ins Schwimmen. Doch genau darum geht es vor den Wahlen in Brandenburg.

Was hätten Sie denn erwartet vom BSW?

Engelen-Kefer: Ich selbst war beim letzten Sozialgipfel in Brandenburg im Juni 2023 mit dabei. SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke hat versprochen, dass die Tafeln in Brandenburg von der Landesregierung unterstützt werden, und das ist von maßgeblichen Sozialverbänden, die daran beteiligt waren, auch aufgegriffen worden. Und solche konkreten Vorstellungen sind das Mindeste, was ich auch von einer Sahra Wagenknecht vor den Wahlen erwarten würde. Aus meiner Sicht trägt Wagenknecht die Sozialpolitik nur wie eine Monstranz vor sich und überlässt es den Sozialverbänden, für die Umsetzung zu sorgen.

„Wagenknecht geht es vor allem um ihren eigenen Machtanspruch“

Worum geht es Wagenknecht und ihrem BSW denn dann aus Ihrer Sicht?

Engelen-Kefer: Es geht Wagenknecht vor allem um ihren eigenen Machtanspruch, wobei sie auch in der Sozialpolitik auf Populismus setzt, ebenso wie in der Migrations- und Außenpolitik. Sie ist groß darin, ihr Mäntelchen nach dem Wind zu hängen. Jetzt spielt die soziale Balance die bedeutende Rolle, wobei die Bekämpfung von sozialer Spaltung zur Nomenklatura eines jeden Sozialpolitikers und jeder sozialpolitischen Institution zählt.

Und wie werten Sie Wagenknechts Positionen zur Migrationspolitik und Putins völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine?

Engelen-Kefer: Purer Populismus. Wagenknechts sagt, das Boot sei voll und fragt nicht danach, um welche Personen es denn bei den Migranten überhaupt geht und welche Bedeutung etwa die Flüchtlinge aus der Ukraine für uns haben. Ebenso sagt sie nichts dazu, wie wichtig für die Bundesrepublik Menschen auch aus anderen Ländern für eine positive Bevölkerungsentwicklung sind, wie wichtig Integration und eine schnellere Vermittlung in den Arbeitsmarkt sind und wie das erfolgen soll. Darüber habe ich  bislang keine konstruktiven Lösungen gehört.

Und was   Putins Krieg gegen die Ukraine angeht, spricht sie nur das aus, was alle denken. Nämlich, dass das Töten endlich aufhören muss, dass wir nicht alle Flüchtlinge bei uns aufnehmen können und Migranten, die bei uns zu Straftätern werden, zurückgeschickt werden müssen. Kein Wort hingegen ist von ihr darüber zu vernehmen, wie sehr Putin mit seinem Angriff auf die Ukraine die gesamte Sicherheit von Europa bedroht. Und das ist doch das Hauptproblem, um das es geht.

„Bei der Landtagswahl geht es um viel mehr als um Brandenburg“

Wenn es die SPD nicht schafft, stärkste Partei in Brandenburg bei der Wahl am 22. September zu bleiben, wird das BSW nach Thüringen und Sachsen vermutlich auch in Brandenburg eine große Rolle bei der Regierungsbildung spielen. Wie bewerten Sie das?

Engelen-Kefer: Das wäre ein großes Dilemma. Was mich daran betrübt, ist, dass dieses absehbare Problem nicht schon vor den Wahlen umfassend in den demokratischen Parteien und auch in den Medien erörtert wurde. Jetzt haben wir das große Jammern. Gewinnt die SPD die Wahlen in Brandenburg nicht, ist nicht auszuschließen, dass das BSW in Regierungsverantwortung kommt. Zudem habe ich allergrößte Sorge wegen der Töne, dass es Gemeinsamkeiten zwischen BSW und AFD in der Außen- und Migrationspolitik gibt.

Bei der Landtagswahl am 22. September geht es nicht nur um Brandenburg, sondern es geht um viel mehr. Es geht darum, ob wir in der Bundespolitik in eine andere Richtung gehen wollen, gegen unsere außenpolitischen Wertestellungen gerichtet und alles andere als demokratisch. Gelingt es nicht, einen Sieg der AfD zu verhindern, könnte unsere Politik dann in eine Richtung gedrängt werden, die ich für sehr gefährlich halte.