Iris Berben: "Fassungslosigkeit, Trauer und Wut"

Iris Berben hat für "Und du bist nicht zurückgekommen" das Hörbuch eingesprochen

Mit fünfzehn wird Marceline Loridan-Ivens zusammen mit ihrem Vater von den Nazis deportiert. Sie kommt nach Birkenau, er nach Auschwitz. "Du wirst vielleicht zurückkommen, weil du jung bist, aber ich werde nicht zurückkommen", sagt er ihr beim Abschied. Und er wird Recht behalten. Siebzig Jahre später schreibt Marceline ihm einen Brief und erzählt von ihrer Zeit in den Lagern, von ihrer Rückkehr nach Frankreich und vor allem von ihrem Leben danach: Warum "Und du bist nicht zurückgekommen" so wichtig und wertvoll ist, erklärt Iris Berben (65), die das Hörbuch (Der Audio Verlag, 13,99 Euro) dazu eingesprochen hat, im Interview mit spot on news.

Sie haben das Hörbuch zu "Und du bist nicht zurückgekommen" eingesprochen. Eine erschütternde Geschichte. Wie ist es Ihnen beim Lesen gegangen?

Iris Berben: Nachdem mir das Buch angeboten wurde, habe ich mir tatsächlich Gedanken darüber gemacht, wie ich das schaffen soll. Durch die detaillierten Beschreibungen hat man beim Lesen immer wieder mit so viel Fassungslosigkeit, Trauer und Wut zu kämpfen. Aber ich wollte es machen und dann muss man sich das erarbeiten. Dieses Buch ist einfach so wichtig und wertvoll. Mich hat es wegen der literarischen Sprachgewalt sehr an Marguerite Duras' "Der Schmerz" erinnert.

In dem Buch schreibt eine Holocaust-Überlebende einen Brief an ihren Vater, der mit ihr zusammen deportiert worden war, aber nicht überlebt hat...

Berben: Diese Briefform schafft sehr viel Intimität, der Leser wird Zeuge. Das ist eine besondere Form, eine Geschichte zu schreiben und andere Menschen daran teilhaben zu lassen.

Ein Großteil des Buchs handelt von der Rückkehr nach Frankreich - wie schwer es war, nach dem Lager wieder Alltag zu leben und wie die Familie daran zerbrach, dass der Vater nicht zurückgekommen ist. Ist es auch das, was das Buch so besonders macht?

Berben: Tatsächlich gibt es nicht viel Literatur darüber, wie es den Menschen ergangen ist, als sie zurückkamen. Wie sie selbst und ihr Umfeld damit umgegangen sind. Auch das macht dieses Buch groß. Es gibt einen Einblick in eine Welt, die für uns sehr verschlossen ist.

Zum Thema Holocaust gibt es viele Bücher und Filme. Was verpassen Menschen, die "Und du bist nicht zurückgekommen" nicht lesen?

Berben: Der Leser wird Zeuge von ganz intimen Gedankengängen, von dem, was sie dem Vater mitteilen will, von dem, was in ihr vorgeht, was sie gespürt, was sie bewegt, was sie erlebt hat. Und das Ganze ist von einer so hohen literarischen Qualität. Das Buch stellt einen Mosaikstein dar, den man haben sollte. Jede einzelne Stimme war und ist immer eine ganze Welt. Aus den vielen Mosaiksteinen dieser Schilderungen wird der Teppich der Menschen, die wir nicht vergessen dürfen. Im Jüdischen sagt man: Jemand lebt solange, wie man über ihn redet. Das Buch hilft, diese Haltung zu leben.

Am 21. September stellen Sie im Jüdischen Museum in Berlin das Buch zusammen mit der Autorin Marceline Loridan-Ivens vor. Haben Sie sie schon kennen gelernt?

Berben: Nein, noch nicht. Ich bin sehr gespannt. Das Buch ist ein ungeheuer großer Erfolg in Frankreich. Und die Autorin selbst ist eine Filmemacherin gewesen. Sie interessiert mich auch als Mensch sehr stark.

Bald wird es die Möglichkeit, mit Holocaust-Überlebenden zu sprechen, nicht mehr geben. Wie groß wird die Herausforderung, das den kommenden Generationen zu vermitteln?

Berben: Ich kenne einige der Überlebenden. Sie engagieren sich sehr stark, sprechen viel mit Schülern und Studenten. Das ist natürlich ein sehr direkter Zugang. Ich selbst hatte ganz außerordentliche Begegnungen. Wir und die nächste Generation werden uns Gedanken darüber machen müssen, wie wir weiter vermitteln. Es wird schwerer werden, wir müssen andere Wege finden und vor allem den Jugendlichen mitteilen, dass es nicht um Schuld oder um ein schlechtes Gewissen geht. Kennt man die Vergangenheit und die Biografie eines Landes, hilft es einfach beim Gestalten der Gegenwart und der Zukunft. Wenn man das und die Wertschätzung des Lebens vermittelt, kann man junge Menschen aufrütteln. In meinen eigenen Lesungen habe ich gemerkt, dass eine größere Möglichkeit der Identifikation besteht, wenn man das anhand eines Einzelschicksals festmacht. Auch wenn natürlich die wissenschaftliche Aufarbeitung wichtig ist.

Im Moment gibt es in Deutschland trotz Willkommenskultur auch wieder verstärkt Rechtsradikale, die gegen Flüchtlinge hetzen. Haben Sie Sorge, dass sich wieder eine fremdenfeindliche Kultur etablieren kann?

Berben: Ja, die habe ich. Ich denke, dass es nicht mehr nur noch um einen rechten Rand geht. Wir haben eine große Menge von Leuten, die wirklich Empathie zeigen. Aber es gibt auch viele Menschen, die leichter verführbar sind. Und da besteht die große Herausforderung für die Politik und für uns alle: diese Menschen wieder in unser Boot zu holen. Damit sie den Menschenfängern nicht in die Hände fallen. In Bezug auf die Flüchtlingsfrage wird mit den Ängsten der Menschen auf eine radikale Weise gespielt, die wirklich erbärmlich ist.

Sie engagieren sich schon lange gegen das Vergessen und gegen Fremdenfeindlichkeit. In der Flüchtlingsdebatte hat sich Til Schweiger zu Wort gemeldet. Wie sehen Sie das?

Berben: Til ist aus einem ganz anderen Umfeld als ich. Er wird für seine Filme geliebt und hat sich da auch sein Standing gemacht. Dass er die Möglichkeit nutzt, lauthals Haltung zu zeigen, finde ich sehr wichtig und bewundernswert. Ich wünsche ihm, dass er mit den richtigen Menschen zusammenfindet, die in der Lage sind, das zu stemmen, was er vorhat. Ich weiß, wem man sich dabei aussetzt. Ich kenne das seit vielen Jahren, nehme jetzt auch verstärkt zur Kenntnis, was man mir zukommen lässt. Insofern ist das sicher auch eine neue Erfahrung für ihn. Umso wichtiger ist es, dass er es macht und es durchhält. Und ich wünsche ihm sehr viel Kraft dabei.

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