Islam-Debatte bei Lanz: Religionsfreiheit ist keine Narrenfreiheit

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Der Islamwissenschaftler Hamed Abdel-Samad polarisiert: Immer wieder kritisiert der Deutsch-Ägypter die Toleranz im Umgang mit dem Islam. So vorsichtig musste darum selten der Besuch eines Gasts vorbereitet werden - in acht Jahren „Markus Lanz“ gab es ähnliche Sicherheitsvorkehrungen nur bei Salman Rushdie.

Zu Beginn ging es bei Lanz noch um das Karriereende des Politikers Wolfgang Bosbach, der als junger Mann in einem Supermarkt gearbeitet hatte. Lanz hatte einen Vergleich gezogen: Lauern nicht auch - wie im Supermarkt - erst am Ende einer Politikerlaufbahn die Süßigkeiten? Nur dass die gut bezahlten Bundestagsabgeordneten sich natürlich nicht mit Überraschungseiern abspeisen lassen, sondern mit lukrativen Verträgen mit Gazprom oder der Deutschen Bahn…

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Dieses Bild gefällt Abdel-Samad offenbar so gut, dass er es erneut aufgreift: „Der Islam ist wie ein Supermarkt, man kann sich bedienen wie man will“, heißt, auslegen und interpretieren, wie es einem passt. „Das Verfallsdatum“ gewisser Koranpassagen sei allerdings nicht für alle immer deutlich. Er betont: Nicht die soziale oder spirituelle Komponente der Religion sei „gefährlich“, einzig die politische Seite führe zu Gewalt und Menschenrechtsverletzungen – etwa Kinderehen – im Namen des Islam.

Was Abdel-Saad am meisten kritisiert – und egal, was man von einigen seiner Behauptungen sonst hält, in diesem Punkt muss man ihm wohl Recht geben: „Wir scheuen uns sehr stark vor der Debatte.“ Befindlichkeiten und falsch verstandene Rücksichtnahme führen dazu, dass vor allem die Politik und die die Universitäten zu zurückhaltend in der Diskussion über einen modernen Islam seien. Darum verlagere sich die Debatte an den rechten Rand. „Ich werde dafür selbst als Rassist beschimpft. Wir müssen die Debatte aushalten zum Wohle der Muslime.“ Vor allem den Islam selbst sieht er dabei in der Pflicht: Er erwartet von Imamen und Theologen, dass sie rauskommen und klar sagen. „Es gibt bestimmte Passagen im Islam, die heute keine Gültigkeit mehr haben.“

“Über unsere Freiheit verhandeln wir nicht”

„Der Koran. Botschaft der Liebe. Botschaft des Hasses“ heißt das neue Buch des Sohns eines sunnitischen Imams. Bei Lanz wird einmal mehr deutlich, warum er den Hass konservativer Muslime auf sich zieht. Natürlich, soziale und geopolitische Probleme seien der Nährboden, dennoch sei es letztlich „die Ideologie der Gewalt, die auch aus dem Islam kommt“, die Menschen dazu treibt, als Märtyrer sterben zu wollen und sich im Namen Gottes in die Luft sprengen

„Das ist natürlich ein Frontalangriff“, sagt Lanz – und hakt nach: „Haben Sie das Gefühl, wir sind zu naiv und relativieren zu viel?… Müssen wir klarer sein, bestimmter, bei Moscheen genauer hinschauen, was dort erzählt und gepredigt wird?“ Für Abdel-Samad ein klares: Ja. Egal, ob es um den Schwimmunterricht oder Kantinenessen geht, es können nicht sein, dass Radikale das „Zusammenleben nach ihren Regeln bestimmen. Über unsere Freiheit verhandeln wir nicht.“ Wenn es Satire über Jesus und das Christentum gibt, müsse dies auch für den Islam und den Propheten erlaubt sein.

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Auch der Politiker Bosbach klinkt sich immer wieder in die Diskussion ein: „Religionsfreiheit ist nicht Narrenfreiheit.“, pflichtet er bei. Ihm achen vielmehr die Länder Kummer, in denen der Islam die Staatsreligion ist, „nicht die vier Millionen Muslime, die sich hier um Integration bemühen. Die sind nicht das Problem.“ Doch wenn 80 Millionen Menschen „friedlich und konfliktfrei leben wollen“, dann darf es „keine Sonderrechte geben“, für niemanden.

Das Schlusswort bleibt bei Abdel-Samad. Der sagt offen, er sorge sich um seine Kultur und seine „Wahlheimat Deutschland“, weil „Probleme unter den Teppich gekehrt werden.“ Was getan werden?  Moderate Muslime müssen sich „emanzipieren“ und offen diskutiert werden, wie ein modernen Islam gelebt werden kann - „für das Zusammenleben, für die Aufklärung, für die Freiheit“

Das liegt gerade im Interesse von Muslimen, das ist vielleicht die wichtigste Botschaft: Denn immerhin sind der „Großteil der Opfer“ eines radikalst ausgelegten Islams Muslime sind. „Es ist ein Krieg gegen die eigene Religion.“