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Israel und Hamas vereinbaren Feuerpause und Freilassung von 50 Geiseln

Nach wochenlangen Verhandlungen haben Israel und die Hamas eine Vereinbarung geschlossen, die eine Freilassung von mindestens 50 Geiseln und zahlreichen inhaftierten Palästinensern aus israelischen Gefängnissen vorsieht sowie eine Feuerpause. (AHMAD GHARABLI)
Nach wochenlangen Verhandlungen haben Israel und die Hamas eine Vereinbarung geschlossen, die eine Freilassung von mindestens 50 Geiseln und zahlreichen inhaftierten Palästinensern aus israelischen Gefängnissen vorsieht sowie eine Feuerpause. (AHMAD GHARABLI)

Nach wochenlangen Verhandlungen haben Israel und die Hamas eine Vereinbarung geschlossen, die eine Freilassung von mindestens 50 in den Gazastreifen verschleppten Geiseln und zahlreichen inhaftierten Palästinensern aus israelischen Gefängnissen vorsieht sowie eine viertägige Feuerpause. Das israelische Kabinett billigte das von Katar vermittelte Abkommen in der Nacht zum Mittwoch. Der erste wesentliche diplomatische Fortschritt in dem Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Palästinenserorganisation wurde weltweit mit großer Erleichterung begrüßt.

Die Abstimmung des israelischen Kabinetts über die Einigung war die letzte Hürde nach einem US-Beamten zufolge "quälenden" fünfwöchigen Verhandlungen. Es sei "eine schwierige Entscheidung, aber die richtige Entscheidung", sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Dienstagabend seinen Ministern. In dessen rechtsreligiöser Koalition war Kritik an Zugeständnissen an die Hamas laut geworden.

"Die Regierung hat die Grundzüge der ersten Phase eines Abkommens gebilligt, das die Freilassung von mindestens 50 Entführten - Frauen und Kinder - an vier Tagen vorsieht, an denen die Kämpfe ruhen werden", erklärte Netanjahus Büro. "Wir sind sehr froh, dass eine teilweise Freilassung bevorsteht", erklärte die Betroffenenorganisation Forum der Familien der Geiseln und Vermissten am Mittwoch. "Bislang wissen wir nicht, wer genau freigelassen wird", hieß es weiter.

Die Hamas begrüßte eine "humanitäre Waffenruhe" und erklärte, es würden 150 Palästinenser aus israelischen Gefängnissen entlassen werden. Dabei handele es sich um Frauen und Unter-19-Jährige. Israel veröffentlichte eine Liste mit 300 in Frage kommenden Inhaftierten.

Den Krieg ausgelöst hatte ein Großangriff der Hamas am 7. Oktober. An diesem Tag waren hunderte Kämpfer der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas nach Israel eingedrungen und hatten dort Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt. Dabei wurden nach israelischen Angaben etwa 1200 Menschen getötet, rund 240 Menschen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Als Reaktion darauf begann Israel damit, Ziele im Gazastreifen aus der Luft und vom Boden aus anzugreifen. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seitdem mehr als 14.100 Menschen im Gazastreifen getötet.

Die israelische Regierung erklärte nun, sie werde eine viertägige "Pause" bei den Boden-, Luft- und Seeangriffen auf den Gazastreifen einhalten, um die Freilassung der Geiseln zu erleichtern. Für jede weiteren zehn freigelassenen Geiseln werde es einen zusätzlichen Tag Feuerpause geben, gab die Regierung weiter an.

Israel versicherte gleichzeitig, dass das vereinbarte Abkommen nicht das Ende des Kriegs bedeute. Die Hamas bestätigte ihrerseits "dass unsere Finger am Abzug bleiben und unsere (...) Bataillone weiterhin auf der Lauer liegen werden".

An den Verhandlungen waren neben den Konfliktparteien in Israel und Gaza unter anderem die Regierungen in Doha, Kairo und Washington beteiligt. Katar nimmt bei der Vermittlung zur Geiselfreilassung eine Schlüsselrolle ein.

Das katarische Außenministerium bestätigte am Mittwoch die Vereinbarung und erklärte, "der Beginn der Pause wird innerhalb der nächsten 24 Stunden bekanntgegeben und soll vier Tage dauern, vorbehaltlich einer Verlängerung". Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi würdigte den "Erfolg" der Vermittlung durch Kairo, Doha und Washington.

Weltweit begrüßten Länder wie Deutschland, Großbritannien, China, Frankreich und Jordanien den Deal. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von der Einigung auf eine Geisel-Freilassung von "einer guten Nachricht". Im Onlinedienst X, ehemals Twitter, schrieb Scholz, die israelische Regierung habe "das Richtige" getan. Zuvor hatte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bereits von einem "Durchbruch" gesprochen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, sie begrüße die Vereinbarung zur Geiselfreilassung "von ganzem Herzen". US-Präsident Joe Biden zeigte sich "außerordentlich erfreut" über die Einigung, die Kreml-Sprecher Dmitri Peskow als die "erst gute Nachricht aus dem Gazastreifen seit sehr langer Zeit" bezeichnete. UN-Generalsekretär António Guterres sprach nach Angaben eines Sprechers von einem "wichtigen Schritt in die richtige Richtung". Es müsse aber viel mehr passieren, erklärte er.

Auch die Palästinenserbehörde mit Sitz in Ramallah lobte die Vereinbarung - rief aber nach Angaben des ranghohen Vertreters Hussein al-Scheich im Onlinedienst X zu einer "umfassenden Einstellung der israelischen Aggression gegen das palästinensische Volk" sowie weiteren Hilfslieferungen auf.

Der Gazastreifen wurde laut Augenzeugen am Mittwoch weiter bombardiert. Nach Angaben des  Zivilschutzes in Gaza wurden bei einem Luftangriff auf ein Wohnviertel in der Stadt 30 Menschen getötet. AFP-Fotos zeigten zudem einen israelischen Angriff nahe des Krankenhauses Kama Adwan in Beit Lahia im Norden des Gazastreifens.

oer/ck