Werbung

Israel: Parlamentswahl ohne klares Ergebnis

Patt zwischen Netanjahu und Gantz Bei der Parlamentswahl in Israel zeichnet sich ein Patt zwischen dem konservativen Regierungschef Benjamin Netanjahu und seinem Herausforderer Benny Gantz ab. Netanjahus Likud kam laut TV-Prognosen in der Nacht zu Mittwoch auf 31 bis 32 Mandate und Gantz' Mitte-Bündnis Blau-Weiß auf 32 Mandate. Weder das rechte noch das Mitte-Links-Lager hat demnach eine Mehrheit von mindestens 61 von 120 Parlamentssitzen für die Regierungsbildung. Gantz sprach sich wie Netanjahus Rivale Avigdor Lieberman, der bei der Wahl als Königsmacher gilt, nach Veröffentlichung der Prognosen für die Bildung einer großen Koalition aus. Netanjahu selbst zeigte sich siegesgewiss. Am frühen Mittwochmorgen kündigte er vor Anhängern in Tel Aviv an, er wolle in den kommenden Tagen Verhandlungen über die Bildung einer «starken Regierung» aufnehmen. Ziel sei es, eine «gefährliche, anti-zionistische Regierung» zu verhindern. Israel befinde sich an einem «historischen Punkt» mit riesigen Chancen und Herausforderungen, «allen voran die existenzielle Bedrohung Israels durch den Iran und seine Ableger». Es dürfe keine Regierung entstehen, die sich auf «arabische, anti-zionistische Parteien» stütze, betonte der 69-Jährige. "Müssen geduldig das Ergebnis abwarten" Gantz sagte vor jubelnden Anhängern, man müsse geduldig auf die endgültigen Ergebnisse der Wahl warten. Dennoch werde man umgehend Kontakte zur Bildung einer «breiten Einheitsregierung» aufnehmen. Er wolle in den kommenden Tagen mit Ex-Verteidigungsminister Lieberman und weiteren möglichen Partnern sprechen, sagte Gantz. Sein Ziel sei es, die israelische Gesellschaft wieder zu einen. Liebermans Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) erhielt acht bis neun Mandate. Er forderte am Dienstagabend eine «nationale, liberale, breite Regierung». Diese müsse aus seiner eigenen Partei, dem Likud und Blau-Weiß bestehen. Eine breite Koalition sei notwendig, weil Israel sich in einem Notstand befinde, erklärte Lieberman. Das rechte Lager mit Netanjahus konservativem Likud, der Jamina-Partei von Ex-Justizministerin Ajelet Schaked und den strengreligiösen Parteien kam laut Prognosen auf 53 bis 55 Mandate. Die rechtsextreme Ozma Jehudit (Jüdische Kraft) scheiterte an der Sperrklausel von 3,25 Prozent. Das Mitte-Links-Lager mit Blau-Weiß, der Arbeitspartei, der Demokratischen Union und der Vereinigten Arabischen Liste erhielt 56 bis 59 Mandate. Die Vereinigte Arabische Liste wurde mit 11 bis 15 Sitzen drittstärkste Kraft im Parlament. Rund 6,4 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, die 120 Mitglieder der 22. Knesset in Jerusalem zu bestimmen. Das endgültige Wahlergebnis soll eine Woche nach der Wahl veröffentlicht werden. Lieberman: Kein Netanjahu-Verbündeter mehr Lieberman hatte Netanjahu nach einer Wahl im April seine Unterstützung verweigert. Deshalb war es dem Regierungschef trotz einer Mehrheit des rechts-religiösen Lagers nicht gelungen, erneut eine Regierung zu bilden. Lieberman fordert die Wehrpflicht auch für strengreligiöse Juden, die anderen ultra-orthodoxen Koalitionspartner lehnen diese jedoch ab. Netanjahu hatte im Wahlkampf betont, er strebe eine rechts-religiöse Koalition an. Gantz ist nur zu einer großen Koalition ohne Netanjahu als Regierungschef bereit. Als Grund nennt er die Korruptionsvorwürfe gegen den 69-Jährigen, der seit 2009 Ministerpräsident ist. Nach einer Anhörung im Oktober droht Netanjahu eine Anklage in drei Korruptionsfällen. Rivlin muss entscheiden Präsident Reuven Rivlin muss nun entscheiden, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt. Dazu holt er sich von allen Fraktionen Empfehlungen für das Amt des Ministerpräsidenten ein. Wer danach die größten Chancen für die Bildung einer Regierungskoalition hat, erhält dafür zunächst vier Wochen Zeit. Üblicherweise erhält den Auftrag der Vorsitzende der Fraktion mit den meisten Stimmen. Mit einer neuen Regierung wird frühestens Ende Oktober gerechnet. Die Wahlbeteiligung war höher als vor einem halben Jahr und lag bis 21.00 Uhr deutscher Zeit nach Angaben des Zentralen Wahlkomitees bei 69,4 Prozent. Das sind 1,5 Prozentpunkte mehr als bei der Wahl im April zur selben Uhrzeit. Insgesamt lag die Wahlbeteiligung beim letzten Mal bei rund 68 Prozent. Netanjahu hatte bei der Stimmabgabe in Jerusalem vor einem knappen Ausgang für seine Likud-Partei gewarnt. Er schrieb bei Twitter von einer hohen Wahlbeteiligung in den «Hochburgen der Linken». Likud-Anhänger müssten sofort wählen gehen, «oder wir bekommen eine linke Regierung mit den arabischen Parteien». Auch bei vergangenen Wahlen hatte Netanjahu mit anti-arabischer Stimmungsmache seine Wählerschaft mobilisiert. Sein Herausforderer Gantz sagte in einem Wahllokal bei Tel Aviv: «Heute stimmen wir für eine Veränderung. Wir werden Hoffnung bringen, alle gemeinsam, ohne Korruption und ohne Extremismus.» Unabhängig vom Wahlausgang in Israel gilt eine Wiederbelebung des Friedensprozesses in absehbarer Zukunft als unwahrscheinlich. Die linken Parteien, die sich für die Gründung eines Palästinenserstaates neben Israel aussprechen, haben keine Mehrheit.