Israels Armee greift weiter massiv im Libanon an - USA rufen Bürger zur Ausreise auf

Am Tag nach der Tötung zweier hoher Hisbollah-Kommandeure in Beirut hat Israels Armee nach eigenen Angaben ihre massiven Luftangriffe auf die Miliz im Libanon fortgesetzt. "Dutzende" Kampfflugzeuge seien im Südlibanon im Einsatz, hieß es. (Ammar Ammar)
Am Tag nach der Tötung zweier hoher Hisbollah-Kommandeure in Beirut hat Israels Armee nach eigenen Angaben ihre massiven Luftangriffe auf die Miliz im Libanon fortgesetzt. "Dutzende" Kampfflugzeuge seien im Südlibanon im Einsatz, hieß es. (Ammar Ammar) (Ammar Ammar/AFP/AFP)

Am Tag nach der Tötung zweier ranghoher Hisbollah-Kommandeure in Beirut hat die israelische Armee nach eigenen Angaben ihre massiven Luftangriffe auf die pro-iranische Miliz im Libanon fortgesetzt. "Dutzende" Kampfflugzeuge seien an einem Einsatz am Samstagabend gegen Hisbollah-Ziele im Südlibanon beteiligt, teilten die israelischen Streitkräfte mit. Die USA riefen ihre Staatsbürger dazu auf, den Libanon zu verlassen, solange es noch kommerzielle Flüge gebe.

"Angesichts der Unvorhersehbarkeit des anhaltenden Konflikts zwischen der Hisbollah und Israel und der kürzlichen Explosionen im gesamten Libanon, auch in Beirut, rät die US-Botschaft US-Bürgern dringend, den Libanon zu verlassen, während es noch kommerzielle Optionen gibt", teilte das US-Außenministerium am Samstag mit. Der Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah hatte sich in den vergangenen Tagen seit der Explosion von hunderten Kommunikationsgeräten der Miliz dramatisch zugespitzt.

"Im Verlauf der vergangenen Stunde haben wir einen umfassenden Angriff im Südlibanon lanciert, nachdem wir Vorbereitungen der Hisbollah für einen Beschuss des israelischen Territoriums erkannt hatten", erklärte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari am Samstagabend. Mit dem Einsatz würden "Bedrohungen gegen die Bürger Israels eliminiert". Auch die staatliche libanesische Nachrichtenagentur NNA meldete, dass israelische Kampfflugzeuge einen "umfassenden Luftangriff" im Südlibanon begonnen hätten.

Bereits zuvor am Samstag hatte die israelische Armee bekanntgegeben, tausende Raketenabschussrampen im Südlibanon zerstört zu haben. Sie hätten "für den sofortigen Abschuss in Richtung des israelischen Territoriums" bereitgestanden.

Die israelischen Streitkräfte teilten zudem mit, dass die Hisbollah am Samstag bis zum späten Nachmittag etwa 90 Raketen auf Israel abgeschossen habe. Die vom Iran unterstützte Miliz teilte ihrerseits mit, sie habe am Samstag mindestens sieben Militärstellungen im Norden Israels sowie auf auf den von Israel annektierten Golanhöhen mit Raketen beschossen.

Am Freitag hatte die israelische Armee der Hisbollah mit der gezielten Tötung von zwei ranghohen Kommandeuren einen weiteren schweren Schlag zugefügt. Außer dem Chef der Hisbollah-Eliteeinheit Radwan, Ibrahim Akil, wurde bei dem Angriff in einem südlichen Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut auch der hochrangige Radwan-Kommandeur Ahmed Mahmud Wahbi getötet, wie die Hisbollah am Samstag mitteilte. Die Radwan ist für die Bodeneinsätze der Hisbollah verantwortlich.

Nach Angaben der israelischen Armee hatten sich die Hisbollah-Kommandeure zur Zeit des Angriffs bei einem Treffen "im Untergrund im Herzen eines Wohnviertels" aufgehalten. Libanesischen Regierungsangaben stürzte ein Wohngebäude nach dem Luftangriff ein.

Laut der Hisbollah wurden bei dem Angriff insgesamt 16 ihrer Kommandeure getötet. Das libanesische Gesundheitsministerium teilte mit, insgesamt seien durch den Angriff mindestens 37 Menschen getötet worden, darunter drei Kinder und sieben Frauen.

Nach israelischen Angaben hatten die Hisbollah-Kommandeure einen Angriff auf den Norden Israels geplant, bei dem sie "israelische Gemeinden infiltrieren und unschuldige Zivilisten ermorden wollten" - ähnlich wie beim Großangriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober, der den Krieg im Gazastreifen ausgelöst hatte.

Die Bundesregierung bekundete "große Sorge" angesichts der Eskalation des Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah. "Die Menschen im Libanon leben in Angst und Schrecken wegen einer Auseinandersetzung, mit der weite Teile der Bevölkerung nichts zu tun haben", erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Samstag in Berlin. Dieser Konflikt dürfe nicht zu einem "regionalen Flächenbrand" werden, warnte er.

Aus Sicht der Bundesregierung sei eine weitere Eskalation nicht unausweichlich, betonte Hebestreit zugleich. Alle Beteiligten trügen Verantwortung, eine diplomatische Lösung zu finden. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) tauschte sich nach Angaben ihres Ministeriums angesichts der jüngsten Eskalation mit den Regierungen von Israel und des Libanon aus und drang auf Deeskalation.

Der Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon hatte sich bereits seit Beginn des Gaza-Krieges zunehmend verschärft. Der Norden Israels stand seither unter Dauerbeschuss der mit der Hamas verbündeten Miliz. Israel reagierte auf die Hisbollah-Angriffe mit Gegenangriffen im Libanon.

Am vergangenen Dienstag und Mittwoch spitzte sich der Konflikt dann mit der Explosion von hunderten Pagern und Walkie-Talkies der Hisbollah zu. Bei den in zwei Wellen erfolgten Explosionen wurden 37 Menschen getötet und fast 3000 weitere verletzt. Die Hisbollah machte Israel dafür verantwortlich und kündigte Vergeltung an.

Die Eskalation im Nahen Osten dürfte auch bei der UN-Generaldebatte, die am Dienstag in New York beginnt, ein bestimmendes Thema sein. Der libanesische Ministerpräsident Nadschib Mikati erklärte am Samstag, dass er angesichts der "Entwicklungen bezüglich der israelischen Aggression gegen den Libanon" seine Reise zur UN-Generaldebatte absage. Er prangerte "entsetzliche Massaker" an, die sich in den vergangenen Tagen in seinem Land ereignet hätten.

dja/kü