Israels Armeechef stellt Soldaten auf mögliche Bodenoffensive im Libanon ein

Der Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah steuert womöglich auf eine nochmalige massive Eskalation zu: Der israelische Armeechef Herzi Halevi hat seine Soldaten angewiesen, sich für eine mögliche Bodenoffensive im Libanon bereitzuhalten. (Rabih DAHER)
Der Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah steuert womöglich auf eine nochmalige massive Eskalation zu: Der israelische Armeechef Herzi Halevi hat seine Soldaten angewiesen, sich für eine mögliche Bodenoffensive im Libanon bereitzuhalten. (Rabih DAHER) (Rabih DAHER/AFP/AFP)

Der Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah steuert womöglich auf eine nochmalige erhebliche Eskalation zu: Der israelische Armeechef Herzi Halevi wies seine Soldaten am Mittwoch an, sich für eine mögliche Bodenoffensive im Libanon bereitzuhalten. Die Hisbollah solle erfahren, "wie es ist, auf eine professionelle Kampftruppe zu treffen". Zuvor hatte die Miliz erstmals Tel Aviv mit einer Rakete angegriffen, das Geschoss wurde jedoch von der israelischen Armee abgefangen.

Der Konflikt zwischen Israel und der mit der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas verbündeten Hisbollah hatte sich bereits seit vergangener Woche deutlich verschärft. Auf die Explosionen hunderter Pager und Walkie-Talkies der Hisbollah sowie die Tötung hochrangiger Hisbollah-Kommandeure bei einem gezielten israelischen Angriff am Freitag in der libanesischen Hauptstadt Beirut folgten massive gegenseitige Luftattacken.

"Wir greifen den ganzen Tag an. Zum einen, um den Boden für Ihren möglichen Einmarsch vorzubereiten, zum anderen aber auch, um die Hisbollah weiter zu treffen", sagte Halevi laut einer Mitteilung des Militärs beim Besuch einer Panzerbrigade. Er wies demnach seine Truppen an, sich auf ein "gewaltsames Eindringen" im Nachbarland vorzubereiten. "Gehen Sie rein, zerstören Sie den Feind dort, und zerstören Sie die Infrastruktur", wurde der Armeechef zitiert.

Die israelische Armee beorderte zudem zwei Reservebrigaden in den Norden des Landes. Am Mittwoch flogen die israelischen Streitkräfte nach eigenen Angaben Angriffe auf mehr als 280 Hisbollah-Ziele im Libanon. Darunter seien 60 Angriffe auf Geheimdienststützpunkte der Miliz gewesen. Durch die Angriffe seien "nachrichtendienstliche Mittel" und "Kommandozentralen" zerstört worden. Das libanesische Gesundheitsministerium sprach von mindestens 51 Toten und 223 Verletzten durch die israelischen Angriffe vom Mittwoch.

Zuvor hatte die israelische Armee den Hisbollah-Raketenangriff in der israelischen Großstadt Tel Aviv als weitere "Eskalation" bewertet. "Es ist das allererste Mal, dass eine Hisbollah-Rakete den Raum Tel Aviv erreicht hat", sagte ein Militärsprecher.

Die pro-iranische Miliz erklärte, sie habe eine Rakete vom Typ Kader 1 abgefeuert, die das Hauptquartier des israelischen Geheimdienstes Mossad am Stadtrand von Tel Aviv zum Ziel gehabt habe. Die Mossad-Zentrale sei "verantwortlich für die Ermordung von Führungskräften und die Explosion von Pagern und drahtlosen Geräten". Diese Explosionen hatten 39 Menschen getötet und fast 3000 weitere verletzt.

Die israelische Armee teilte mit, sie habe den Raketenwerfer, von dem die Rakete abgefeuert worden sei, bei Nafachijeh im Südlibanon attackiert. Bei "großflächigen" Angriffen durch israelische Kampfflugzeuge seien unter anderem auch Waffenlager der Hisbollah getroffen worden.

US-Präsident Joe Biden warnte angesichts der erheblich verschärften Kämpfe zwischen Israel und der Hisbollah vor einem "allgemeinen Krieg" im Nahen Osten. Zugleich bestehe aber nach wie vor die Chance auf ein Abkommen, "das tiefgreifend die ganze Region verändern kann", sagte er im Sender ABC.

Auch US-Außenminister Antony Blinken insistierte auf einer diplomatischen Lösung. Der "beste Weg" zurück zu einer "sicheren Umgebung, in der die Menschen einfach wieder nach Hause können und Kinder wieder in die Schule gehen können", sei nicht "Krieg und Eskalation", sondern Diplomatie, sagte Blinken im Sender NBC. Israels offiziell erklärtes Ziel seiner Angriffe im Libanon ist eine sichere Rückkehr geflohener Bewohner Nordisraels in ihre Heimatorte.

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu bekräftigte am Mittwoch, dass sein Land die Hisbollah solange mit "voller Kraft" angreifen werde, bis die Rückkehr der durch die Hisbollah-Angriffe vertriebenen Einwohner möglich sei. Netanjahu hatte wegen des verschärften Konflikts mit der Hisbollah seine Abreise zur UN-Generaldebatte in New York auf Donnerstag verschoben. Noch am Mittwoch wollte sich der UN-Sicherheitsrat in einer Dringlichkeitssitzung mit dem Konflikt befassen.

Die Konfrontation zwischen Israel und der Hisbollah hatte sich bereits seit dem beispiellosen Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem dadurch ausgelösten Krieg im Gazastreifen verschärft. Israels Norden steht seitdem unter Dauerbeschuss der Hisbollah, worauf die israelische Armee regelmäßig mit Gegenangriffen antwortete.

In den vergangenen Tagen hat dieser Konflikt aber neue Dimensionen erreicht. So flog das israelische Militär am Montag seinen bisher größten Lufteinsatz gegen die Hisbollah seit Beginn des Gaza-Kriegs. Laut der libanesischen Regierung wurden dabei mindestens 558 Menschen getötet. Es war der blutigste Tag seit dem Bürgerkrieg im Libanon von 1975 bis 1990.

Seit Montag wurden zudem mehr als 90.500 weitere Menschen im Libanon durch die Kämpfe in die Flucht getrieben, wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) mitteilte.

dja/lan