Jüdischer Weltkongress fordert Verbot von Neo-Nazi-Parteien

Bundeskanzlerin Angela Merkel (r, CDU) umarmt während der Verleihung des Theodor-Herzl-Preises, Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (r, CDU) umarmt während der Verleihung des Theodor-Herzl-Preises, Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.

Der Jüdische Weltkongress ehrt Angela Merkel als «Hüterin der Zivilisation». Die Bundeskanzlerin ruft die Deutschen auf, allen Antisemiten entgegenzutreten - und lässt eine Frage offen.

München (dpa) - Der Jüdische Weltkongress (WJC) hat ein Verbot von Parteien gefordert, «die Neo-Nazi-Ideologie unterstützen».

Bei der Verleihung des Theodor-Herzl-Preises an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in München sagte WJC-Präsident Ronald Lauder, 75 Jahre nach Auschwitz erhebe der alte Judenhass wieder sein Haupt. Jetzt müsse gehandelt werden.

Die AfD, die bei der Landtagswahl am Sonntag zweitstärkste Partei geworden war, erwähnte er nicht namentlich. Die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch, sprach von einem «erschütternden Wahlergebnis» und einem «Abgrund von Hass und Intoleranz».

Merkel ging auf Lauders Forderung nicht ein. Sie rief die Gesellschaft zum Schulterschluss gegen jede Form des Antisemitismus auf: Er richte sich «gegen alles, was unser Land trägt und zusammenhält» und zeige sich «nicht erst in Gewalttaten, sondern schon viel früher und subtiler». Es gelte, den Anfängen zu wehren.

Das Attentat von Halle beschäme Deutschland zutiefst, sagte Merkel. Aber schon Pöbeleien gegen Juden auf der Straße seien nicht hinnehmbar. Rechtsextrem wie islamistisch motiviertem Antisemitismus und Angriffen auf das Existenzrecht Israels müsse entgegengetreten werden. Jüdisches Leben sei «Teil der Identität Deutschland», und Israels Sicherheit sei deutsche Staatsräson, sagte die Kanzlerin.

Lauder rief alle Parteien auf, Antisemiten in ihren Reihen auszuschließen. Antisemitische Straftaten müssten härter geahndet werden. Alle Synagogen und jüdischen Schulen müssten Polizeischutz erhalten. Dass die Synagoge in Halle am höchsten jüdischen Feiertag vor drei Wochen ohne Polizeischutz gewesen sei und nur eine Tür ein größeres Massaker des rechtsextremen Attentäters verhindert habe, sei schockierend. Der rechtsextreme Täter hatte zwei Menschen erschossen.

«Wir müssen zusammenstehen gegen Antisemitismus, Rassismus, Islamophobie, Fremdenhass und Homophobie», forderte Lauder und lobte Merkel: Sie stehe wie ein Bollwerk dagegen und sei «die Hüterin der Zivilisation»: «Deutschland, Europa und dem Westen zuliebe wünsche ich Ihnen eine lange Amtszeit. Und wenn Sie manchmal ein wenig erschöpft sind, erinnern sie sich bitte daran, das wir sie brauchen!»

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte: «Wir sehen uns Bedrohungen und einem Gewaltpotenzial ausgesetzt, wie es vor Jahren niemand für möglich gehalten hätte». 2018 war die Zahl antisemitischer Straftaten bundesweit stark gestiegen. Die jüdische Gemeinschaft lasse sich aber nicht vertreiben, «wir bleiben da!» sagte Schuster und kehrte den Spieß um: «Und diejenigen, die das nicht wollen, dürfen gerne gehen, wenn ihnen das nicht passt.» Der Zentralratsvorsitzende kritisierte zugleich deutsche Politiker, die Israel diffamierten.

Lauder sagte, 27 Prozent der Deutschen zeigten antisemitische Einstellungen. Rechtsradikale Aufmärsche wie in Chemnitz und Dortmund seien inakzeptabel, ebenso wie die Freilassung eines Syrers, der mit einem Kampfmesser in eine Berliner Synagoge gestürmt sei.

Der Jüdische Weltkongress vertritt jüdische Gemeinden und Organisationen in 100 Ländern. Mit dem Preis ehrt er «herausragende Persönlichkeiten, die sich für Theodor Herzls Ideal einer sicheren und toleranten Welt für das jüdische Volk einsetzen». Die Bundeskanzlerin sagte, sie nehme den Preis an als Zeichen des Vertrauens der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland.

Der Schriftsteller Theodor Herzl hatte vor dem Ersten Weltkrieg für die Gründung eines jüdischen Staates gekämpft. Frühere Preisträger waren die Familie Rothschild, der frühere US-Präsident Ronald Reagan, der frühere israelische Präsident Shimon Peres und der deutsche Verleger Axel Springer.