Jan Böhmermann gibt Merkel Saures: Mami war sehr böse

Sichtlich genervt: Angela Merkel gibt im April 2016 ein Statement zum Fall Böhmermann ab (Bild: AP Photo/Markus Schreiber)
Sichtlich genervt: Angela Merkel gibt im April 2016 ein Statement zum Fall Böhmermann ab (Bild: AP Photo/Markus Schreiber)

Der Satiriker droht Angela Merkel zu verklagen und setzt ihr eine Frist. Im Kanzleramt zittern sie schon.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Bei einer durchtrieben guten Satire kennt man nicht den Boden, auf dem man steht, zumindest zeitweise. Meint der da oben es ernst, oder ist es ein Spiel, gar eine Kritik? Ein vergnügliches Glatteis bereitet uns womöglich auch Jan Böhmermann mit einem Brief seines Anwalts, der jüngst das Kanzleramt erreichte.

Böhmermann, wirklich einer der besten Satiriker hierzulande, zückte da einen verbalen Krummdolch. Angela Merkel, so sein Rechtsbeistand, solle binnen einer Woche in der Rückschau eine Erklärung von ihr als unzulässig einstufen; andernfalls werde er seinem „Mandanten“, hübsch à la bande, zur Klage raten. Peng. Das saß. Und dann auch noch mitten im Wahlkampf, ein echter Knaller.

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Welche Erklärung eigentlich? Ging es um den Atomraketenstreit mit Nordkorea, um eine Liebeserklärung an Donald Trump oder plante Merkel die Annexion Dänemarks? Böhmermanns Anwalt bezieht sich auf die Geschichte mit dem „Schmähgedicht“ oder mit der „Schmähkritik“, ich erinnere mich nicht mehr genau an diesen „Fall Böhmermann“, der im Frühling 2016 der Republik den Atem raubte. Jedenfalls hatte sich die Kanzlerin in Kulturkritik geübt, sie hatte Verse von Böhmermann als „bewusst verletzend“ bezeichnet.

Was war da nochmal?

Geht natürlich gar nicht. Da muss sofort eine Klage auf den Tisch, was fällt ihr ein, eine Frechheit sondergleichen gegenüber einem Künstler, also sowas. In jenem Gedicht, welches Böhmermann in seiner Fernsehsendung vorlas, ging es um unappetitliche Dinge, die er aussprach, um klar zu machen, dass man sie nicht aussprechen solle – er wollte uns den Unterschied zwischen Satire und Schmähkritik verdeutlichen; nur geriet seine Kreisvolkshochschullektion dann zu einer Sammlung von orientalistischen Sinnsprüchen, die einfach nicht nur den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als Adressaten rassistisch beleidigten, sondern auch den Türken an und für sich. Böhmermann hatte sich selbst ein Bein gestellt, sich verzettelt und verzockt. Dass er bis heute nicht einsieht, welche Verletzungen er mit seinen Zeilen geschlagen hatte, erstaunt – sonst hätte sein Anwalt nicht diesen Brief geschrieben.

Ist das jetzt sein Ernst? Jan Böhmermann droht Merkel mit einer Klage (Bild: dpa)
Ist das jetzt sein Ernst? Jan Böhmermann droht Merkel mit einer Klage (Bild: dpa)

Böhmermann bleibt dabei: Sein Gedicht war lediglich Klarifizierung, und wer das nicht checke, sei naiv oder in Germanistik zu unbelastet. Mich erinnert er an einen Varietékünstler, der im Nachhinein seinem Publikum weismachen will, dass sein missglücktes Kunststück doch funktioniert habe.

Eine Frage der Augenhöhe

Warum also nun dieser Brief? Geht es um ein bisserl Aufmerksamkeit? Kommt noch eine überraschende Wendung? Oder ist der Satiriker tatsächlich getroffen von der Kanzlerin, meint er, sie sei ihm, dem Kulturschaffenden, Künstler und Streiter für die humanistischen Werte, was er ist, in den Rücken gefallen?

Im Schreiben ans Kanzleramt heißt es, Merkel habe mit ihrer Kritik eine „juristische Bewertung des Werkes vorgenommen, die einer Vorverurteilung gleichkommt“. Sie sei für eine solche Einordnung nicht zuständig gewesen, sie habe den Grundsatz der Gewaltenteilung verletzt.

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Abgesehen davon, dass es zum Zeitpunkt der Äußerung noch kein Gerichtsverfahren gab: Ja, Merkel ist auch Böhmermanns Kanzlerin. Aber sie ist nicht seine Mutter, hinter deren Rockschößen er sich verstecken kann; immerhin war er ein wenig böse gewesen, mit seinem Gedicht, der Bengel. Der Satiriker aber, und das wäre die ungünstigste Variante seines Manövers, scheint eine persönliche Rechnung zu begleichen, sozusagen auf Augenhöhe zwischen Mutter und Sohn oder eben Regierungschefin und Fernsehsendungschef. Oder wie es Schurke Raoul Silva zu James Bond in „Skyfall“ über ihre gemeinsame Chefin M. sagte: Mami war sehr böse.

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