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Vor den Herbstferien: Corona-Maßnahmen werden verschärft

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder warnt vor Reisen in Risikogebiete.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder warnt vor Reisen in Risikogebiete.

Die Herbstferien stehen vor der Tür und damit die Angst, dass die Corona-Infektionszahlen noch stärker steigen. In einigen Regionen könnten sie außer Kontrolle geraten, meint Ministerpräsident Söder.

Berlin (dpa) - Aus Angst vor stärker steigenden Infektionszahlen in den Herbstferien verschärfen Bund und Länder die Corona-Maßnahmen wieder. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder warnten eindringlich vor unnötigen Reisen in Risikogebiete.

Zudem sollen private Feiern, von denen sich einige zuletzt als Hotspots erwiesen hatten, eingeschränkt werden, wenn die Infektionszahlen in bestimmten Regionen dies nötig machen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte im ZDF-«heute-journal», beim Geselligsein, in der Gastronomie sowie beim Reisen und in der Freizeit gebe es momentan das größte Ansteckungsrisiko. «Das Virus ist ja hier der Spielverderber, nicht ich oder wir in der Politik.»

Spahn sagte nach einer Schaltkonferenz der Kanzlerin mit den Länderregierungschefs, eine Differenzierung staatlicher Beschränkungen nach Regionen und nach der konkreten Infektionslage vor Ort sei weiter sinnvoll, sonst gehe die Akzeptanz der Bevölkerung verloren. Er rief die Bürger dazu auf, ihr Verhalten zu prüfen. Jeder könne sich etwa überlegen, ob jetzt, mitten in der Pandemie, die Zeit für eine größere Familienfeier sei. Freiheit heiße nicht, dass jeder machen könne, was er will. Jeder trage Verantwortung für die Menschen um ihn herum. «Mit staatlichem Zwang alleine wird es nicht gehen.»

Söder betonte, man wolle keinen zweiten Lockdown. In einigen Regionen könnten aber die Infektionszahlen außer Kontrolle geraten, wenn nicht gehandelt werde. Priorität hätten Arbeitsplätze, Schulen und Kitas. Eine Million Tote weltweit im Zusammenhang mit dem Coronavirus «kann doch keiner ignorieren», sagte Söder weiter. «Um uns herum explodieren die Zahlen.»

Merkel erläuterte, Deutschland sei gut durch den Sommer gekommen, nun stehe mit dem Herbst und Winter aber eine «schwierigere Zeit» bevor. Man könne sich dem aber entgegenstellen mit den richtigen Maßnahmen. Diese könnten nur durchgesetzt werden, wenn es die Bereitschaft der Bürger gebe, die Regeln zu befolgen, damit sich die Seuche nicht weiter ausbreite. Vorrang habe, die Wirtschaft so weit es gehe am Laufen zu halten und dass Kinder in Schulen und Kitas gehen könnten, sagte auch sie.

Lehrer sollten nach Auffassung von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek mit als Erste gegen das Coronavirus geimpft werden, wenn es den Impfstoff gibt. Die sei aufgrund der Vielzahl an Kontakten in der Schule geboten, insbesondere, wenn sie zu einer Risikogruppe gehören, sagte die CDU-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch würde eine bevorzugte Impfung für Lehrer helfen, den für die Gesellschaft so wichtigen Schulbetrieb aufrecht zu erhalten.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, forderte eine bundeseinheitliche Corona-Ampel für Schulen. Er sagte der «Rheinischen Post»: «Von einer in allen Bundesländern geltenden Corona-Schulampel, die klar regelt, ab welchem Infektionsgeschehen welche Maßnahmen zum Gesundheitsschutz an Bildungseinrichtungen ergriffen werden müssen, sind wir auch nach einem solchen Beschluss weiterhin meilenweit entfernt.»

Bundesärztekammerpräsident Klaus Reinhardt erklärte, die nationale Strategie von Bund und Ländern «gibt den Menschen Orientierung und den Beschäftigten im Gesundheitswesen etwas mehr Planungssicherheit». Allerdings sei jetzt eine umfassende Teststrategie nötig, «die Tests da vorsieht, wo sie medizinisch sinnvoll sind und die vor allem die neuen Möglichkeiten der Corona-Schnelltests nutzt».

Der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: «Noch können wir eine zweite Welle verhindern. Die verabredeten Feier-Obergrenzen sind daher ein richtiger Schritt als eine von wenigen bundesweiten Leitplanken.». Sager rief zugleich dazu auf, an einer dezentralen Eindämmungsstrategie festzuhalten.

Nach Auffassung der FDP sollten sich die Maßnahmen gegen das Virus nicht nur nach der Zahl der Neuinfektionen richten, sondern unter anderem auch nach der Auslastung der Gesundheitsämter oder der Krankenhäuser vor Ort. FDP-Chef Christian Lindner begrüßte, dass sich Bund und Länder bei Feiern in Privatwohnungen nur auf eine Empfehlung verständigt hätten. Für die Liberalen gelte die Unverletzlichkeit der Wohnung. Es sei für sie unvorstellbar, dass Polizei oder Orudnungsamt zur Kontrolle an die Wohnungstür klopften.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hielt Bund und Ländern in der «Rheinischen Post» vor, sie agierten in der Krise nicht vorausschauend. «Sie scheinen einmal mehr überrascht zu sein, dass die kalte Jahreszeit und die nächsten Ferien vor der Tür stehen». Sie forderte einen unabhängigen Pandemierat.

Folgende Beschlüsse fassten Bund und Länder:

PRIVATE FEIERN:

Alle Bürger werden gebeten, in jedem Einzelfall kritisch abzuwägen, ob, wie und in welchem Umfang private Feiern notwendig und vertretbar seien. Bei steigenden Infektionszahlen sollen Obergrenzen für die Teilnehmerzahl festgelegt werden, und zwar in zwei Stufen. Wenn es in einem Landkreis binnen sieben Tagen mehr als 35 Neuinfektionen pro 100.000 Menschen gibt, sollen in öffentlichen oder angemieteten Räumen höchstens 50 Personen gemeinsam feiern dürfen. Für Partys in Privaträumen wird eine maximale Teilnehmerzahl von 25 Menschen «dringlich empfohlen» - aber nicht vorgeschrieben, wie der Bund es ursprünglich wollte.

Wenn es in einem Landkreis binnen sieben Tagen mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner gibt, sollen höchstens noch 25 Menschen in öffentlichen oder angemieteten Räumen feiern dürfen. Für Feiern in Privaträumen wird eine Obergrenze von zehn Teilnehmern «dringlich empfohlen». Ausnahmen könnten zugelassen werden, wenn es für angemeldete Feierlichkeiten vom Gesundheitsamt abgenommene gibt.

BUßGELD BEI FALSCHANGABEN IN RESTAURANTS:

Wer falsche persönliche Angaben beim Restaurantbesuch macht, dem soll ein Bußgeld von mindestens 50 Euro drohen. In Schleswig-Holstein soll das sogar bis zu 1000 Euro kosten. Gastwirte werden bei der Kontrolle dieser Angaben ebenfalls in die Pflicht genommen. Merkel forderte Gaststättenbetreiber auf, besser zu kontrollieren. Die Daten sind wichtig, denn sie werden zur Nachverfolgung möglicher Infizierten-Kontakte gesammelt.

FRÜHWARNSYSTEM GEPLANT:

Eine von NRW-Regierungschef Armin Laschet (CDU) und auch Söder vorgeschlagene Corona-Warnampel wird zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Es heißt aber, die Länder würden bereits vor Erreichen einer Zahl von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen «ein geeignetes Frühwarnsystem» einrichten.

REISEN IN RISIKOGEBIETE:

In vielen europäischen Ländern sowie weltweit gibt es hohe Infektionszahlen, es gelten Reisewarnungen. Es soll aber Sonderregelungen etwa für notwendige Geschäftsreisen geben.

FIEBERAMBULANZEN FÜR DIE HERBST- UND WINTERZEIT:

Angesichts der zu erwartenden Grippewelle in der Herbst- und Winterzeit sollen die Möglichkeiten des Einsatzes von Fieber-Ambulanzen, Schwerpunktsprechstunden und Schwerpunktpraxen genutzt werden. Zugleich sollten sich gerade auch Risikogruppen vorsorglich gegen die saisonale Grippe impfen lassen.