Jeremy Scott bringt Fetisch wieder in Mode

Designer Jeremy Scott präsentierte seine neue Kollektion für Moschinos Herbst 2018 Herrenmoden-Kollektion und brachte damit Fetisch wieder in Mode. (Bild: Getty Images)
Designer Jeremy Scott präsentierte seine neue Kollektion für Moschinos Herbst 2018 Herrenmoden-Kollektion und brachte damit Fetisch wieder in Mode. (Bild: Getty Images)

Normalerweise bedeutet, dass, wenn etwas „zurück“ ist, es nicht mehr da war. Als zum Beispiel Justin Timberlake 2007 Sexiness zurückbrachte, wurde er dafür verspottet, dass er damit unbewusst implizierte, sexy sei aus der amerikanischen Kulturlandschaft verschwunden – eine lächerliche Aussage, wenn man bedenkt, dass die Nullerjahre von Jeans geprägt waren, die so tief saßen, dass die Tangas herausblitzten. Aber als Jeremy Scott seine neue Linie für Moschinos Herbst 2018 Herrenmoden-Kollektion präsentierte, brachte er damit definitiv Fetisch zurück in Mode, denn im vergangenen Jahrzehnt war es um diese Strömung überwiegend ruhig geworden.

In der Welt der Couture konzentrierten sich die Nullerjahre auf Romantik. Alexander McQueen war bereits als theatralische Leuchte zu Ruhm gekommen. Valentino übergab seine gleichnamige Marke in die Hände von Maria Grazia Chiuri und Pierpaolo Piccioli. Unter der Führung dieser bekannten Häuser wurde Haute Couture-Mode zum Traum für Prinzessinnen: reich verzierte Couture-Ballkleider, bodenlange Säume und Tonnen an transparentem Tüll verziert mit exklusiven Perlenstickereien. Kein Designer war so sehr auf Romantik fokussiert wie Riccardo Tisci, dessen Couture-Kollektionen für Givenchy Stickereien aussehen ließen, als würden sie um den Körper schweben.

Die Modewelt war seitdem verrückt nach zuckersüßen Dingen, aber Scott rollte den Tüll zusammen und ersetzte ihn durch Latex. Seine Models ehrten so die wichtigsten Einflüsse auf die Mode in den 80ern und Anfang der 90er: Die Schwulen-Kultur und die BDSM-Fetischisten des Untergrunds.

Scott setzte typische Symbole der Szene wie hohe Stiefel und Ledergurte ein, kombinierte sie mit zerstörter Kleidung aus der Vorstandsetage und zeigte Westen, an die mit Hosenträgern Ärmel befestigt waren, eine Anspielung auf Charlotte Rampling in „Der Nachtportier“.

Jeremy Scott kombiniert Ledergurte mit zerstörter Kleidung aus der Vorstandsetage. (Bild: Getty Images)
Jeremy Scott kombiniert Ledergurte mit zerstörter Kleidung aus der Vorstandsetage. (Bild: Getty Images)

Es gab noch weitere offensichtliche Anspielungen auf Fetische. Scott befasste sich auch mit Gummipuppen, ein Fetisch, für den weibliche Formen in Latexkleidung gesteckt weden. Gummipuppen tragen häufig Catsuits nur mit Löchern für die Augen, Nase und den Mund – die Erregung wird dadurch hervorgerufen, dass die Tragende als Objekt angesehen wird – ohne jegliche Identifikationsmerkmale. Sie sind anonyme sexuelle Cyborgs, unterwürfig in ihrer Latexhaut und doch organisch mit Kurven und Augen. Scott hat vielleicht eine seiner Gummipuppen mit einer gerüschten Satinjacke ausgestattet, aber ihr Catsuit war eine unmissverständliche sexuelle Anspielung.

Scotts Kollektion erinnert auch an die Tage, als schwule Männer Fetische als Teil ihrer Schwulen-Kultur genossen – diese beiden wurden oft verwechselt, weil Schwule nur wenig Orte hatten, an denen sie ihre Sexualität offen leben konnten. Ein männliches Model lief mit einer schimmernden Lederunterhose, Reitstiefeln und einer Art Polizistenmütze über den Laufsteg – ein Look, der auch bei einer New Wave Queer Nacht nicht fehl am Platze wäre, auch wenn er nach all den Jahren Menocore sehr erfrischend ist.

Ein Model im „Gummipuppen“-Outfit bei Jeremy Scotts Modenschau. (Bild: Getty Images)
Ein Model im „Gummipuppen“-Outfit bei Jeremy Scotts Modenschau. (Bild: Getty Images)

Natürlich basieren Scotts Kreationen auf den Designs von Visionären wir Shayne Oliver von Hood by Air, dessen dekonstruierte Looks das klassische Konzept von Männlichkeit auf den Kopf stellen, ein Ansatz, der seine Wurzeln in den schwarzen Schwulen-Communities hat. Zana Baynes Lederriemen und Accessoires sind sowohl funktional als auch glamourös, auch wenn es schwer sein sollte, einen Redakteur zu finden, der eingestehen würde, sie für ihren eigentlichen Zweck zu verwenden. Fetisch ist zwar privat weit verbreitet, wird aber trotzdem als zu anstößig angesehen, um ihn auch nur zu besprechen.

Die Fetischszene gibt es auch heute noch, auch wenn Designer kaum bei FetLife nach Fotos für ihre Moodboards suchen. Das letzte Mal, als die Mode auf BDSM verwies, war, als Jean-Paul Gaultier 2010 mit Dita Von Teese über den Laufsteg schritt, eine Burlesque-Königin in einem vergoldeten schwarzen Geschirr, das wie ein Skelett geformt war.

Wie immer ist die Schwulen-Community Vorreiter, Brooklyns BDSM-lite Bound Partys sind ausschließlich für ein queeres Publikum gemeint, eine Community, für die Fetisch sowohl eine ästhetische Wahl als auch Mittel zum Überleben war. Aber Scott mit seinen kniehohen Spitzenstiefeln und Korsetts erinnert uns an die versaute Welt, die noch immer da ist und darauf wartet, wieder in Mode zu kommen. So wie alles, das in und out wird, verschwindet auch Fetisch nie völlig – er wartet nur darauf, von einem anerkennenden Publikum wiederentdeckt zu werden.

Meagan Fredette