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"Jett", "Mrs. Maisel" und Co.: Wie starke Frauen die Serienwelt aufmischen

Sie sind schon lange nicht mehr nur die naiven, süßen Hausfrauen, die den Männern die Butterbrote schmieren. Frauen sind in der Serienwelt von heute weitaus mehr vertreten - und nehmen teilweise sogar stärkere Rolle ein als ihre männlichen Pendants.

Auch Frauen können wahre Meisterdiebinnen sein, dabei auch noch verführerisch und sexy auftreten - und sämtliche Typen um sie herum ziemlich alt aussehen lassen: Das beweist Daisy "Jett" Kowalski aus der Thrillerserie "Jett", die derzeit auf Sky Atlantic HD mächtig Furore macht. Eigentlich hatte Jett nach ihrem Knastaufenthalt die Nase voll von kriminellen Geschäften, doch natürlich kommt es anders - sie wird zu einem letzten großen Ding gezwungen. Eine Rolle, die bis vor Kurzem verlässlich mit einem smarten Jungschauspieler besetzt worden wäre. Doch "Jett" (Carla Gugino) ist ein Musterbeispiel für den erstaunlichen Paradigmen- und Perspektivenwechsel, der sich in den vergangenen Jahren vollzogen hat. Hier gibt eine starke und selbstbewusste Lady, mit der man sich lieber nicht anlegen möchte, den Ton an. Eine Heldin im besten Alter, die eindrücklich vor Augen führt, was im Serienfernsehen von heute alles geht. Denn das Gute ist: "Jett" ist nicht alleine, sondern nur eine von vielen!

2019 war ohnehin das Jahr der starken Serienfrauen. Just am selben Tag, an dem "Jett" bei Sky startete, schickte Amazon Prime Video eine der brillantesten Serienheldinnen der neuen Serien-Ära auf die Bildschirme: Auch in der dritten Staffel von "The Marvelous Mrs. Maisel" wickelt Midge (Rachel Brosnahan) wieder alle mit ihrer charmanten und witzigen Art um den Finger. Mit viel Improvisationstalent stellt die Stand-Up-Komikerin das prüde Amerika der 50er- und 60er-Jahre auf den Kopf. Sie nimmt nicht nur ihr berufliches Leben eigenständig in die Hand, sondern tut sich auch als ein Aushängeschild für Frauen, die sich nicht mehr nur ihren Männern unterordnen wollen, hervor.

"Beim Dreh wurde mir offenbar, wie weit wir schon gekommen sind - und wie weit eben noch nicht", stellt Brosnahan bezüglich der Gleichberechtigung in der heutigen Zeit fest. "Noch immer muss man kritisch fragen, was es bedeutet, als Frau in dieser Welt zu leben. Noch immer sind es polarisierende Fragen, die etwa in Stand-up-Comedy und in Serien verhandelt werden." Es brauche heute "mehr Frauen in einflussreichen Positionen mit Macht und Autorität", findet die Schauspielerin. Und bei den internationalen Fiction-Machern scheinen solche Forderungen zunehmend Gehör zu finden.

Frauen ermitteln, Männer gähnen nur

"Jett" und ""The Marvelous Mrs. Maisel" sind nur zwei Formate von vielen, die zeigen, wie sich starke Frauen gerade mit Vehemenz in der Serienlandschaft durchsetzen. Taffe und vor allem authentische weibliche Charaktere dominieren aktuell die Streamingdienste - man denke an gefeierte Serien wie "The Handmaid's Tale", "Scandal" oder "Homecoming". Oder auch an das Vergewaltigungsdrama "Unbelievable", in dem zwei eigensinnige Frauen (Merritt Wever und Toni Collette) die Ermittlungen übernehmen, während die männlichen Cops den Opfern nicht glauben und einfach nur lächerlich dastehen. Weiblich geprägt im besten Sinne ist auch das schwarzkomödiantische Drama "Big Little Lies": Nicole Kidman, Reese Witherspoon und Shailene Woodley verkörpern Mütter, die mit dem Tod eines Schülers konfrontiert werden - und sich plötzlich mit Geheimnissen, Lügen und Rivalitäten auseinandersetzen müssen. Die Männer? - Sind beinahe schon Nebensache.

Lange, sehr lange, war es genau umgekehrt. Ältere erinnern sich vielleicht noch an die 60er- und 70er-Jahre, als die beliebte Westernserie "Bonanza" auch hierzulande über unzählige Bildschirme flimmerte. Da waren Ben, Adam, Hoss und Little Joe auf der Ponderosa-Ranch - vier Cartwright-Männer, die es ganz ohne Frauen schafften, für Frieden und Gerechtigkeit zu sorgen. Damen gab es auch - aber sie standen am Rande der Geschichten. Und das war kein Zufall: "Bonanza"-Erfinder David Dortort wollte gerade mit dieser Konstellation betonen, dass es in Zeiten der kraftvollen Mütter der 50er- und 60er-Jahre-Serien auch starke Männer ohne eine Frau an ihrer Seite gab. Ein durchaus interessanter Ansatz, der aus heutiger Sicht jedoch geradezu absurd wirkt.

Männer dominieren die Blockbuster

Doch dieses Bild hat sich dann mehr und mehr gefestigt. Männer waren über Jahrzehnte vor und hinter der Kamera die Starken im Filmgeschäft und in der Serienwelt - manifestiert durch unzählige weltweite Großproduktionen wie "A-Team", "Knight Rider", "Magnum" oder "Star Trek". Auch in den größten Werken der Filmgeschichte traten sehr lange überwiegend Männer in den starken Rollen auf: Von "Herr der Ringe" bis zu "Der Hobbit", von "Indiana Jones" bis hin zu "Star Wars", von "Matrix", "Terminator", "Fast & Furious" und "James Bond" bis hin zu den umfangreichen Marvel- und DC-Reihen, die mit "Superman", "Batman", "Spiderman", "Thor", "Iron Man" und vielen weiteren Superhelden aufwarten. Und selbst in "Harry Potter" stand Hermine immer einem Haufen Jungs gegenüber - auch, wenn sie am Ende meistens die Schlauste war.

In der Serienlandschaft hat sich das Blatt allerdings inzwischen gewendet. Frauen übernehmen zunehmend die Rollen, die zuvor eher mit Männern in Verbindung gebracht wurden. Was sich getan hat, sieht man beispielsweise bei einem Blick auf die 2005 gestartete Gefängnis-Serie "Prison Break". Bis auf Dr. Sara Tancredi hat es dort keine Frau durchgehend geschafft, sich unter den vielen Insassen durchzusetzen. Dann schuf Netflix 2013 mit "Orange is the New Black" ein perfektes Pendant - fast nur mit Frauen, die sich aber ebenso im Gefängnisalltag bewähren können wie die männlichen Fox-River-State-Insassen vor ihnen. Die Serie ist durchgehend spannend, teilweise brutal, teilweise tragisch - und kann durchaus mit "Prison Break" mithalten. Warum auch nicht? Warum sollen denn nur Männer inhaftiert sein? Im wahren Leben sitzen schließlich auch Frauen im Gefängnis, so wie auch Piper Kerman, auf deren Erfahrung "Orange is the New Black" basiert.

Auch Frauen können die Gangster sein

Dass Frauen in Serien zunehmend auch in Männerdomänen Fuß fassen können, zeigt auch ein weiteres Beispiel: Walter White und Jesse Pinkman machten sich durch "Breaking Bad" einen Namen als Drogenhersteller. 2016 versuchte sich dann Teresa Mendoza in "Queen of the South" als neue Drogenqueen in den USA - ebenso gewalttätig und ebenso spannend, und keineswegs seltsam. Aber in diesem Genre konnte man sich ja bereits an die weibliche Drogenbaronin gewöhnen, und das sogar schon lange vor "Breaking Bad": In "Weeds" baute Nancy Botwin (Mary-Louise Parker) bereits drei Jahre vor dem Netflix-Hit ihr eigenes Drogenimperium auf.

In der Erfolgsserie "House of Cards" zeigt sich ganz deutlich, dass Frauen Männer nicht mehr nur vertreten, sondern sie auch direkt ersetzen können. Fünf Staffeln lang spielte Kevin Spacey den brutalen US-Politiker Francis Underwood, bis in der sechsten und finalen Staffel dann seine Frau Claire (Robin Wright) als erste US-Präsidentin im Weißen Haus die Führung übernahm - und bewies, dass sie ebenso kaltblütig und sogar noch grausamer als ihr Mann regieren kann.

Und selbst im Western gibt es lange nach Erfolgsserien wie "Bonanza" und "Rauchende Colts" nun auch revolverschwingende Frauen. Seit 2017 ist die Miniserie "Godless" auf Netflix verfügbar. Darin stößt Frank (Jeff Daniels) auf eine "Stadt voller Ladys", die wegen einem Minenunglück fast ausschließlich aus Frauen besteht. Und die wissen ganz genau, wie sie sich und ihre Stadt verteidigen müssen. Und trotz dieses zunächst noch recht ungewohnten Bildes muss man angesichts dieser mitreißenden Produktion einfach zugeben: Auch Frauen liegt der Revolver gut in der Hand.

Die weiblichen Antworten

Sogar auf die zahlreichen männerdominierten Marvel- und Detektivgeschichten gibt es längst eine weibliche Antwort: "Marvel's Jessica Jones". Drei Staffeln lang schlug sich "Breaking Bad"-Star Krysten Ritter als Privatdetektivin in New York durch ein Verbrechen nach dem anderen - und steht dabei "Sherlock Holmes" in nichts nach. Genausowenig wie Annalise Keating (Oscar-Preisträgerin Viola Davis) in der hochspannenden Krimiserie "How to Get Away with Murder" - bei ihren Methoden würde sogar "Columbo" vor Neid erblassen. Schnell, taktisch klug und vor allem unvorhersehbar findet sie Lösungen für alle Fälle - und schafft es immer wieder, die ihr in den Weg gelegten Steine zu bewegen. Die Rolle der Annalise Keating erregte Aufmerksamkeit - nicht nur durch ihre Stärke, sondern auch durch ihre Natürlichkeit, wenn sie beispielsweise ihre echten Haare zeigte. "So ähnlich wie damals Katherine Hepburn, die als erste Schauspielerin Hosen trug. Damals war es ein Skandal, heute ist es ganz normal", so Davis. "Es ist gut, dass wir darüber reden und endlich Menschliches im Fernsehen zeigen. Eine Frau, die ihre Perücke abnimmt. Das ist ein Novum. Ebenso die Erregung einer Frau beim Sex zu sehen, ist neu."

Man muss nicht bis nach Amerika, um weitere Belege für das Phänomen der neuen starken Serien-Ladys zu finden. Der Trend ist auch in Deutschland angekommen: In der Comedy-Serie "Frau Jordan stellt gleich" von "Stromberg"-Schöpfer Ralf Husmann ist Katrin Bauerfeind in ihrer Rolle als Gleichstellungsbeauftragte Eva Jordan zackiger als viele Männer um sich herum. Sie steht für Offenheit, Toleranz und Fairness - und versucht das auch, mit allen Mitteln durchzusetzen. Und vielleicht bringt die Serie den einen oder anderen zu Nachdenken, das erhofft sich zumindest Bauerfeind: "Beyoncé hat das Thema Feminismus in ihren Songs aufgegriffen, Amy Shumer in ihrem Comedy-Programm - und beide haben das Thema dadurch nach vorne gebracht. Warum sollte das bei 'Frau Jordan stellt gleich' nicht auch der Fall sein?"

Das Frauenbild in Serien ist in den letzten Jahren selbstbewusster, stärker und eigenständiger geworden. Frauen sind nicht mehr nur süß, zickig oder sexy. Und wenn sie das sind, dann haben sie immer öfter eben auch eine zweite Seite - Frauenfiguren sind endlich echt. Vor allem sind sie nicht mehr nur die Co-Kommissarin, die Gefängnisärztin oder die Frau des aktuellen US-amerikanischen Präsidenten - nein, heute sind sie die Hauptkommissarin, die Gefängnisinsassin und die US-amerikanische Präsidentin höchstpersönlich. Und das stärkt nicht nur das Selbstbewusstsein von Zuschauerinnen, sondern spiegelt auch die heutige Gesellschaft einfach besser wider.

Nach dem lauten Ruf nach Gleichberechtigung in Politik und Wirtschaft ist, angetrieben von den oft auch weiblichen Showrunnern und Kreativen bei Netflix und Co., zumindest die Filmindustrie einen Schritt weiter und setzt Frauen immer mehr als Hauptrollen ein. Und das Publikum scheint sie zu lieben, die Frauen, die die Hosen anhaben - sogar in Berufen, die vorher eigentlich Männersache waren.

Carla Gugino: "Sie ist einfach gut in ihrem Job"

"Alle Rollen, die ich mir immer gewünscht habe, haben sich erst in den letzten Jahren erfüllt", betont Carla Gugino (48), die Darstellerin der Meisterdiebin "Jett". Sie schwärmt: "Es gibt viele tolle Rollen für Frauen. Vor allem jetzt, wo TV- und Streaming-Serien so beliebt sind." Die Richtung stimmt, und auch die lange extrem unterschiedliche Bezahlung sei inzwischen angeglichen worden: "Wir Frauen haben uns gewehrt."

Doch es sei noch immer ein weiter Weg bis zur totalen Gleichberechtigung. "Wir haben immer noch viel zu oft die traditionelle Rollenverteilung, bei der die Männer als Helden gefeiert werden, ohne dass sie beweisen müssen, wieso sie der Held sind. Sie sind es einfach." Über eine Frau, so Gugino, wolle man immer noch wissen: "Wurde sie als Kind misshandelt? Hat sie eine Lernschwäche? Ist sie sozial unfähig? Was ist es?' Die einfache Antwort wäre: Sie ist einfach gut in ihrem Job. Sie ist weder eine weibliche Version von Robin Hood noch will sie die Welt retten. Das Coolste an Jetts Charakter fand ich, herauszufinden, wie sie eine gute Mutter und gleichzeitig eine Meisterdiebin sein kann."