Jochen Breyer verschätzt sich total: "Highlight-Hopping" wird zum Flop-Festival

Was für ein toller Typ! Und Jochen Breyer (links) und Gold-Gewinner Oliver Zeidler (rechts) sind auch dabei. Sie nehmen "Hahnri", das frisch getaufte Plüsch-Maskottchen, den Typ, den alle lieben, in die Mitte. (Bild: ZDF)
Was für ein toller Typ! Und Jochen Breyer (links) und Gold-Gewinner Oliver Zeidler (rechts) sind auch dabei. Sie nehmen "Hahnri", das frisch getaufte Plüsch-Maskottchen, den Typ, den alle lieben, in die Mitte. (Bild: ZDF)

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Jochen Breyer, beseelt vom goldigen Samstagvormittag, versprach für den Olympia-Abend "Highlight-Hopping im ZDF". Es wurde ein Flop-Festival. Denn je später der Abend, desto enttäuschender die deutschen Leistungen.

Jubel im Lager der ZDF-Leute im Olympia-Studio. Denn der Plüsch-Gockel ist nicht mehr namenlos. "Er heißt Hahnri", flötete Jochen Breyer, als er Gold-Ruderer Oliver Zeidler zum Abschluss des Interviews das ZDF-Maskottchen aushändigte. Da hatten die Abstimmenden immerhin Humor. Der verging dann Breyer. Zehnkämpfer Leo Neugebauer stand plötzlich im Regen, die Hockey- und Handball-Damen kassierten Packungen. Und Giulia Gwinn machte ihrem Nachnamen auch nur quälend Ehre.

Fußball-Damen im Viertelfinale, Hockey-Damen und Handball-Damen in entscheidenden Gruppenspielen. "Und Zehnkämpfer Leo Neugebauer ist auf Gold-Kurs!" Breyer kündigte eine Menge Hochkarätiges an. Weil das ZDF ja nur ein Highlight im analogen Fernsehen zeigen kann, verwies Breyer angesichts der Fülle der Sensationen gleich auf den Livestream. "Da können Sie sich alles anschauen, wenn Sie über genügend Endgeräte verfügen." Am Ende war schon der gute alte Fernseher beinahe eins zu viel, denn es ging reichlich viel schief.

Jochen Breyer und das ZDF hatten viel vor am Samstagabend: Sie versprachen "Highlight-Hopping". Konnten es aber nicht halten. (Bild: ZDF)
Jochen Breyer und das ZDF hatten viel vor am Samstagabend: Sie versprachen "Highlight-Hopping". Konnten es aber nicht halten. (Bild: ZDF)

"Echt crazy": Die 3x3-Basketballerinnen stehen im Halbfinale

In der Retrospektive kann sich Breyer an seinem frühen Höhepunkt erfreuen. Das Interview mit Gold-Ruderer Oliver Zeidler war schön. Zeidler bekam noch mal feuchte Augen, weil Hobby-Psychologe Breyer mit seinen Fragen ("Ist schon alles bei Ihnen da oben angekommen?") und das ZDF mit Einblendungen (vom ergriffenen Vater Heino) gezielt die Tränendrüsen drückten. Zeidler verriet Privates (Papa ist schon auf dem Heimweg nach München, Oli zieht bald mit seiner Freundin in die Schweiz) und nahm am Ende auch noch klaglos "Hahnri" entgegen - was will man mehr als Interviewer?

Eine Menge "Blut, Schweiß und Tränen" habe er in den letzten drei Jahren auf dem Weg des Projektes "Olympia 2024" durchleiden müssen, meinte Zeidler. Das ging den Zuschauern dann auch so, allerdings in nur knapp drei Stunden.

Obwohl: Einen Höhepunkt gab es. Die 3x3-Basketball-Damen qualifizierten sich fürs Halbfinale. "Es ist nicht in Worte zu fassen, wie sie durch dieses Turnier tanzen", war Benni Zander beglückt-entrückt, und hatte recht. Das Erfolgsgeheimnis der Olympia-Debütantinnen? "Wir haben's einfach gemacht, crazy", freute sich Marie Reichert nach dem 18:15 gegen Spanien, dem sechsten Sieg im siebten Spiel. Die Basketballerinnen (und Benni Zander) könnten noch zu richtigen Stars werden.

Augen zu und durch: Leo Neugebauer holte Silber im Zehnkampf, Jochen Breyer hätte vielleicht einen Tick mehr erhofft. (Bild: ZDF)
Augen zu und durch: Leo Neugebauer holte Silber im Zehnkampf, Jochen Breyer hätte vielleicht einen Tick mehr erhofft. (Bild: ZDF)

Im Regen von Paris verliert Sunnyboy Neugebauer sein Lächeln

Das "Highlight-Hopping" entwickelte sich zur doppelten Mogelpackung. Es gab kaum Highlights und gehoppt wurde auch nicht überall. Die Hockey-Damen (0:2 gegen Belgien) und Handball-Ladies (18:30 gegen Norwegen) lagen so früh so weit zurück, dass das ZDF sie live gar nicht zeigte.

Als highestes Highlight war natürlich Leo Neugebauer geplant, der "König der Leichtathleten werden könnte", wie Breyer sagte. Könnte! Denn beim Speerwerfen, der vorletzten Disziplin, kam erst der Regen und kurz danach stand Leo in demselben. Im Regen verlor der Sunnyboy Form und Lächeln: Er gab die Führung ab und sogar Silber geriet in Gefahr. Der 1.500-Meter-Lauf musste entscheiden. "Jetzt kommt's drauf an, wer sich mehr quälen kann", sagte Kommentator Marc Windgassen - aber das taten vorerst hauptsächlich die Fußballerinnen und die Zuschauenden.

Hrubesch und die kanadischen Drohnen-Ladys führten bei ihrem 0:0-Gewürge über 120 Minuten (plus Nachspielzeiten) vor, wie langatmig und -weilig Fußball bei Olympia wirkt. Wenn sogar Claudia Neumann Sachen sagt wie "Mehr als Halb-Chancen kam nicht raus" oder "Das Niveau ist nicht allzu groß", dann heißt das was.

Obenauf statt Ann-Katrin Berger: Die Torhüterin der deutschen Fußballerinnen wurde mit zwei gehaltenen und einem verwandelten Elfmeter zu Heldin des Viertelfinal-Abends. Fand auch Jochen Breyer gut. (Bild: ZDF)
Obenauf statt Ann-Katrin Berger: Die Torhüterin der deutschen Fußballerinnen wurde mit zwei gehaltenen und einem verwandelten Elfmeter zu Heldin des Viertelfinal-Abends. Fand auch Jochen Breyer gut. (Bild: ZDF)

Zwei Elfer gehalten, einen verwandelt: Ann-Katrin Berger wird Heldin des Abends

Solche flachen Highlights müssen bestraft werden. Deshalb schaltete wohl so mancher Zuschauer auf "Verstehen Sie Spaß?" um. Und verpasste postwendend Platz fünf von Isabel Gohse über 800 Meter Freistil, die hinterher emotional Fazit zog. "Ich ärger mich grade ein bisschen", sagte sie und begann zu weinen. "Ich bin so 'ne Heulsuse."

Dass das mit dem Kicken nicht zum Heulen wurde, war Ann-Katrin Berger zu verdanken. Die Torhüterin rettete nicht nur Horst Hrubeschs Team, sondern auch den Highlight-Abend des ZDF: Erst parierte sie zwei kanadische Elfer, dann verwandelte sie den entscheidenden zum 4:2. Berger, die Heldin des Abends, kalt wie ein Gefrierfach, cooler geht gar nicht.

Und dann gab es auch noch für Leo ein Halb-Happy End. Im 1.500-Meter-Lauf verteidigte er taktisch sehr geschickt seinen zweiten Rang und wurde zum ersten deutschen Medaillengewinner im Zehnkampf seit 1996, holte Silber wie damals Frank "Grinsekater" Busemann. Noch beeindruckender allerdings der neue "König der Athleten": Markus Rooth ist der erste norwegische Dekathlon-Olympia-Champ seit 1920!

Leo Neugebauer: "Ich hab mein Ding gemacht"

"Immerhin" Silber statt dem von vielen (eigentlich allen) erwarteten Gold. Die Kick-Frauen im Nachsitzen "etwas glücklich" und dank einer hünenhaften Berger im Halbfinale. Schadensbegrenzung live. Darum war Jochen Breyer auch verbal bemüht. "Was für ein Olympia-Abend, atemlos durch die Nacht", redete er sich selbst ein. Bruno Labbadia, der alte um Sachlichkeit Bemühte, würde gesagt haben: "Das hat er jetzt aber ein wenig zu hoch sterilisiert."

Leo Neugebauer war dagegen hinten raus voll relaxed. "Gold hat nicht geklappt, aber Silber. Das zählt. Ich hab mein Ding gemacht und es hat gereicht." Von Neugebauers sympathisch-fröhlichem Fazit ließ sich auch Breyer anstecken. "Er hat nicht Gold verloren, er hat Silber gewonnen." Das wurde vorgestern auch über das Bogenschützen-Duo gesagt. Wird das der "deutsche Satz von Paris"? Und wenn ja: Wäre das dann schön oder nicht?