Joko und Klaas gegen Stefan Raab: Das Vermächtnis von ProSieben
Wenn Stefan Raab einst der König von ProSieben war, mit seinen unzähligen Shows und Auszeichnungen, sind Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf seine Kronprinzen. Was aber eint sie in ihrem kreativen Schaffen und was trennt sie? Der (unmögliche) Versuch, eines Vergleichs.
Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, gehärtet in den Moderatoren-Talentschmieden von Viva und MTV, haben sich gemeinsam aus dem Musikfernsehen-ZDFNeo-Spartensumpf bis an die Spitze ProSiebens moderiert. Am Dienstag nun läuft ihre neue Show „Joko und Klaas gegen ProSieben“ an. Der vielleicht größte Vertrauensbeweis des Senders – doch dazu später mehr.
In der jüngeren TV-Vergangenheit genoss eigentlich nur ein Medienschaffender so viel Narrenfreiheit im privaten Senderumfeld zur besten Sendezeit: Stefan Raab. Deshalb ist es an der Zeit, den Ruheständler Raab für einen kleinen Vergleich mit dem Duo Winterscheidt/Heufer-Umlauf heranzuziehen (ab hier der Einfachheit halber: JuK). Wie sehen die Konzepte im Vergleich aus? Wie ist das Niveau der Produktionen und wie groß sind eigentlich die Erfolge?
Die Konzepte
Hier gibt es eine Parallele, die ihre Art, Fernsehen zu denken, vergleichbar macht: sowohl Raab als auch JuK zogen ihre Stärke oft aus Anarchie. Beispielhaft an dieser Stelle Raab, der Prominenten Ständchen („Raabigramme“) brachte und dabei echte Momente, ja, wahre Emotionen, bei den Besungenen provozierte. Damals etwas Rares im durchchoreografierten und hochglanzpolierten Privatfernsehen.
Mit der Nummer wäre #Raab mit Sicherheit im #Recall gelandet! #DSDS #Bohlen #tvtotal https://t.co/diIWlh0tKU
— TVtotal (@TVtotal) January 13, 2016
Genauso JuK, die schon früh in ihren Sendungen die Spartenfreiheit in etwa „MTVHome“ oder „neoParadise“ für allerlei Sperenzchen zu nutzen wussten. Stark war, als sie Olli Schulz als „Charles Schulzkowski“ auf die Berlinale schickten, der betrunken den roten Teppich crashte oder ihr „Gosling-Gate“, als sie einen Ryan-Gosling-Darsteller statt des Originals zur „Goldenen Kamera“ anmeldeten und ihn auch gleich noch den Preis entgegennehmen ließen. Mit solchen Aktionen zeigten sie immer wieder die zerbrechliche Kulissenhaftigkeit der TV-Branche.
Viel Gleiches – viel Verrücktes
Sowohl Raab als auch JuK haben stundenweise Fernseh-Gold produziert. Doch dazwischen war auch viel Ausschussware. Letztlich war ein Teil ihrer Arbeit höchst originell und innovativ, die allermeisten ihrer Konzepte ähnelten sich im Kern aber sehr.
J&K haben ihr erstes gemeinsames Format, MTVHome, bis zu ProSieben und Circus Halligalli konserviert – etwas ausgefeilter, aber letztlich immer an die großen amerikanischen Late-Night-Shows angelehnt. Auch was ihre Primetime-Sendungen angeht, hat sich die ursprüngliche Idee eines Zweikampfs durchgezogen. Was man ihnen lassen muss – groß maskiert haben sie das nie: „Duell um die Welt“, „Das Duell um die Geld“, „Die beste Show der Welt“, „Mein bester Freund“, „My Idiot Friend“…
Anders, aber nicht sehr
Auch in „Joko & Klaas gegen ProSieben“ gibt es wieder einen Wettstreit, nur dass sie ab Dienstag gemeinsam gegen ihren Haussender antreten. In insgesamt vier Shows, die in jeweils sieben Disziplinen ausgetragen werden, fordern sie „das gesamte Universum der roten Sieben“ heraus. Die Erwartungen sind hoch, preist ProSieben die Show doch seit geraumer Zeit vollmundig wie ein Box-Promoter seinen besten Kämpfer auf der Kirmes an.
Der Wetteinsatz zeigt dabei, wie weit es JuK gebracht haben: gewinnt das infernale Duo, überlässt ihm ProSieben einen 15-minüten Sendeplatz am darauffolgenden Tag. Und zwar um 20.15 Uhr. Das eigentliche Serien-Programm wird dafür nach hinten geschoben. Kurios: Die beiden haben beim Inhalt absolute Narrenfreiheit, so will sich ProSieben laut Branchendienst „DWDL“ sogar vorab von dem Gezeigten distanzieren.
Von TV Total bis zum Promi-Turmspringen
Sie wandeln damit zwar auf den Spuren Raabs. Doch wie der einst ProSieben ganz nach seinen Wünschen bespielte, war doch von anderer Qualität. Zunächst nur mit TV Total, das er zwar nie groß weiterentwickelte. Doch weil die (erste deutsche) Late-Night-Show ohnehin nur einem groben inhaltlichen Plan folgte, konnte er in unzähligen Segmenten jahrelang ein Kreativ-Feuerwerk abfeuern. Das führte konsequenterweise zu einem werktäglichen Sendeplatz.
Die 60 TV Total-Minuten waren ihm aber bald nicht genug – er expandierte und schuf erfolgreiche Konzepte wie „Schlag den Raab“, die er sogar international mit großem Erfolg verkaufte. Raab allein revitalisierte die Samstag-Abend-Unterhaltung, er schaffte es, dass man bis weit nach Mitternacht vor dem Fernseher saß und zwei Erwachsenen beim Fingerhakeln oder Ping Pong zuschaute und mitfieberte.
#Hendrik und #Julia dürften mit dem Verlauf des Abends recht zufrieden sein ... #SdR #DankeStefan pic.twitter.com/iLCntv4aGi
— TVtotal (@TVtotal) December 19, 2015
Doch damit nicht genug, er schickte auf ProSieben Prominente zum Turmspringen, ließ sie in Woks den Eiskanal hinabrauschen, setzte sie auf Pferde beim Springreiten oder in Stock Cars zum Verunfallen, er erfand das Quiz-Boxen und Autoball, er schmiss Bowling-Abende und Poker-Nächte, setzte eine Mini-Olympiade um und lud zum Beachvolleyball. Und die Liste ließe sich noch lange weiter fortsetzen.
Hervorzuheben ist noch, dass er irgendwann zwei seiner größten Talente vereinte: Musik und Fernsehen. So nahm er sich dem deutschen Beitrag zum „Eurovision Song Contest“ an, fand und produzierte Lena Meyer-Landrut und gewann mit ihr in Oslo. Dafür dürfte ihm Schlager-Deutschland ewig dankbar sein.
Kritik und Erfolge
Die Erfolge Raabs und JuKs lassen sich kaum in einem Artikel auflisten – es sind schlicht zu viele. Auffällig ist, dass beide nicht nur Unterhaltungs-Preise gewonnen haben wie den „Fernsehpreis“, „Comedypreis“, „Echo“ oder die 1Live Krone“, sondern auch Preise für gesellschaftliche Leistungen („Grimme-Preis“) oder Innovationen („Goldene Henne“). Raab sammelte zudem zahlreiche Musik- („Echo“), Sport- („Herbert“) und Live-Event-Auszeichnungen („Rose d’Or“) für Leistungen vor und, als Produzent, hinter der Kamera.
Ein Unterschied in der Rezension der Arbeit Raabs und JuKs ist hingegen die Ausrichtung derselben: Während JuK eher nach oben (oder sich gegenseitig) treten, also die Reichen und Mächtigen ins Visier nehmen, kamen Raab zwischendrin auch immer mal wieder Medien-Unerfahrene vor die Flinte. Zahlreiche Klagen zeugen davon, darunter „Verletzung der Persönlichkeitsrechte“, „Verletzung des Rechts am eigenen Bild“ oder „Verletzung des Urheberrechts“.
Sowas haben JuK (noch) nicht vorzuweisen. Doch, was man gern vergisst, die beiden sind zwar schon seit über einem Jahrzehnt im Geschäft, sie probieren sich aber noch aus. Mittlerweile verfolgen sie Solo-Projekte, die zwar von der Quote her weniger erfolgreich sind, dafür mehr ihren persönlichen Interessen entsprechen. Heufer-Umlauf verfolgt seine offensichtliche Vorliebe an der Politik und Winterscheidt verbringt seine Zeit mit Start-Ups und Investitionen.
Ein Vergleich ist wenig sinnvoll
Sowohl JuK als auch Raab zählen zu den absoluten Ausnahme-Erscheinungen – nicht nur auf ProSieben, sondern im deutschen Fernsehen überhaupt. Sie zu vergleichen ist dennoch wenig sinnvoll, sie sind eher eine Konsequenz. Raab hat Maßstäbe gesetzt im Entertainment. Er hat vieles erst möglich gemacht, in einer viel verstockteren Zeit des Fernsehens. Davon profitieren heute JuK immens. Nicht nur genießen sie Freiheiten, die Raab einst ausreizte, sondern durften sie auch das Unterhaltungs-Vakuum füllen, das Raab nach seinem Ruhestand bei ProSieben hinterlassen hatte.
Apropos Ruhestand: Mindestens das machen JuK besser. Sie wechseln das Format, wenn sie es überdrüssig sind und folgen stattdessen ihren Interessen. Wo TV Total mit der Zeit zur leblosen Sende-Hülle wurde und Raab sich nur noch lustlos von der Anmoderation bis zur Abmoderation lavierte und letztlich sogar seine TV-Karriere beendete, gehen JuK einen Schritt zurück und regeln ihre Screentime herunter. Damit sie, so die Hoffnung, der Fernsehlandschaft noch lange erhalten bleiben.
UPDATE
Weil JuK ihr erstes Duell gegen ProSieben gewonnen haben, durften sie am Tag darauf den Sender kapern und 15 Sende-Minuten zur Primetime nach Belieben füllen. JuK haben ihren Gewinn auch auf YouTube veröffentlicht. Es lohnt sich, reinzuschauen: