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Junges DFB-Team bezwingt Russland: Eine Halbzeit gut geforscht

Eine extrem junge DFB-Mannschaft hat Russland klar mit 3:0 besiegt. Die Emanzipation der neuen Generation Nationalspieler schreitet voran, auch wenn der Sieg gegen die Sbornaja überschaubar viel Aussagekraft liefert.

Die DFB-Elf feierte in Leipzig einen Erfolg gegen Russland. Bild: Getty Images
Die DFB-Elf feierte in Leipzig einen Erfolg gegen Russland. Bild: Getty Images

Der überragende Mann des Abends setzte an dessen Ende zu einem Plädoyer an. Serge Gnabry, der beim Sieg gegen Russland wie alle seine Mitspieler lediglich in Halbzeit eins gut war (dort dafür aber richtig gut), stellte klar: Das Alter der Spieler spielt auf dem Platz keine Rolle.

Die Debatte um zu alte Spieler bekommt Gnabry aktuell an zwei Fronten mit. Einmal beim FC Bayern, der ältesten Bundesligamannschaft, dem im Sommer ein großer Umbruch bevorsteht; und einmal bei der Nationalmannschaft, die sich nach dem schlechtesten Jahr der DFB-Geschichte schon im Wandel befindet. In der sich gerade eine neue Generation emanzipiert von den 2014er-Weltmeistern.

Gnabrys Aussagen waren auch nicht auf die Thomas Müllers und Mats Hummels‘ dieser Welt bezogen, die beide gegen Russland auf der Bank Platz nehmen mussten. Sondern fielen angesprochen auf Kai Havertz. Der ist 19, Stammspieler bei Leverkusen und hatte Gnabry beim 3:0 einen Pass mit so viel Gefühl serviert, wie mancher Profi nach einer ganzen Karriere noch nicht in seinen Füßen hat. Gnabry fragte also: Warum soll man den – als den jungen Havertz – dann nicht auch spielen lassen?

Löws radikaler Kurs gegen Russland

Eine Frage, die sich etwas allgemeiner formuliert nicht wenige gestellten haben in diesem Jahr, spätestens nach dem Debakel bei der WM in Russland. Es hat viele Misserfolge gebraucht, damit Löw in seinem Kadermanagement radikaler geworden ist. Gegen Russland fehlten viele seiner alten Helden: Jerome Boateng war nicht nominiert, Toni Kroos bekam eine Pause, Julian Draxler blieb aus persönlichen Gründen fern, Hummels und Müller saßen auf der Bank, Marco Reus meldete sich kurzfristig mit einer Fußprellung ab. Genau zwei Spieler waren in der Startelf älter als 25: Antonio Rüdiger und Kapitän Manuel Neuer.

Diejenigen, die schon lange nach den jungen Wilden geschrien hatten, durften sich am Donnerstagabend somit bestätigt gefühlt haben. Denn die junge Mannschaft spielte gut, und die Jüngsten spielten am besten: Leroy Sane und Gnabry im Angriff, Havertz als ballsicherer Spielgestalter, Thilo Kehrer mit Traumpässen aus der Defensive heraus. Jugend forscht auf hohem Niveau, zwei der drei Treffer, die zum 1:0 und 3:0, waren klasse herausgespielt; schnell, zielstrebig, präzise. “Wir haben es geschafft in die Tiefe zu gehen”, lobte der Bundestrainer den Auftritt in der ersten Hälfte. “Wir haben Dynamik hergestellt und aufrechterhalten bis zum Anschluss. Wir hatten mehr Zug zum Tor.” Dafür, das verriet Löw, habe es eine eigene Videoschulung für die Offensiven gegeben.

Die herrschende Zufriedenheit bei allen Beteiligten war also gerechtfertigt, dennoch waren die Aussagekraft des Sieges und die tatsächliche Leistungsfähigkeit der jungen Mannschaft aus zwei Gründen nicht wirklich klar zu benennen. Zum einen wegen der in der ersten Halbzeit extrem passiven Russen, die all das Gute, was die DFB-Kicker anstellten, auch mit den besten Wünschen durchwinkten. Und zum anderen, weil die Mannschaft im zweiten Abschnitt, als die Gäste aggressiver und höher standen und tatsächlich auch mitspielten, schnell in Unordnung verfiel. “Wir haben in der Offensive nicht mehr die Raumaufteilung gehabt und haben vorne die Positionen verlassen”, mahnte Löw das “Durcheinander” an.

Niklas Süle traf gegen die Russen zum zwischenzeitlichen 2:0. Bild: Getty Images
Niklas Süle traf gegen die Russen zum zwischenzeitlichen 2:0. Bild: Getty Images

Nach Toren 3:0, nach Wechseln 6:6

Die vielen Wechsel, auf beiden Seiten waren es zwischen der 55. und 78. Minute jeweils sechs an der Zahl, taten ihr übriges. Bis auf eine Hand voll zu unpräzise ausgespielter Konter bekam das verhaltene Publikum in Leipzig, wo viele tausend Sitz leer blieben, nicht mehr viel zu sehen in den zweiten 45 Minuten.

Nichtsdestotrotz war das 3:0 wohltuend für die geschundene DFB-Seele. Mehr als zwei Tore bei einem Sieg der Nationalmannschaft gab es letztmals beim 5:1 gegen Aserbaidschan – im Oktober 2017, vor über einem Jahr also. “Der Sieg hat einen großen Stellenwert für uns”, sagte Kapitän Neuer. Man habe ein “schwieriges Jahr durchleben müssen”, in dem man auch “nicht alles dafür getan” habe, dass jedes Heimspiel ausverkauft sei.

Der Sieg gegen Russland war zumindest ein weiterer, kleiner Schritt in die erhoffte Richtung: gute Ergebnisse, viele Tore und ein junges Team, das begeistert. Und demütig bleibt. “Es macht immer Spaß mit den Jungen zu spielen”, sagte Havertz, der dann so schnell hinterher schob, dass man von “Älteren am meisten lernen kann”, dass er kurz ins Stocken geriet, ob man “Ältere” jetzt überhaupt sagen sollte. Einen “guten Weg” attestierte auch Süle, der nach einer Ecke zum 2:0 getroffen hatte. Er würde “nie öffentlich” den Stammplatz von Hummels oder Boateng einfordern. Nie öffentlich? Und innerlich? Süle musste Grinsen. “Beide sind immer noch Wahnsinnsspieler. Ich habe so viel von ihnen gelernt. Und werde noch viel lernen.”