"Ich könnte einschlafen!" - Neue ProSieben-"Liveshow" verärgert Anwohner - und langweilt Teilnehmer

Schauplatz einer neuen ProSieben-Spielshow war nicht das Studio. Murmeln in die Waggons einer Modelleisenbahn wurden in den Wohnzimmern zweier Bochumer Familien geworfen. In der Knoopstraße war es darob recht laut. Das sorgte für Ärger. Die meisten Zuschauer vor dem Fernseher dürften indes eher ratlos gewesen sein.

Für die nervigsten Minuten eines stinknormalen Alltags sorgt mitunter der Wasserkocher. Dauert vor dem Kaffee in der Früh doch oftmals eine gefühlte Ewigkeit, bis das blöde Ding endlich erhitzt, oder?

Für ProSieben scheinen diese Geräte indes eine hochspannende Angelegenheit zu sein. In dem neuen Format "Die Liveshow bei Dir zuhause" ließ der Sender doch glatt zwei Wasserkocher gegeneinander "antreten". Welcher von beiden werde wohl schneller bei 100 Grad brodeln? Im Splitscreen war das Duell zu sehen. Moderator Matthias Opdenhövel, einer der Spielleiter neben Steven Gätjen, sprach davon, es sei, wie Gras beim Wachsen zuzusehen. Vernichtender kann ein "Gastgeber" die eigene Party wohl kaum bewerten.

Der Zuschauer musste da schon fast Mitleid mit Anja Köhn haben. Die 45-jährige Krankenschwester versprach sich gemeinsam mit Ehemann Marc Brötz und Bruder Dennis den "vielleicht adrenalinreichsten Abend unseres Lebens". Gehofft hatte sie darauf, weil ja das Fernsehen zu ihr heim nach Bochum in die Knoopstraße 25 gekommen war. Der Clou an dem Format sollte sein, dass laut ProSieben "zahlreiche Sport-, Spaß- und Geschicklichkeitsspiele" eben nicht im Studio stattfinden. Sondern in Wohnzimmern oder Küchen. Eben bei Familie Brötz-Köhn, die "Ö's", wie es der Einfachheit halber immer wieder hieß. Oder bei den Kurtboz', den Nachbarn von den "Ö's", in der Hausnummer 23.

Nun aber hatte "Sport, Spaß und Geschicklichkeit" mit dem Anschalten eines Wasserkochers herzlich wenig zu tun. Die Live-Sendung lief zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als zwei Stunden. Ratlosigkeit machte sich breit. Bei den Zuschauern vor dem Bildschirm, erst recht bei Aylin Tezel. Die "Tatort"-Kommissarin sollte gemeinsam mit Gil Ofarim sowie Moderatorin Sonya Kraus und Schauspieler Tom Beck den gegeneinander um ein mögliches Preisgeld in Höhe von 90.000 Euro spielenden Familien Unterstützung geben. Doch sie fragte: "Wollen wir das nicht etwas schneller machen"?

"Kommentieren, wie ein Stück Butter in der Pfanne schmilzt"

Mit ihrer Kritik hatte Tezel schon ziemlich Recht, wenn sich Spiele wie Murmeln in die Waggons einer rollenden Modelleisenbahn werfen, Schuhe auf eine Leine schleudern oder 250 Gramm Butter zum Schmelzen bringen ewig in die Länge zogen. Ja, übrigens, Butter läuft in sich zusammen, wenn sie in einer Pfanne liegt und einer die Herdplatte auf Vollgas aktiviert. Kommentator Elmar Paulke raunte aus dem Off: "Das wird eines meiner Highlights. Zu kommentieren, wie ein Stück Butter in der Pfanne schmilzt."

Da sah der Zuschauer also Butter beim Schmelzen zu. Wirklich aufregend war das nicht. Oder wie Dennis, immerhin ein teilnehmendes Familienmitglied der "Ö's", kommentierte: "Ich könnte einschlafen!" Spannender dagegen war da schon die Vorgeschichte. Bochumer Anwohner der Knoopstraße hatten sich beschwert darüber, dass der Aufbau für die Liveshow massiv Dreck, Lärm, Umwege oder fehlende Parkplätze verursache. Sogar der Stadtrat musste deshalb einschreiten und beschwichtigte.

Ob des Ärgers beteuerten die Moderatoren Opdenhövel und Gätjen immer wieder artig, dass laut Absprache die Sendung bestimmt um "halb eins" vorbei sei. Dann herrsche wieder Ruhe in der Siedlung in Bochum-Weitmar.

Anlass für die Entschuldigung war, dass "adrenalinbefreite" Spiele wie Schuhe auf eine Leine werfen in der Knoopstraße eben auch in einem aufgebauten "Mini-Stadion" für 340 Besucher stattfanden. Diese Zuschauer waren überraschenderweise nach Mitternacht immer noch gut gelaunt. In einem Finale, in dem Familie Kortbuz ihren Gewinn auf 66.000 Euro hätte verdoppeln können, freute sich das Publikum darüber, dass ein Flummiball doch nicht gefangen werden konnte.

So war die großartig angekündigte Liveshow nicht erst nach den angekündigten ganzen vier Stunden vorbei und auch noch vor "halb eins". Es soll in 14 Tagen tatsächlich eine zweite Ausgabe von "Die Liveshow bei Dir zuhause" geben, Ort, Straße, Familien, Umfeld werden noch geheim gehalten. Möglicherweise bis in alle Ewigkeit.