Kandidat Ince zieht sich aus Präsidentschaftsrennen in Türkei zurück
Kurz vor der ersten Runde der Präsidentenwahl in der Türkei ist der Erdogan-Gegner Muharrem Ince überraschend aus dem Rennen ausgestiegen - was die Chancen der Opposition bei der Schicksalswahl am Sonntag verbessern dürfte. "Ich ziehe meine Kandidatur zurück", sagte der Vorsitzende der Partei Memleket (Vaterland) am Donnerstag. Mit dem Verzicht Inces dürften sich die Aussichten für Kemal Kilicdaroglu, den wichtigsten Herausforderer von Staatschef Recep Tayyip Erdogan, auf einen Wahlsieg erhöht haben.
In den Umfragen hatte Ince nur bei zwei bis vier Prozent der Stimmen gelegen. Der 59-Jährige sagte auf einer Pressekonferenz über seinen Rückzug: "Ich tue dies für mein Land." Der säkuläre Nationalist ist erklärter Erdogan-Gegner und war bereits bei der Präsidentschaftswahl 2018 gegen den Staatschef angetreten. Damals holte er als Kandidat der sozialdemokratischen CHP 30,5 Prozent.
2021 gründete Ince die Vaterlands-Partei und machte bei der nun anstehenden Wahl mit seiner Bewerbung Kilicdaroglu, dem gemeinsamen Kandidaten eines Sechs-Parteien-Bündnisses, Stimmen abspenstig. Damit handelte er sich heftige Kritik aus dem Oppositionslager ein, das ihm vorwarf, mit seiner Kandidatur Erdogan zu einer weiteren Amtszeit zu verhelfen.
Würde die Opposition am Sonntag verlieren, so würde sie ihm "alle Schuld" geben, sagte Ince zur Begründung für seinen Rückzug. "Ich will nicht, dass sie eine Ausrede haben." Ince gab jedoch keine Wahlempfehlung ab.
Der 59-Jährige war zuletzt auch Opfer einer Schmutzkampagne geworden. In Onlinediensten wurden unter anderem gefälschte Fotos von ihm mit Frauen und in extravaganten Autos geteilt, um ihn zu diskreditieren. Mehrere Vertreter seiner Vaterlandspartei hatten ihre Posten bereits niedergelegt und erklärt, dass sich Inces Kandidatur negativ auf die Chancen Kilicdaroglus auswirken könnte.
In der Türkei werden am Sonntag ein neuer Präsident und ein neues Parlament gewählt. Der seit 20 Jahren zunächst als Ministerpräsident und seit 2014 als Präsident regierende Erdogan könnte abgewählt werden.
Der CHP-Vorsitzende Kilicdaroglu liegt in den meisten Umfragen einige Prozentpunkte vor Erdogan und verfehlt demnach nur knapp die 50-Prozent-Marke. Als dritter Kandidat ist noch der Nationalist Sinan Ogan im Rennen, der nach Einschätzung von Beobachtern am ehesten Erdogan Stimmen kosten wird. Sollte keiner der Kandidaten im ersten Durchgang mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten, treten die beiden Bestplatzierten zwei Wochen später in einer Stichwahl gegeneinander an.
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