Karl-Theodor zu Guttenberg - „Hättest ja nicht so dumm parken müssen“, sagt mir der Hanuta-Mann im Sportwagen

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Karl-Theodor zu Guttenberg.Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

Mein Auto ist schmutzig. Sehr schmutzig. Die Windschutzscheibe gleicht einem Gemälde von Jackson Pollock. Ein sommerliches Insektenkaleidoskop. Hinzu kommt das tagelange Parken neben der Großbaustelle. Nicht wirklich Ausdruck überbordender Intelligenz.

Politiker unserer Tage würden wohl von „unterkomplexem Denken“ sprechen. Das derzeit gängigste Zitat, um den Gegner mit standesgemäßer Liebenswürdigkeit zu überziehen.

Als schließlich auch meine erwachsenen Kinder auf das dreckige Gefährt verweisen, droht die verbliebene Autoritätsschwelle ins Bodenlose zu sinken. Hatte man den Nachwuchs doch über Jahre mit der Maßgabe malträtiert, das eigene Hab und Gut pfleglich zu behandeln.

Pflichtschuldig manövriere ich die motorisierte Fliegenfalle zur nächsten Tankstelle. Es ist Feierabend. Ich rechne mit einer längeren Wartezeit. Manchen Landsleuten wird bekanntlich nachgesagt, eine Autowäsche schütte bei ihnen mehr Glückshormone aus als die Heimkehr in die Arme der Lieben.

Zu meiner Überraschung bin ich der einzige Kunde. Ich stelle den Wagen etwas versetzt zur Einfahrt der Waschanlage ab, da ich noch ein Ticket benötige. Falls jemand vor mir bezahlt haben sollte, wäre genug Platz um vorbeizufahren. Eine bittere Fehlkalkulation.

Als ich aussteige, rauscht ein sorgsam gepimpter Sportwagen in die Lücke. Und mir fast über die Füße.
Der Fahrer bleibt zunächst im Auto sitzen. Nun gut, denke ich mir, wahrscheinlich hat er bereits ein Billett. Ich gehe an ihm vorbei und in den Tankstellenshop.

Sein Auto glänzt als hätte er es heute bereits zweimal geputzt. Nicht mal Fliegen auf der Scheibe. Ich suche nach dem deutschen Begriff für OCD (obsessive compulsive disorder). Im Zweifel ist es aber lediglich eine romantische Beziehung. Weshalb nicht für seinen Verbrenner brennen?

Während ich meine Autowäsche begleiche, schlendert der Glanzfanatiker in den Shop.

An der Waschanlage stelle ich fest, sein Wagen steht immer noch vor der Einfahrt. Die Rückkehr verzögert sich. Offenbar kauft er noch den Laden leer. Irgendwann trödelt er um die Ecke. In den Händen eine Cola, ein „manager magazin“ und mehrere Hanutas.

Ich frage ihn, ob er mich nicht freundlicherweise vorlassen würde. „Selber schuld. Hättest ja nicht so dumm parken müssen“, Hanuta bröselt aus seinen Mundwinkeln. Auch meine Fassung beginnt zu bröseln.

 

Er fährt ungerührt in die Waschanlage. In meiner Fantasie remple ich (äußerst versehentlich) an den Notknopf der Anlage und befreie ihn mit dem Dampfstrahler von seinen Einkäufen. Ich lasse ihn aber gewähren. Manchmal ist man schlechten Manieren schlicht ausgeliefert.

Sie begegnen uns überall. In sozialen Medien, den Führungsetagen der Wirtschaft und selbst an Tankstellen. Unterkomplexes Verhalten? Nicht zwingend. Oft sind es aber einsame Menschen - Rücksichtslosigkeit verwehrt den Blick auf jene, die hinter einem stehen könnten.

Als ich die Autowäsche verlasse, beginnt es zu regnen. Der Himmel kann gelegentlich ziemlich rücksichtsvoll sein.