Bundesverfassungsgericht begrenzt BKA-Rechte bei Datenspeicherung und Überwachung
Die Befugnisse des Bundeskriminalamts (BKA) beim Erheben und Speichern von Daten gehen teilweise zu weit. Beim BKA-Gesetz muss nachgebessert werden, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Dienstag entschied. Dabei geht es um die heimliche Überwachung von Kontaktpersonen und um die Speicherung von Daten in einem polizeilichen Informationsverbund. (Az. 1 BvR 1160/19)
Das Gericht begrenzte und präzisierte die Rechte, die das BKA dabei hat. Eine Verfassungsbeschwerde von Anwältinnen, Mitgliedern der organisierten Fußballfanszene und einem politischen Aktivisten mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hatte damit teilweise Erfolg.
Die bisherige Regelung erlaubte es unter bestimmten Umständen, auch Menschen zu überwachen, die selbst nicht unter Verdacht stehen - aber Kontakt zu Terrorverdächtigen haben. Um eine solche Überwachungsmaßnahme zu rechtfertigen, muss es aber eine "spezifische individuelle Nähe der Betroffenen zu der aufzuklärenden Gefahr" geben, wie Gerichtspräsident Stephan Harbarth sagte.
In der aktuellen Form verstößt die Regelung dem Urteil zufolge gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Es müsse eine gewisse Eingriffsschwelle definiert werden, entschied das Gericht.
"Wir hatten insbesondere auch Strafverteidigerinnen vertreten und deren Risiko, jetzt von tiefgreifenden Überwachungsmaßnahmen des BKA betroffen zu sein, ist gesunken", sagte der GFF-Verfahrensbevollmächtigte Bijan Moini dazu.
Das Gericht beanstandete zudem eine Regelung zur Speicherung von Daten im polizeilichen Informationssystem, auf das auch Länderpolizeien zugreifen. Dabei ging es um die Daten von Beschuldigten, nicht um bereits wegen einer Straftat Verurteilte. Sollen die Daten in dem Verbund gespeichert werden, muss zuvor geprüft werden, ob eine Straftat wirklich sehr wahrscheinlich ist.
Dafür muss es tatsächliche Anhaltspunkte geben, wie das Gericht ausführte. Für eine Prognose könnte das BKA etwa die Art und Schwere einer vorherigen Tat, die Persönlichkeit des Betroffenen und vorherige strafrechtliche Verurteilungen berücksichtigen.
Außerdem könne die Wahrscheinlichkeit anhand der Delikte begründet werden. Hier nannte das Gericht verschiedene Kriminalitätsbereiche als Beispiele, etwa Terrorismus, organisierte Kriminalität, Schleusung und Menschenhandel. Es müsse eine angemessene Dauer der Speicherung festgelegt werden.
Die Regelungen gelten aber vorläufig mit bestimmten Maßgaben des Gerichts weiter, bis das Gesetz geändert wurde. Das muss bis spätestens Ende Juli 2025 geschehen. Schon 2016 hatte das Gericht eine frühere Fassung des BKA-Gesetzes teilweise für verfassungswidrig erklärt. Später wurde das Gesetz reformiert. Um diese 2018 zu Zeiten der großen Koalition in Kraft getretene Neufassung ging es nun.
Eine der Beschwerdeführerinnen, die zur Urteilsverkündung angereist war, zeigte sich erleichtert. Das Gericht habe festgestellt, dass es eine große Schwelle für die Datenspeicherung geben müsse und nicht jeder oder jede "einfach in der Datenbank landen kann", sagte sie.
Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Louisa Specht-Riemenschneider, sah "die bisherige Kontroll- und Beratungspraxis meiner Behörde" bestätigt. Sichergestellt bleibe, "dass die Polizei handlungsfähig ist", erklärte sie. "Aber es dürfen auch keine Daten ins Blaue gespeichert werden, wenn Menschen kein Fehlverhalten vorzuwerfen ist."
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) erklärte, es stehe außer Frage, dass die gerügten Befugnisse entsprechend angepasst werden müssten. "Der verlässliche Schutz der inneren Sicherheit Deutschlands vor Terrorismus und weiteren schwersten Straftaten macht die Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden mit modernen Ermittlungsbefugnissen und -instrumenten jedoch unabdingbar", erklärte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Alexander Poitz.
Der Deutsche Journalistenverband begrüßte das Urteil. "Das ist ein Sieg für die Pressefreiheit", teilte der Bundesvorsitzende Mika Beuster mit. Vor allem Journalistinnen und Journalisten, die in kriminellen Milieus recherchierten, würden profitieren.
Mehrere Reaktionen nahmen Bezug auf die von der aktuellen Bundesregierung geplante Überarbeitung des BKA-Gesetzes. So sagte Moini von der GFF in Karlsruhe, es stelle sich die Frage, "ob es angemessen ist, in dem Tempo jetzt neue Verschärfungen durchzubringen, die möglicherweise wieder hier landen".
Für die Grünen erklärten die parlamentarische Geschäftsführerin Irene Mihalic und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz, mit Blick auf die derzeitigen Verhandlungen über das Sicherheitspaket zeige sich, "wie richtig und wichtig es war, das heutige Urteil abzuwarten". Fehler der Vergangenheit sollten nicht wiederholt werden.
Der Deutsche Anwaltverein forderte: "Bevor weitere Datenbestände zusammengeführt werden, bedarf es einer Diskussion darüber, wie polizeiliche Datenspeicherung verfassungskonform ausgestaltet werden kann."
smb/cfm