Karriere - Gutes Aussehen hilft oft beim Joberfolg - außer ihr Chef ist eine Frau

So wichtig ist das Aussehen heute noch für den beruflichen Erfolg.<span class="copyright">Getty Images/Xavier Lorenzo</span>
So wichtig ist das Aussehen heute noch für den beruflichen Erfolg.Getty Images/Xavier Lorenzo

Wer Karriere machen möchte, muss auf vieles achten. Doch wie wichtig ist das Aussehen heute noch für den beruflichen Erfolg? Schaden Tattoos und Hautfarbe? Leadership-Profi Kishor Sridhar klärt auf und sagt auch, woran wir alle an uns arbeiten können.

Wie wichtig ist das Aussehen, um Karriere zu machen?

Einige Vorurteile bestätigen sich, andere hingegen sind überholt. Tatsächlich haben psychologische Effekte einen Einfluss auf die Erfolgschancen im Job. Wer vorankommen will, sollte diese Effekte nicht nur kennen, sondern auch einfache Kniffe nutzen, um sie zu überwinden.

Lassen Sie uns ein Gedankenexperiment machen: Stellen Sie sich eine IT-Fachkraft mit Expertise in einer komplexen Softwaresprache vor. Visualisieren Sie diese Person. Wie sieht sie aus, wie benimmt sie sich? Ehrlich gesagt: Haben Sie an eine blonde Frau mit manikürten Fingernägeln gedacht? Oder war Ihr mentales Bild eher das Gegenteil? Die blonde Frau würde man wahrscheinlich eher zur Marketingabteilung schicken, während der Nerd mit seinem seltsamen T-Shirt umworben wird. Das ist nicht fair, aber wir sind von Klischees geprägt.

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Dieses Gedankenspiel illustriert den psychologischen Effekt der Autoritätsverzerrung. Wir neigen dazu, Menschen, die das Klischee einer Autorität in ihrem Gebiet verkörpern, mehr herbeizusehnen und zu vertrauen als jenen, die dieses Klischee brechen. Ein Arzt sollte einen weißen Kittel tragen; in Jeans und T-Shirt nehmen wir ihn weniger ernst. Tattoos sind heutzutage üblich und wenn eines im Sommer unter einem Ärmel oder am Knöchel hervorblitzt, ist das nicht mehr irritierend. Doch einem Rechtsanwalt mit einem auffälligen Hals-Tattoo traut man weniger, es sei denn, man selbst ist Mitglied einer Biker-Gang aus dem Rotlichtmilieu.

Wie beeinflusst Kleidung unser Denken?

Wer Karriere machen will, sollte sich entsprechend kleiden, um Erwartungen zu erfüllen. Karriere-Coach Lydia Büttner, die Führungskräften dabei begleitet, ihre Traumpositionen zu erreichen, bestätigt dies: „Grundsätzlich sollte die Kleidung an die Position und das Unternehmen angepasst sein. Um hier einen Eindruck zu bekommen, hilft es, sich auf den Webseiten und Social Media Accounts der potenziellen Arbeitgeber umzusehen. Ein gepflegtes und professionelles Erscheinungsbild ist immer ein Zeichen der Wertschätzung und unterstreicht die Kompetenz. Viele Führungskräfte unterschätzen das.“

Aber auch hier gibt es einen entscheidenden Punkt laut Lydia Büttner: „Je mehr die Aufmerksamkeit der Interviewer durch Auffälligkeiten wie zu viele oder auch sehr offensichtlich teure Accessoires, überstylte Frisuren, zu aufdringlicher Duft oder Sonnenbrille im Haar abgelenkt wird, desto weniger bleibt an Erinnerung an den Inhalt und die Kompetenzen der Unterhaltung mit dem Bewerber. Im Umkehrschluss führt dies dann zu einer schlechteren Positionierung im Bewerbungsprozess.“

Doch passende Kleidung wirkt nicht nur auf andere, sondern auch auf das eigene Denken. Eine Studie aus dem Jahr 2021 in der Zeitschrift 'Social Psychological and Personality Science' von Thomas Meran und anderen hat gezeigt, welche starke Wirkung formelle Kleidung auf die Leistungsfähigkeit von Menschen hat. In der Studie sollten 361 Teilnehmer verschiedene Führungsaufgaben lösen. Diejenigen, die Anzug oder Kostüm trugen, konnten sich signifikant besser konzentrieren, abstrakter denken und zeigten bessere Führungsqualitäten. Nicht umsonst ist man im Home Office produktiver, wenn man nicht im Pyjama herumlümmelt.

Behindert dunkle Hautfarbe die Karriere?

Aber wie ist es mit Eigenschaften, die man kaum ändern oder vermeiden kann, wie Attraktivität oder Hautfarbe? Dunkle Hautfarbe ist in Deutschland bis heute oft ein Handicap, zumindest zu Beginn, da man in den ersten Sätzen zeigen muss: 'Ich komme von hier, ich bin gebildet und kann genauso gut sprechen'. Das reflexhafte 'Sie sprechen aber gut Deutsch' des Gegenübers ist selten diskriminierend, sondern meistens anerkennend gemeint. Der Konter 'Ihr Deutsch ist aber auch nicht schlecht' führt oft zu einem Lacher und löst die Situation.

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Solche kleinen Barrieren haben selten mit Diskriminierung zu tun, sondern eher mit Klischees und vorgefertigten Meinungen in unseren Köpfen. Wie oft wurde selbst ich, der nicht skandinavisch aussieht, schon im Zug auf Englisch angesprochen, bis wir lachend bemerkten, dass Deutsch unsere Muttersprache ist. Dennoch kann es bei einem Gesprächsbeginn oder einer Bewerbung zu kleinen Hürden kommen. Das sollte man nicht persönlich nehmen. Eine Videobewerbung kann hier schnell Barrieren lösen.

Gutes Aussehen – Förderlich oder Karrierebremse?

Dann gibt es noch die Frage nach der Attraktivität, die tatsächlich die Karrierechancen beeinflussen kann. Generell zeigen die meisten Studien, dass gutes Aussehen in allen Branchen durchaus förderlich sein kann. Es gibt jedoch Ausnahmen, wie eine Studie der Psychologen Maria Agathe und Matthias Spörrle von der Ludwig-Maximilian-Universität aus dem Jahr 2011 gezeigt hat: Frauen tendieren dazu, attraktivere Geschlechtsgenossinnen weniger wahrscheinlich einzustellen als jene, die nicht so attraktiv sind. Warum das so ist, wurde in der Studie nicht belegt, aber jeder kann sich seine eigene Meinung hierzu bilden.

Karriere-Coach Lydia Büttner kann hier aus eigener Erfahrung berichten. Als sie sich auf einen technischen Beruf bewarb, wurde ihr im Bewerbungsprozess skeptisch die Frage gestellt, ob sie sich sicher sei, dass sie mit einem Schraubenzieher umgehen könne und ob sie kein Problem damit hätte, auf den Knien die Pumpen des Gerätes zu tauschen. Gleichzeitig wurde sie dabei zweifelnd gemustert, während sie im Anzug und hohen Schuhen im Gespräch saß.

Lydia Büttner rät hier zu klaren Aussagen und appelliert gleichzeitig auch an den Bewerber oder die Bewerberin, solche Aussagen oder Zweifel nicht persönlich zu nehmen und mit Humor sowie einer glaubwürdigen Story diese Zweifel zu widerlegen: „Wir haben ja nur diesen ersten Eindruck in dem Gespräch und denken als Menschen eben gern auch schnell in Schubladen. Da können wir uns sicher alle nicht freisprechen.“

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Nein, es ist natürlich nicht fair, dass Attraktivität Karrierechancen steigern oder mindern kann. Aber deshalb gleich zum Schönheitschirurgen zu rennen, um sein Aussehen zu verändern, ist nicht die Lösung. Denn es gibt einen Faktor, der alles andere überwiegt.

Welchen einen Faktor kann jeder beeinflussen für den Karriereturbo?

Was also tun, wenn man nicht wie ein Model aussieht oder sich perfekt kleiden kann oder das Tattoo nicht vollständig verstecken kann? Auch hier hat Karriere-Coach Lydia Büttner eine Empfehlung: Die optische Wirkung ist das eine, aber letztendlich zählt die Ausstrahlung und die Stimmung, die ich durch meine innere Haltung im Gespräch erzeugen kann.

Wie wirken wir als Person? Wie wirkt der Augenkontakt, unser Lächeln, unsere Körpersprache? Sind wir authentisch? Wie geben wir die Hand? Das sind Aspekte, die jeder trainieren und lernen kann. Letztendlich geht es darum, die Sympathie des Gegenübers zu gewinnen und eine gute Beziehung in Form eines ehrlichen Kennenlernens zu erschaffen. Wir machen uns greifbarer durch konkrete Beispiele, die unsere Kompetenz belegen. Doch dürfen gleichzeitig auch mit Klarheit Stellung beziehen. In meiner Arbeit mit Führungskräften sehe ich immer wieder, dass man hier die Erfolgschancen drastisch steigern kann, Karriere zu machen.

Im Grunde genommen ist die berufliche Karriere also kein Schönheitswettbewerb. Wir wollen alle mit Menschen arbeiten, die sympathisch sind, Wärme ausstrahlen und kompetent sind. Kleidung kann man ändern, Tattoos kann man vermeiden oder kaschieren. Letztlich gilt immer noch: Der erste Eindruck zählt und das Aussehen ist wichtig. Aber wer wir als Mensch sind, unser Charisma und wie wir auf andere wirken, entscheidet wirklich über unsere Erfolgschancen. Das ist etwas, woran jeder arbeiten kann.