Gaza-Krieg: Katar zieht sich als Vermittler zurück - Experten warnen vor Hungersnot
Katar zieht sich als Vermittler aus den indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas über eine Waffenruhe und die Geiselfreilassungen zurück. Die Katarer hätten beide Seiten sowie die USA darüber informiert, "dass sie nicht weiter vermitteln können, solange es eine Weigerung gibt, in gutem Glauben über eine Vereinbarung zu verhandeln", hieß es am Samstag aus Diplomatenkreisen. Nach palästinensischen Angaben wurden am Samstag bei israelischen Angriffen im Gazastreifen mindestens 14 Menschen getötet.
Nach den Angaben aus Diplomatenkreisen teilte Katar der US-Regierung seine Bereitschaft mit, wieder zwischen Israel und der Hamas zu vermitteln, wenn beide Seiten "die aufrichtige Bereitschaft zeigen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren".
Zusammen mit den USA und Ägypten hatte Katar seit einer einzigen Waffenruhe im November vergangenen Jahres in indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas vermittelt. Die damalige Waffenruhe hatte eine Woche gedauert und die Freilassung von im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln im Austausch für palästinensische Gefangene in israelischer Haft ermöglicht.
Das Emirat erklärte den Diplomatenangaben zufolge nun, dass auch das Hamas-Büro in Doha mit Katars Rückzug aus den Vermittlungen keine "Daseinsberechtigung" mehr habe".
Ein Vertreter der Hamas sagte der Nachrichtenagentur AFP am Samstag, dass die Palästinenserorganisation nicht zum Verlassen des Golfemirats aufgefordert worden sei. "Wir haben nichts, um zu bestätigen oder zu entkräften, was von einer unbekannten diplomatischen Quelle veröffentlicht wurde, und wir haben keine Aufforderung erhalten, Katar zu verlassen", sagte der Hamas-Vertreter.
Die Hamas hat mit Billigung der USA seit 2012 eine politische Repräsentanz in Doha. Vor dem Hintergrund der Verhandlungsbemühungen hatten die USA und das Emirat erklärt, der Fortbestand des Hamas-Büros in Doha sei sinnvoll, so lange es die Kommunikation erleichtere.
Im April hatte Katar bekanntgeben, es werde seine Rolle als Mediator neu bewerten. Die Hamas-Führung verlegte ihr Büro daraufhin kurzzeitig in die Türkei, wie jetzt aus Diplomatenkreisen bekannt wurde. Auf Verlangen Israels und der USA zogen die Islamistenführer demnach nach zwei Wochen wieder nach Doha zurück.
Seitdem gab es zahlreiche Verhandlungsrunden, bei denen jedoch kein Ergebnis erzielt wurde. Die Hamas und Israel beschuldigen sich gegenseitig, eine Einigung zu blockieren. Im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahl vergangenen Dienstag hatten Washington und Doha erneut erfolglos versucht, einen Durchbruch zu erreichen.
Katar sei zu dem Schluss gekommen, dass es bei den Vermittlungsversuchen "immer mehr um Politik und Wahlen, als um ernsthafte Friedensbemühungen geht", hieß es von der diplomatischen Quelle weiter. Das Emirat teilte der US-Regierung, Israel und der Hamas demnach mit, es werde sich nicht für politische Zwecke instrumentalisieren lassen, die zu Lasten Katars gehen und "die öffentliche Wahrnehmung fehlleiten".
Unterdessen wurden die Kämpfe im Gazastreifen fortgesetzt. Bei israelischen Angriffen wurden nach Angaben des örtlichen Zivilschutzes in der Nacht zu Samstag mindestens 14 Palästinenser getötet. Bei einem Luftangriff auf "Zelte von Vertriebenen" im südlichen Gebiet von Chan Yunis seien mindestens neun Menschen, darunter Kinder und Frauen, getötet worden, erklärte der Sprecher der Zivilschutzbehörde im Gazastreifen, Mahmud Bassal.
Weitere fünf Menschen starben demnach, als "israelische Kampfflugzeuge die Fahad-Al-Sabah-Schule" in der Stadt Gaza trafen. Bei beiden Vorfällen wurden laut Bassal zudem zahlreiche weitere Menschen verletzt.
Die israelische Armee gab an, sie habe "dutzende Terroristen" in Dschabalija nördlich der Stadt Gaza getötet. Dort gibt es seit mehr als einem Monat wieder verstärkt Luftangriffe und Bodeneinsätze. Israels Armee will nach eigenen Angaben verhindern, dass sich die Kämpfer der Hamas dort neu gruppieren. Auch im Gebiet von Rafah im Süden des Gazastreifens wurden Armeeangaben zufolge Hamas-Kämpfer getötet.
Experten warnten angesichts der Verschärfung der Kämpfe und der fast vollständigen Einstellung von Lebensmittellieferungen in den Gazastreifen vor einer "unmittelbaren und erheblichen Wahrscheinlichkeit einer Hungersnot". Die Situation verschlechtere sich derzeit schnell, teilte das Famine Review Committee, eine Expertengruppe zur Bewertung der Ernährungssicherheit, in einem Bericht mit.
Diese Einschätzung wird von der UNO unterstützt. Dem Bericht zufolge gelangen derzeit so wenige Hilfslieferungen in den Gazastreifen wie noch nie seit Oktober 2023.
Die israelische Armee stellte die Glaubwürdigkeit des Berichts in Frage. Die zugrundeliegenden Daten seien lückenhaft und parteiisch und stammten von "oberflächlichen Quellen mit Eigeninteressen", hieß es.
Der Krieg im Gazastreifen war durch den brutalen Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 mit laut israelischen Angaben 1206 Toten ausgelöst worden. Zudem wurden 251 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Von den 97, die sich weiterhin dort befinden, sollen 34 bereits tot sein.
Nach dem Hamas-Angriff startete Israel einen massiven Militäreinsatz im Gazastreifen. Angaben des von der Hamas geführten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen zufolge wurden dabei bisher mehr als 43.500 Menschen getötet, mehrheitlich Zivilisten. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen, die UNO stuft sie als glaubhaft ein.
kü/yb