Werbung

Katarina Witt öffnet für ARD-Doku ihre Stasi-Akten: "Das ist verrückt, ich war sieben!"

Im Rahmen des Thementags "30 Jahre Deutsche Einheit" porträtierte eine ARD-Doku den einstigen DDR-Superstar Katarina Witt. Die einstige Eiskunstläuferin blickte auf ihre Karriere zurück. In ihren lange vergessenen Stasi-Akten stieß sie zudem auf überraschende Fakten.

Sie gehört zu den wenigen Ostdeutschen, die internationalen Starruhm erlangten. Ihre Olympiasiege in den Jahren 1984 und 1988 machten die Eiskunstläuferin Katarina Witt weltweit bekannt. Doch auch jenseits des Spitzensports verstand es die inzwischen 54-Jährige, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen: Mit der Produktion "Carmen on Ice" tourte sie Anfang der 1990-er durch die USA und trat nebenbei in zahlreichen Werbespots auf. Doch ihr Ruhm hatte auch seine Schattenseiten, insbesondere in ihrem Heimatland, der DDR. Wie diese aussahen, zeigte am Samstag eine Dokumentation, die im Ersten zum Schwerpunkt "30 Jahre Deutsche Einheit" lief.

Der Film, den Jobst Knigge realisiesrte, beginnt in Chemnitz, einem "Zentrum des Leistungssports", wo Katarina Witt aufwuchs. Beim Besuch der städtischen Eishalle erinnert sie sich an die Anfänge ihrer Karriere: "Dass ich das Eis entdeckt habe, das war wirklich reiner Zufall." Ihr Kindergarten sei nicht weit entfernt gewesen. Schon bald wurde sie "sechs, sieben Stunden" an sechs Tagen in der Woche von Jutta Müller, die schon damals ein "Mythos" in der Welt des Eissports gewesen sei, trainiert. Mit acht Jahren delegierte sie Katarina an die Kinder- und Jugendsportschule, wo sie fortan mit den älteren und erfahreneren Schülerinnen trainierte.

Schon mit sieben Jahren im Fokus der Stasi

Schon damals habe sich die DDR-Staatssicherheit mit ihrem Talent beschäftigt: "Ohne Überwachung gab es keine Förderung", erklärt die Doku. Welches Ausmaß diese Überwachung wirklich besaß, begriff Witt allerdings erst, als sie für den Film ihre seit Jahrzehnten im Keller verstauten Stasi-Akten öffnete: "Die Witt wohnt bei ihren Eltern und sie haben ein gutes Verhältnis", las Witt daraus vor. "Sie wird als ein hübsches und sehr sympathisches Mädchen geschildert, das sehr viel Ehrgeiz besitzt". Auf "moralischem Gebiet", heißt es in den Unterlagen weiter, gebe es "keine negativen Erscheinungen".

"Das ist ja verrückt", meinte Witt. "Ich war sieben, und dann hat man sich schon mit meiner gesamten Familie beschäftigt!" In der DDR sei dies jedoch keine Seltenheit gewesen: "Sportler sind in der DDR Diplomaten im Trainingsanzug", heißt es hierzu im Film. "Gleichzeitig hofiert und überwacht haben sie viele Privilegien."

Nicht nur Katarina Witt kommt in dem 45-minütigen Film zu Wort. Auch Gabriele Seyfert, Weltmeisterin 1969 und 1970, erinnert sich an Wettkämpfe außerhalb der DDR: "Vor jedem Wettkampf gab es eine Einweisung." Kontakte zu westlichen Sportlern sollten, so weit es geht, vermieden werden. Mit einer Ausnahme: "Die Preisrichter, die musstest du begrüßen, auch wenn die aus England kamen oder aus Amerika, ganz egal." Das hätten jedoch auch die Funktionäre verstanden und "ein bisschen weggeguckt".

"Du hattest ein bisschen das Gefühl, als ob du in den Krieg ziehst"

Bei den Olympischen Spielen in Sarajevo gewann Witt mit gerade einmal 18 Jahren ihre erste Medaille. Eine Erleichterung, denn auf ihr lastete ein großer Druck: Der Sport im Osten sei auch sehr als Politik genutzt worden, erklärte Witt. "Entweder du gewinnst oder du stirbst." Sie fuhr fort: "Du hattest ein bisschen das Gefühl, als ob du in den Krieg ziehst."

Welche Chancen sich aus dem Olympiasieg für sie ergeben hätten, habe Witt erst nach der Wende erfahren: Ein mit über einer Million Dollar dotierter Vertrag von der Modelagentur-Managerin Eileen Ford beispielsweise sei von ihrem Sportverband komplett ignoriert worden.

"Spitzensport und Stasi - das gehört in der DDR zusammen", bilanziert die Doku. Dutzende inoffizielle und hauptamtliche Mitarbeiter seien damals auf sie angesetzt gewesen. Eine Flucht in den Westen kam für die junge Frau dennoch nie infrage: Sie wäre sich "wie eine Verräterin" vorgekommen an ihrem Land und all jenen, die es ihr ermöglicht hatten, ihren Sport kostenlos auszuüben. Heute würden diese Gedanken vielleicht absurd klingen, meinte Witt, doch so seien sie ihr mit 13 Jahren eingetrichtert worden.

Die zweite Medaille brachte Privilegien

Nach ihrem zweiten Sieg bei den Olympischen Spielen in Calgari 1988 beendete Witt ihre Profi-Karriere. Zuvor handelte sie allerdings noch einen Deal mit der Staatsführung aus: Wenn sie dem Land einen zweiten Olympiasieg brächte, dürfe sie hinterher in einer Show auftreten. Einer, der ihr zu diesem Deal verhalf, war Egon Krenz, ehemals Mitglied des SED-Politbüros. Für die Doku traf Witt ihn wieder. Dabei erfuhr sie etwas für sie Neues: Der amerikanische Milliardär Armand Hammer hätte an Erich Honecker geschrieben und Witt ein großartiges Angebot gemacht. Dieses sei in ihrem Namen jedoch abgelehnt worden. Die vielen internationalen Anfragen hätten ihr aber dennoch einige Vorteile und Privilegien beschert.

Doch die Überwachung durch die Stasi ging weiter: Am 7. Oktober 1989, dem Tag der Republik, sei Witt im Palast der Republik eingeladen gewesen. Auch Michail Gorbatschow sei dort gewesen. Als sie ihn jedoch ansprechen und ihm für seine revolutionären Ideen gratulieren wollte, sei ein anderer Genosse dazwischengegangen und habe sie in ein Gespräch verwickelt. Einen weiteren Schritt habe sie aus Angst um ihre Karriere nicht gewagt.

Als Kati Witt Donald Trump eine Abfuhr erteilte

Den Mauerfall erlebte Katarina Witt in Spanien. In Sevilla probte sie für "Carmen on Ice", als der Produzent kam und sagte: "Die Mauer ist gefallen!" Als sie später in ihrem Hotelzimmer die Fernsehbilder sah, habe sie sich gefragt: "Wie soll das jetzt weitergehen?" Ihre ganze Welt sei zerbrochen, erklärte auch die Choreografin Sandra Bezic, die damals mit Witt zusammenarbeitete.

1990 ging Katarina Witt in die USA, begann mit Brian Boitano zu touren. Mit der Show "Carmen on Ice" gewann sie einen Emmy, trat in Hunderten Shows auf und verpasste dem heutigen US-Präsidenten Donald Trump eine Abfuhr. Dieser habe daraufhin eine Hasskampagne gegen sie gestartet, über die Witt heute allerdings lachen kann: "Ich habe ihn dann auch nie wieder gesehen."

Doch auch dieser Erfolg hatte seinen Preis: "Mein Leben hatte eigentlich überhaupt keine Struktur mehr", erklärte Witt. Durch eine einmalige Sonderregelung der Internationalen Eislaufunion durfte Witt zusammen mit anderen ehemaligen Profis bei den Olympischen Spielen 1994 erneut antreten. Im Nachhinein, so erzählt Witt, sei dies ein "nach Hause Kommen" gewesen und ein "Ankommen im gemeinsamen Deutschland".

Seit ihrem Karriereende 2008 lebt Witt zurückgezogen. Ihr Leben mit seinen Sonnen- und Schattenseiten habe sie vorsichtig gemacht, hieß es. Witt hingegen fasste es anders zusammen: "Du nimmst die Dinge, wie sie sind, und versuchst, das Beste daraus zu machen."