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Intensivstationen schlagen Alarm: "Kinder sterben, weil wir sie nicht versorgen können"

Intensivstationen schlagen Alarm: "Kinder sterben, weil wir sie nicht versorgen können"

In Deutschland schlagen die Intensiv- und Notfallmedizinerinnen und -mediziner Alarm. Fast alle Plätze für Kinder auf den Intensivstationen sind belegt. Zugleich meldet das Robert-Koch-Institut, dass die Zahl der an schweren Atemwegserkrankungen leidenden Kinder weiter ansteigt. Zudem hat die Grippewelle früher begonnen als sonst.

Prof. Dr. med. Florian Hoffmann ist Oberarzt auf der interdisziplinären Kinderintensivstation am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er berichtet auf der Pressekonferenz der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) in Hamburg vom Alltag mit der täglichen Überlastung. Er sagt: "Es ist nicht selten, dass Kinder bis zu 48 Stunden auf der Notaufnahme bleiben müssen, wo sie eigentlich gar nicht bleiben sollten."

Kinderintensivmedizin "immer über dem Limit"

"Wenn man immer über dem Limit fährt, nagt das an der Qualität", erklärt Dr. Hoffmann, der eine Umfrage bei den Kinderkliniken gemacht hat. Wenn die Bedingungen optimal wären, gäbe es mehr als 600 Betten, aber etwa 40 Prozent der Bettenkapazität fallen weg, weil es nicht genug Personal gibt. Es stehen nur etwa 360 Betten in der Kindern-Intensivmedizin zur Verfügung. An diesem einen Morgen der Umfrage waren nur 87 Betten frei, was durchschnittlich bestenfalls ein Bett pro Klinik ist.

"Wir sehen: Gefragt nach den Intensivkapazitäten zeichnet sich ein Bild, dass deutschlandweit, egal ob Norden, Süden, Osten oder Westen, durchschnittlich 40 Prozent der Kinder-Intensivbetten wegen Personalmangel gesperrt sind. Bei rund 80 Prozent der Befragten fehlt Pflegepersonal, es fehlen teilweise aber auch Ärzte", resümiert Sebastian Brenner.

Jede zweite Klinik muss jeden Tag Kinder zurückweisen, weil kein Platz mehr ist, wie Florian Hoffmann Prof. von den Kinderintensivstationen erfahren hat.

Dr. med. Sebastian Brenner von der Kinderklinik Dresden beschreibt die hohe Belastung von Ärztinnen und Ärzten in der Intensivmedizin. Viele von ihnen arbeiten in Teilzeit, weil sie die Arbeitsbelastung nicht aushalten können.

Doch auch die Pflegekräfte leisten hochkomplexe Arbeit an schwer erkrankten Kindern über das Limit hinaus, wie Julia Daub aus Tübingen berichtet. Sie spricht von einer Abwärtspirale und fordert auch eine Lobby für die Pflegeberufe. Auch auf den Normalstationen werde jetzt gut ausgebildetes Personal gebraucht, weil pädiatrische Patienten, die auf Intensivstationen sein sollten, auf Normalstationen behandelt werden.

Pflegerinnen und Pfleger sowie Ärztinnen und Ärzte begleiten zum Teil in ihrer Freizeit Transporte von schwer erkrankten Babys und Kindern. Denn die Begleitung bei Transporten ist während der Arbeitszeit nicht handelbar.

"Kinder sterben, weil wir sie nicht mehr versorgen können"

Dr. med. Michael Sasse von der Klinik für Pädiatrische Kardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin Hannover sagt: "Kinder sterben, weil wir sie nicht mehr versorgen können." Und er unterstreicht, dass dieser Satz nicht zu widerlegen sei. Die Hochversorger können aktuell nicht für alle ihre Arbeit leisten, weil keine Plätze mehr frei sind. Auch in Hannover bekomme er Anfragen aus Berlin.

Die enorme Infektwelle in diesem Winter ist laut Sasse getriggert durch die Covid-Jahre.

Die gesamte Divi-Pressekonferenz können Sie sich hier anschauen.

In den USA ist jetzt zudem beobachtet worden, dass der Anteil der an RSV erkrankten Kinder, die zuvor Covid-19 hatten höher ist, als der Kinder, die sich nicht mit dem Coronavirus angesteckt hatten. Offenbar ist eine Covid-19-Infektion also ein Risikofaktor für das RS-Virus.

Zudem erklären Forschende, dass es möglich ist, dass Kinder sich gleichzeitig mit dem Coronavirus und dem RS-Virus infiziert haben. Das macht die Erkrankung natürlich umso schlimmer.