Kaufen Wohnung ungesehen - Paar will nach Thailand auswandern: „Besseres Leben zum kleineren Preis“
Jörg (59) und seine Frau Annemarie (63) verbringen seit 2020 die Wintermonate in einer Seniorenresidenz in Thailand – und wollen nun im kommenden Jahr ganz dorthin auswandern. Für den ehemaligen IT-Experten liegt die Entscheidung auf der Hand: Das Leben wird deutlich günstiger werden – und dabei sehr viel unbeschwerter.
FOCUS online: Sie haben in einem Auswanderer-Podcast erzählt, dass Sie sich 2020 spontan entschieden haben, nach Thailand zu gehen. Was heißt spontan?
Jörg: Dass es bis zu diesem Zeitpunkt keine Pläne gab, Österreich zu verlassen. Meine Frau war bereits seit zwei Jahren in Rente, ich war noch voll im Beruf.
Aber irgendetwas in Ihrem Leben muss so gewesen sein, dass Sie dachten, woanders wäre es besser – oder?
Jörg: Überhaupt nicht. Wir haben uns rundum wohlgefühlt. Die Freunde, die Nachbarschaft, das soziale Netz – alles hat gepasst. Und unsere Wohnung in der Wiener Seestadt sowieso. Ich glaube kaum, dass man in Wien besser wohnen kann.
Das heißt?
Jörg: Die Seestadt ist ein innovatives Stadtentwicklungsprojekt, die Lebensqualität ist fantastisch. Hier gibt es zum Beispiel den Seestadtsee, der wurde extra ausgebaggert. Ich bin ein Wassermensch, ohne Wasser kann ich nicht leben. Das Wasser ist für mich ein zentrales Thema auch in Thailand.
„Die Idee, nach Thailand zu gehen, war Zufall“
Aber deswegen sind Sie nicht ausgewandert… Sie hatten doch den See, nicht wahr?
Jörg: Das stimmt. Die Idee, nach Thailand zu gehen, war Zufall. Wortwörtlich. Es ist uns zugefallen.
Erzählen Sie.
Jörg: Meine Frau und ich saßen vor dem Fernseher und sahen eine Reportage über dieses Seniorenresort, „Lotuswell“. Die gut 200 Bewohner des Resorts kommen größtenteils aus Europa.
Die Anlage ist einmalig. Klar, auch andere Resorts haben einen Pool. Aber eher zum Hin und Her schwimmen. In unserer Anlage gibt es nicht nur einen Pool, sondern zahlreiche Wasserkanäle. Sie führen vom Pool zu den Bungalows oder Appartments der Resortbewohner. Mitten durch üppigen Urwald!
Die Reportage zeigte Menschen, die durchs Paradies schwimmen. Glasklares Wasser, darüber sich neigende Bäume und Sträucher. Ich habe meine Frau angesehen und sie mich und wir wussten beide: Da wollen wir leben.
Eine Blitzentscheidung also?
Jörg: Tatsächlich wären wir damals, 2019, am liebsten sofort aufgebrochen. De facto wollten wir 2020 los, aber dann kam Corona. Gegangen sind wir schließlich Ende 2021. Direkt mit den ersten Lockerungen.
Was heißt das: Sie sind gegangen? Für immer weg aus Wien, einfach so?
Jörg: Das war eigentlich der Plan von Anfang an, aber beim ersten Mal waren wir relativ kurz vor Ort. Ich war damals als IT-Experte in einem Anstellungsverhältnis, habe mir sechs Wochen Urlaub genommen.
Wir wollten uns ein Bild verschaffen, dann nochmal zurück nach Wien und final entscheiden.
2020: 110-Quadratmeter-Luxus-Wohnung ungesehen gekauft
Sie meinen, ob Sie im Resort eine Immobilie kaufen?
Jörg: Das war bereits geschehen. Wir haben unsere 110-Quadratmeter-Luxus-Wohnung schon 2020 gekauft. Ungesehen. Für etwas mehr als 100.000 €. Sowohl Annemarie als auch ich hatten dieses Bauchgefühl: Das ist der richtige Schritt.
Und? Hat sich das Gefühl bestätigt?
Jörg: Zugegeben, auf der dreistündigen Fahrt von Bangkok zum Resort hatte vor allem meine Frau Zweifel. Das lag aber an der Pandemie und daran, dass in Thailand in dieser Zeit ziemlich viel Müll herumlag.
Das Land wirkte dreckig, irgendwie verfallen, immer wieder sah man mitten in der Landschaft Abfallplätze mit Bergen von Müll. Mittlerweile hat sich das wieder geändert, aber das wussten wir damals natürlich nicht.
Wie war der erste Eindruck der Anlage?
Jörg: Super sauber und wunderschön. Wirklich ein Paradies. Es gibt circa 100 Angestellte, die das Grün pflegen, die Wohnungen putzen und das Wasser reinigen.
Letzteres ist für Sie als „Wassermensch“ vermutlich sehr wichtig…
Jörg: Tatsächlich bin ich direkt nach unserer Ankunft in den Kanal gesprungen. Von der Haustür haben wir es gerade mal 10 Meter bis zum Wasser.
Es war wie erwartet: Ich bin durch Urwald geschwommen, bis ich nach gut einem Kilometer zum Pool gelangt bin. Dort gibt es eine Poolbar. Zur Anlage gehört außerdem ein Restaurant, in dem wir anfangs viel gegessen haben.
Jetzt nicht mehr?
Jörg: Wir gehen immer noch sehr viel essen, eigentlich immer. Aber inzwischen auch viel auswärts. Die Küche unserer Wohnung war komplett eingerichtet, als wir kamen, aber das war und ist nicht wichtig. Wir kochen nicht.
„Die Qualität des Essens ist traumhaft“
Sondern?
Jörg: Egal, ob Frühstück oder Abendessen – Mahlzeiten nehmen wir grundsätzlich extern ein. Die Qualität des Essens ist traumhaft. Frische Früchte. Reif geerntetes Gemüse. Ehrlich, ich wusste nicht, dass Brokkoli so schmecken kann! Vom Preis ganz zu schweigen.
Pro Person rechnen wir für ein Abendessen mit Gemüse, Reis und Fleisch inklusive Getränk weniger als drei bis zehn Euro. Das europäische Essen, dass man hier auch bekommt, kostet deutlich mehr.
Frisch, lokal produziert, authentisch – so lieben wir das. Wir essen zu 90 Prozent thailändisch.
Entsprach die Unterkunft Ihren Vorstellungen?
Jörg: Und ob. Der Standard ist hoch. In Wien würde man für eine solche Wohnung das acht- bis zehnfache (?) bezahlen. Bei der Ankunft war die Wohnung leer, also sind wir gleich am nächsten Tag ein paar Dinge einkaufen gegangen.
Nur das Nötigste: eine Matratze, zwei Sessel, einen Fernseher, ein paar Lampen. Wir konnten kaum glauben, wie unkompliziert das alles lief.
Was meinen Sie?
Jörg: In Deutschland hätten wir uns für den Transport der Möbel zur Wohnung ein Auto mieten müssen. Das ist wirklich sensationell in Thailand: Wenn du etwas kaufst, wird es dir gebracht. Und nicht nur das, die Möbel wurden sogar installiert. Alles gratis. Wir mussten uns um nichts kümmern.
Klingt so, als hätten Sie ziemlich schnell gewusst, dass Thailand der richtige Ort für Sie ist…
Jörg: Wir haben uns bei der Entscheidung, wo wir in Zukunft leben wollen, nicht unter Druck gesetzt. Sowohl für Annemarie als auch für mich, war klar: Das wird uns zufallen.
„Die Pandemie hat etwas mit den Menschen gemacht“
Wollten Sie dann nach den sechs Wochen überhaupt zurück nach Wien?
Jörg: Ja, ich wollte zurück. Wissen Sie, in dem Ressort sind ja nur ältere Menschen. Ich habe mich auf die Arbeit gefreut, vor allem darauf, wieder mit jungen Menschen in Kontakt zu sein. Zu dem Zeitpunkt dachte ich noch, ich brauche das.
Sehen Sie das inzwischen anders?
Jörg: Das kann man wohl sagen. Zurück in Wien ist mir aufgefallen, wie sehr die Menschen am Jammern sind. Die Alten sowieso, aber seltsamerweise auch die Jungen. Die Pandemie hat etwas mit den Menschen gemacht.
Ein Großteil der Gespräche in den europäischen Ländern dreht sich meinem Eindruck nach inzwischen darum, was alles passieren könnte, wenn… Dieser Stress, diese Ängste, das Grübeln macht die Menschen kaputt.
Ziemlich schnell wusste ich: Ich will wieder zurück, zu den fröhlichen Alten. Nach zehn Monaten sind wir zum zweiten mal nach Thailand aufgebrochen. Diesmal für sechs Monate.
Können Sie von Thailand aus arbeiten?
Jörg: Ich könnte vielleicht, wenn ich wollte. Aber ich will nicht.
Wovon leben Sie, wenn man fragen darf?
Jörg: Von der Rente meiner Frau und meinen Ersparnissen. Eine Zeit lang habe ich mich als Frührentner bezeichnet, aber das stimmt eigentlich nicht, denn ich habe keine Erwerbsminderungsrente oder so etwas.
Sagen wir einfach, ich bin Privatier. Sechs Monate Thailand jeweils von Oktober bis März und die anderen sechs Monate dann wieder Wien – so leben wir im Moment.
„Die Lebenshaltungskosten in Thailand sind viel niedriger“
Zwei Wohnsitze also. Das muss man sich leisten können…
Jörg: Die Wahrheit ist: Es ist günstiger, so zu leben, als das ganze Jahr über in Wien zu sein. Die Lebenshaltungskosten in Thailand sind viel niedriger.
Wenn wir alles zusammenrechnen, geben wir für uns beide zwischen 1500 und 2000 € monatlich aus. Damit würden wir in Wien nicht hinkommen. Ein besseres Leben zum kleineren Preis – für uns macht das Sinn.
Inwiefern ist das Leben in Thailand besser?
Jörg: Wo fange ich da an…?
Bei den fröhlichen Alten vielleicht?
Jörg: Gern. Im Resort gibt es wirklich kaum gestresste Menschen. Die Leute leben komplett so, wie sie wollen.
Für die meisten heißt das: lange schlafen, spät frühstücken und dann das Tun, worauf man eben Lust hat. Schwimmen, Golfspielen, zum Meer fahren beispielsweise.
Kein Jammern?
Jörg: Vereinzelt gibt es schon auch hier Leute, die maulen – aber wirklich nur ganz vereinzelt. Kein Vergleich mit Wien!
Und worüber jammern die Resort-Bewohner, wenn sie es denn doch tun?
Jörg: Ein Thema ist die Aufenthaltserlaubnis. Die Bestimmungen ändern sich von Jahr zu Jahr, das stresst manche. Mich selbst stresst das nicht. Ich nehme das eher als Herausforderung, es macht mir eher Spaß, mich da durchzuwursteln.
Eine andere Sache sind die Steuern. Da sollen in diesem Jahr Neuerungen kommen: Wer mehr als 180 Tage im Jahr in Thailand lebt, soll künftig Steuern auf sein Einkommen bezahlen. Das könnte auch die Rente betreffen.
Und das lässt Sie ebenfalls cool?
Jörg: Fakt ist: Die Umsetzung des Gesetzes ist noch unklar. Aber selbst, wenn die meisten europäischen Rentner, wird das nicht sonderlich hart treffen.
Ich sage es mal so: Ich gehe in der Regel nicht mit 500 € Rente nach Thailand. Wenn doch, dann habe ich ein Problem. Aber nochmal: Das ist die Minderheit.
Generell ist die Grundstimmung in Thailand nach wie vor extrem positiv. Ich hatte noch nie den Eindruck, wir könnten in diesen negativen Sog geraten, der mir in Österreich und in Europa insgesamt immer größer zu werden scheint.
„Es wird ein grandioser Jubel sein, ganz zu gehen“
So groß, dass Sie am liebsten ganz in Thailand wären?
Jörg: Das ist der Plan. Im kommenden Jahr wollen wir die Zelte in der alten Heimat ganz abbrechen. Zuletzt sind wir nur noch aus familiären Gründen zurückgekommen. Aber auf Dauer fühlt sich das Hin und Her einfach nicht richtig an.
Schmerzt Sie der Gedanke an den endgültigen Abschied denn gar nicht?
Jörg: Nein, es wird ein grandioser Jubel sein, ganz zu gehen.
Was nehmen Sie mit?
Jörg: Fast nichts. Was sollten wir mit dem Kram? Für unsere Wohnung haben wir bereits Nachmieter gefunden, die übernehmen alles.
Das klingt nach einem großen Loslassen.
Jörg: Und das ist auch gut so. Weg mit dem alten Zeug! Das Neue kommen lassen.
Hält das jung?
Jörg: Ich glaube schon. Ich werde 60, aber viele schätzen mich auf 40. Das Lebensgefühl in Thailand ist von Grund auf anders. Das macht was mit einem.
Was genau ist anders?
Jörg: Thailand ist ein buddhistisches Land. Man lebt im Hier und Jetzt. Damit tun sich Europäer schwer.
„Was ich an Thailand besonders mag: Es gibt hier diese allgemeine Lebensbejahung“
Hand aufs Herz: Sie nicht auch?
Jörg: Über vieles sind Annemarie und ich hinweg. Über dieses ständige Grübeln und Abwägen etwa. Das machen wir nicht mehr – und damit passen wir nach Thailand, denn die Menschen hier machen das auch nicht. Die tun einfach.
Natürlich geht dann auch mal was in die Hose. Aber so ist nun mal das Leben. Was ich an Thailand besonders mag: Es gibt hier diese allgemeine Lebensbejahung.
Kommen Sie als Ressort-Bewohner eigentlich mit Einheimischen in Kontakt?
Jörg: Bisher weniger, aber ich bin sicher, wenn wir ganz da sind, wird sich das ändern. Es werden Freundschaften entstehen.
Sprechen Sie Thailändisch?
Jörg: Nicht wirklich, aber auch das wird kommen. Mit dem Lernen fremder Sprachen tue ich mich leicht. Dazu kommt: Die Thailänder machen es einem leicht.
Wenn man nur zehn Worte Thai kann, ist man schon ein Held. Vor allem, wenn die Aussprache einigermaßen stimmt. Die Dankbarkeit, die einem dann entgegenschlägt, ist die reinste Freude. Und nicht nur das.
Es macht Spaß, den Arbeitenden in Thailand Trinkgeld zu geben. Man merkt: Was da zurückkommt, ist meistens echt.
„Dank uns geht es den Einheimischen besser, und uns geht es auch besser“
Was entgegnen Sie, wenn jemand sagt, Sie würden auf Kosten dieser Menschen ein Luxusleben führen?
Jörg: Dass das Gegenteil der Fall ist: Diese Menschen profitieren von uns. Wir bringen Geld und Jobs ins Land. Eine Win-Win Situation: Dank uns geht es den Einheimischen besser, und uns geht es auch besser. Viel besser.
Wenn ich sage „ich werde mit 120 sterben, weil ich von einem giftigen Frosch gebissen werde“, dann meine ich das in gewisser Weise durchaus ernst.
Gibt es giftige Frösche in Thailand?
Jörg: Es gibt hier viele giftige Tiere. Ein Nachbar im Resort ist unlängst von einer giftigen Schlange gebissen worden – er lebt noch. Ich weiß, manch einen belastet der Gedanke, dass sich diese Gefahr selbst in einer überwachten Anlage nicht komplett ausschließen lässt.
Und Sie belastet das nicht?
Jörg: Blödsinn. Die Gefahr, in Wien unters Auto zu geraten, ist doch unverhältnismäßig größer. Für die einen ist das Theorie, für mich ist das Realität. Vielleicht, weil ich gelernt habe, im Hier und Jetzt zu sein.
Thailand ist sicher der richtige Ort für diesen Lernprozess!