Kaum Reformbedarf - 99,7 Prozent Steuerrabatt für reiche Firmenerben - nur zwei Bundesländer wollen Neuregelung
Obwohl reiche Firmenerben die Erbschaftsteuer oft umgehen, sehen nur zwei Bundesländer akuten Reformbedarf.
Die Mehrheit der Bundesländer sieht trotz vieler Ungereimtheiten im Erbschaftsteuerrecht derzeit keinen Anlass für eine Reform. Das ergab eine Umfrage der „Süddeutschen Zeitung “ unter allen 16 Länderfinanzministern. Demnach plädieren mit Hamburg und Niedersachsen gerade einmal zwei Länder unmissverständlich für eine Neuregelung, die reiche Firmenerben nicht länger bevorzugt. Fünf weitere – Schleswig-Holstein, Hessen, Bremen, Thüringen und Baden-Württemberg – sind zumindest im Grundsatz zu einer Reform bereit. Die übrigen neun lehnen eine Korrektur entweder ab, beantworten die Frage gar nicht oder ziehen sich auf den Allgemeinplatz zurück, dass alle Gesetze ständig auf ihre Missbrauchsanfälligkeit hin überprüft würden.
Wie Daten des Statistischen Bundesamts jüngst gezeigt hatten, kommen gerade die reichsten Firmenerben oft um die Zahlung der Erbschaftsteuer herum. Demnach gab es im vergangenen Jahr 26 Fälle, in denen große Familienunternehmen verschenkt oder vererbt wurden. Nach einer Hochrechnung des Netzwerks Steuergerechtigkeit ging es dabei um ein Gesamtvermögen von etwa sieben Milliarden Euro, denn angesetzt wurden von den Finanzämtern Steuerforderungen in Höhe von 2,1 Milliarden Euro. Gezahlt wurden gemäß den ergangenen Steuerbescheiden am Ende aber lediglich 6,3 Millionen Euro, weil die Nutznießer der Übertragungen die Steuer angeblich nicht bezahlen konnten. Das entspricht einem Rabatt von 99,7 Prozent. Privaterben werden dagegen regelmäßig in voller Höhe vom Finanzamt zur Kasse gebeten.
Gesetzgebung beim Bund
„Das aktuelle komplizierte Recht mit umfassenden Ausnahmen und Privilegien ist missbrauchsanfällig. Dass man sich bei der Verschonungsbedarfsprüfung auf null rechnen kann, ist nicht länger akzeptabel. Es muss mindestens eine Mindestbesteuerung geben“, sagt der Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) der SZ. Sein niedersächsischer Amtskollege Gerald Heere (Grüne) plädiert für eine Reform, die dafür sorgt, „dass nicht vor allem kleine oder mittlere Erbschaften belastet werden, während große Erbschaften überproportional von Ausnahme- und Verschonungsregelungen profitieren“. Die Materie sei allerdings komplex, ein breiter politischer Konsens nicht in Sicht. Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) spricht sich zumindest im Grundsatz für ein „einfacheres und gerechteres Erbschaftsteuerrecht mit weniger Ausnahmetatbeständen einerseits und großzügigen Stundungsregeln andererseits“ aus.
In Angriff nehmen müsste eine solche Neuregelung allerdings Bundesfinanzminister Christian Lindner, denn die Länder streichen zwar die Erbschaftsteuereinnahmen von zuletzt 9,3 Milliarden Euro im Jahr ein, die Gesetzgebungskompetenz liegt allerdings beim Bund. Lindners Haus äußerte sich jedoch trotz wiederholter Aufforderung zunächst nicht zum Thema.