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Kein Geld, keine Akzeptanz: RBB will Pläne für Digitales Medienhaus beenden – und fast neun Millionen Euro "wegwerfen"

Monika Skolimowska/picture alliance via Getty Images - Copyright: Monika Skolimowska/picture alliance/Getty Images
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Es war das Luftschloss einer abgehobenen Medienmanagerin. Mit dem neuen "Digitalen Medienhaus" (DMH) wollte Patricia Schlesinger den klammen Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) ab Ende 2025 in eine glanzvolle Zukunft führen. Mittlerweile ist das kostspielige Vorhaben nur noch ein Baustein in der weitreichenden Affäre um die ehemalige Intendantin und den ehemaligen RBB-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf.

Als Business Insider im vergangenen Sommer begann, eine ganze Reihe von Verfehlungen, Missständen und Ungereimtheiten rund um das Duo aufzudecken, geriet nicht nur die gesamte RBB-Spitze ins Zwielicht. Die Enthüllungen um dubiose Beraterverträge, Vergaberechtsbrüche und ausufernde Baukosten führten auch dazu, die Pläne für den prestigeträchtigen Neubau vorerst auf Eis zu legen. Seither wird innerhalb des Senders der weitere Umgang mit dem Skandalprojekt sehr emotional diskutiert.

Nach Recherchen von Business Insider ließ die RBB-Spitze eine umfangreiche Analyse des Bauvorhabens erstellen. Ein Team um Produktionsdirektor Christoph Augenstein untersuchte wochenlang im Hintergrund jedes juristische und betriebswirtschaftliche Detail des Bauvorhabens. Drei Szenarien wurden dabei geprüft: Beendigung des Projekts, Weiterführung des Projekts und Fortführung in abgespeckter Form.

Wie aus internen Unterlagen, die Business Insider einsehen konnte, hervorgeht, kam die Analyse zu dem eindeutigen Schluss, das Bauvorhaben sofort und unwiderruflich abbrechen zu müssen. Es fehle im RBB nicht nur das nötige Geld für den immer teurer werdenden Neubau, sondern auch die Akzeptanz in der Belegschaft, so das Fazit. Dem Vernehmen nach hat sich die Geschäftsleitung dieser Auffassung angeschlossen und empfiehlt dem Verwaltungsrat in der kommenden Sitzung am 1. Dezember den Stecker für das DMH zu ziehen. Aus dem Gremium heißt es, dass man wohl einen entsprechenden Beschluss fassen werde. Ein RBB-Sprecher wollte sich auf unsere Anfrage zu dem Vorgang nicht äußern.

Mit der Beendigung des Projekts sind allerdings Verluste von Beitragszahlergeldern in Millionenhöhe verbunden. Mehr als drei Jahre lang hatte der RBB Zeit und vor allem Geld in das Digitale Medienhaus investiert. Im Mai 2020 stand der Entwurf nach einem Architektenwettbewerb fest. Anschließend begannen die Planungen auf Hochtouren. Etliche Berater, Juristen und weitere Dienstleister wurden beauftragt. Erst im vergangenen Juni erteilte der RBB einem Generalunternehmen den Zuschlag für das 188 Millionen Euro teure Projekt.

Laut Berechnung des Experten-Teams belaufen sich bei der Beendigung des Projekts die Kosten für die "Wegwerfplanung" auf 8,8 Millionen Euro. Diese Summe hat der RBB also für das Digitale Medienhaus in den Sand gesetzt. Mögliche Schadensersatzansprüche sind darin aber bereits einkalkuliert.

Allein für die Rechtsberatung zweier Kanzleien zahlte der RBB laut internen Projektpapieren fast eine Million Euro. Die Kanzlei Redecker erhielt nur einige Tausend Euro für die Begleitung von Förderanträgen. Mehr als 900.000 Euro rechnete dagegen die Kanzlei Luther für die juristische Beratung für das Projekt ab. Brisant: Wie aus internen E-Mails hervorgeht, hat der Sender noch eine dritte Kanzlei beauftragt, die allerdings nicht über das Projekt abgerechnet wurde, sondern direkt über die Intendanz. Demnach wählte der ehemalige Verwaltungsratschef und Immobilienunternehmer Wolf-Dieter Wolf einen Partner der Kanzlei Görg aus, um für das Kontrollgremium die Beauftragung von bestimmten Beratern und Anwälten zu bewerten. Dabei prüfte Görg ausgerechnet die intern umstrittenen Beauftragungen von Dienstleistern, die Wolf zuvor an den RBB vermittelt hatte und mit denen er damals eine Geschäftsbeziehung pflegte.

Für mehrere Zehntausend Euro schrieb Görg seit November 2021 juristische Einschätzungen, in denen die Kanzlei die bisherige Vergabepraxis absegnete oder einen angeblich gangbaren Weg für weitere Beauftragungen aufzeigte. Aus dem entsprechenden Schriftverkehr geht hervor, dass sich die Kanzlei bei ihrer Arbeit eng mit der Intendanz abstimmte. Offenkundig ging es auch darum, die damalige Juristische Direktorin des RBB, Susann Lange, mit dem Gutachten zu überzeugen.

Von der einstigen RBB-Spitze sind mittlerweile nur noch Produktionsdirektor Christoph Augenstein und Chefredakteur David Biesinger übrig. Intendantin Schlesinger wurde fristlos entlassen, gegen sie ermittelt die Staatsanwaltschaft. Verwaltungsdirektor Hagen Brandstätter ist seit Monaten krank und verabschiedet sich demnächst in den Ruhestand. Auch gegen ihn und die freigestellte Juristische Direktorin Susann Lange wird ermittelt. Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus hat kürzlich seinen Rückzug intern angeboten. Die Trennung ist wohl nur noch eine Frage des Geldes.

Unklar ist, wie und vor allem wo es mit den Mitarbeitern des RBB nun weitergeht. So gelten einzelne Bereiche (unter anderem Studio B und C) nach Beendigung des DMH-Projekts als nicht mehr nutzbar. Nach Einschätzung des Projektteams hat sich der Raumbedarf insbesondere durch die bewährten Maßnahmen während der Corona-Pandemie allerdings verändert. In jedem Falle müsse ein künftiges Konzept in enger Abstimmung mit der Belegschaft erarbeitet werden, heißt es.