Kein Kommentar? "Hart aber fair" kehrt mit "historischem Moment" aus der Sommerpause zurück
"Trump oder Harris?": Mit einem Talk über den US-Wahlkampf und die Auswirkungen der Wahl auf Europa kehrte "Hart aber fair"-Moderator Louis Klamroth am 5. August aus der Sommerpause zurück. Am Ende führte die Diskussion doch wieder zur militärischen Aufrüstung Deutschlands und dem Ukraine-Krieg.
Ab 2026 wollen die USA in der Bundesrepublik landgestützte Raketen stationieren, um Stärke gegenüber dem Putin-Regime zu demonstrieren. Worauf sich die Vereinigten Staaten und Deutschland im Juli am Rande des NATO-Gipfels in Washington geeinigt haben, sorgt seit Wochen für Irritationen: Russland drohte mit militärischen Maßnahmen und auch die Bevölkerung lehnt die Vereinbarung zur Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland mehrheitlich ab. In einer Forsa-Umfrage sprachen sich 49 Prozent dagegen aus, in Ostdeutschland waren es sogar 74 Prozent.
Auch bei der ersten Sendung von "Hart aber fair" nach der Sommerpause, zum Thema "Trump oder Harris - was steht bei der US-Wahl auf dem Spiel?", sorgte die Entscheidung für rege Diskussionen. "Die Welt hat andere Sorgen: Wir brauchen Geld, um Armut zu bekämpfen und nicht um Europa aufzurüsten", kritisierte ausgerechnet Ralf Stegner (SPD, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag) die zunehmende Militarisierung. Wollte Bundeskanzler Olaf Scholz durch seine Zustimmung den Kritikern in den eigenen Reihen zeigen, dass sie "keine Ahnung von Friedenspolitik" hätten? Die provokante Frage von Moderator Louis Klamroth beantwortete der Politiker ruhig: Die Diskussion wäre noch nicht zu Ende geführt.
Emotionaler reagierte Amira Mohamed Ali (Parteivorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht): Die Stationierung von Raketen "ist nicht in Deutschlands Interesse", berief sie sich auf eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Darin würde von einem erhöhten Nuklearrisiko für Deutschland gewarnt, betonte sie. ("Die Zusammenfassung habe ich sogar dabei", meinte sie auf Klamroths Bitte, ihm diese Studie für den Faktencheck zu schicken. "Sie jetzt live vorzulesen wäre keine gute Idee", reagierte der Moderator zu Lachern des Publikums im Studio.)
Während die Politiker des BSW und der AfD solche Maßnahmen als Eskalation bezeichnen, begrüßte Norbert Röttgen (CDU, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag) die Stationierung als Zeichen, dass sich die amerikanische Regierung, NATO und Deutschland gemeinsam für die Sicherheit Europas einsetzen würden. Denn man müsste sich darauf vorbereiten, dass es mit einem US-Präsidenten Donald Trump "höchtstwahrscheinlich eine andere Ukraine- und Russland-Politik" gäbe.
Jörg Wimalasena: "Ich bin bei allem raus, was nicht US-Politik betrifft."
"Schauen wir mal", lautete der nüchterne Kommentar von Jörg Wimalasena, dem politischen Korrespondenten der "Welt". In die innenpolitischen Debatte über die Stationierung von US-Raketen wollte er sich aber nicht einmischen: "Ich finde die Diskussion zwischen Ihnen dreien interessant, machen Sie ruhig weiter!", hatte er Louis Klamroths Einladung mitzureden höflich, aber bestimmt abgewiesen: "Ich bin bei allem raus, was nicht US-Politik betrifft."
Für diese ehrlichen Aussage ("muss man auch mal sagen können") wurde er mit Lachen und Gröhlen aus dem Publikum gefeiert. Und selbst Klamroth musste anerkennen: "Das ist ein historischer Moment in der Talkshow: Ein Mann gibt zu, dass er von etwas keine Ahnung hat. Das spricht sehr für Sie."
Weniger Zurückhaltung zeigte der Journalist bei seiner Meinung über die zwei Kandidaten der US-Wahl. Welche Richtung Trump in der Ukraine-Frage einschlagen könnte, würde von den Menschen abhängen, mit denen er sich umgäbe und sich erst nach der Wahl zeigen. ("Es wird derjenige Minister, der Trump am Vortag bei Fox News am besten gefallen hat") Doch selbst für die demokratische Kandidatin Kamala Harris wäre es seiner Einschätzung nach "schwierig, die Ukraine weiter zu unterstützen."
Alice Hasters: "Junge Schwarze wählen weder Trump noch Harris, diese gilt es zu gewinnen."
Ob die USA bereit wären für ihre erste weibliche Präsidentin, wollte Klamroth vom US-Experten wissen. "Sie ist die einzige, die im Angebot ist", zeigte sich Wimalasena alles andere als begeistert. Sie wäre aber "die falsche Kandidatin", die sich in der Vergangenheit durch ihre Beliebigkeit ausgezeichnet hätte und jetzt ihre Ethnie benutze, um einen "billigen politischen Punkt zu machen." Die Menschen in den USA wollten nichts über ihre Herkunft oder ihre Hautfarbe wissen, sondern konkrete Maßnahmen, die ihr Leben verbesserten. Bisher hätte man nichts über ihre Vision gehört. "Aber ich will sie nicht komplett trashen", lenkte er dann doch ein. Mit Inhalten wie der Einführung von Mutterschutz oder der Ausweitung des Kindergelds könnte sie beispielsweise die jungen Leute begeistern. Gelänge das nicht, würde der aktuelle Anfangsenthusiasmus um Harris rasch verblassen.
"Ich bin erstaunt über diese Analyse und Kritik", warf Alice Hasters (Journalistin und Autorin) ein. Harris würde ihrer Beobachtung nach vor allem ihre Expertise und nicht ihre Identität in den Vordergrund stellen: "Den Kulturkampf macht Trump." Dass die Demokratin aufgrund ihrer Vergangenheit als Generalstaatsanwältin für "law and order" stünde, brächte vielmehr die Republikaner in eine schwierige Situation, wären sie doch für Gerichte und Polizei angestanden. "Was mehr Sorgen machen müsste, ist, dass junge Schwarze gar nicht wählen", sagte die Deutsch-Amerikanerin, "weder Trump noch Harris, daher gilt es diese zu gewinnen."
Ralf Stegner: "Hauptworte für Trump und Vance sind weird und phoney. Der eine ist verrückt, der andere nicht echt."
Man könne Menschen, die sich abgewandt haben, nur über soziale Themen wie Inflation und Lebenserhaltungskosten erreichen, betonte Amira Mohamad Ali. Statt auf Trumps bewusste Provokationen hereinzufallen, sollte man sich auf "Brot-und-Butter-Themen und nicht darauf fokussieren zu sagen, dass er böse ist", riet sie.
"Soziale Themen werden eine Rolle spielen", zeigte sich auch Stegner überzeugt. Allerdings dürfte man "Amerika nicht mit deutschem Blick betrachten." In den USA hätten in der Vergangenheit weniger soziale Themen eine Rolle gespielt, sondern vielmehr Theater und Inszenierung. Und die "meisten Amerikaner wollen nicht so sein wie Trump oder Vance", meinte er mit Blick auf den Präsidentschaftskandidaten und seinen Vize, "die Hauptworte für Trump und Vance sind 'weird' und 'phoney'. Der eine ist verrückt, der andere nicht echt." Der Applaus aus dem Publikum gab ihm recht.
Norbert Röttgen: "Es ist eine absolute Fehleinschätzung der Person, dass es sich um einen Strategen handelt"
"Die Umfragen sagen anderes", argumentierte Jörg Wimalasena. Trump würde provokant-rassistische Aussagen wie die über Harris' Hautfarbe ("Ist sie schwarz?") bewusst und strategisch einsetzen, um medial immer wieder Aufmerksamkeit zu gewinnen und ins Gespräch zu kommen.
"Es ist eine absolute Fehleinschätzung der Person, dass es sich um einen Strategen handelt", wies Röttgen entschieden ab. "Ich kenne wenig strategisch durchdachte Aussagen von ihm." Vielmehr würden impulsive Aussagen und Schmierkampagnen über Hautfarbe und Herkunft zeigen, "dass er ziemlich ratlos ist. Die Trump-Kampagne war nicht auf Harris eingestellt. Sie hat ihn auf dem falschen Fuß erwischt." Er warnte zudem davor, dass ein Verlieren des Wahlkampfs "nicht ohne Gewalt von statten geht".
Und was, wenn Trump gewinnt? Dazu hatte Jörg Wimalasena das letzte Wort: "Die alten Reagan-mäßigen Republikaner, die immer mal gerne schauen, wo man sich in der Welt einmischen kann, gibt es nicht mehr. Wenn die Agenda einigermaßen stringent ist - oder in manchen Teilen und in manchen nicht -, könnte er effektiver reagieren (Anm.: als in seiner ersten Periode als Präsident). Ob das so gut ist für die Welt, ist eine andere Frage. Eher nicht, vor allem nicht für die Arbeiterschicht."