Keine Folge „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ - Scholz kritisiert öffentliches Auftreten seiner Regierung - und rechnet mit zweiter Amtszeit
Dass die Ampel in der Öffentlichkeit kein gutes Bild abgibt, weiß auch Kanzler Scholz. Zugleich übt er Medienkritik. Schließlich mache man keine neue Folge „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“.
Bundeskanzler Olaf Scholz kritisiert das öffentliche Auftreten seiner Ampel-Koalition. „Die Regierung muss sich vorhalten lassen, dass viele Entscheidungen von heftigem öffentlichem Streit begleitet wurden“, sagte der SPD-Politiker dem „Tagesspiegel“. „Vor lauter Pulverdampf konnte man manchmal nicht mehr sehen, was da eigentlich alles beschlossen wurde.“ Dabei seien „viele dieser Beschlüsse richtungsweisend“. Er rechne fest damit, dass die Ampel die gesamte Legislaturperiode zusammenbleibe.
Zugleich nutzte Scholz die Gelegenheit für Medienkritik und erhob den Vorwurf, Medien würden nicht angemessen berichten. Die Bürgerinnen und Bürger erführen von politischen Diskussionen zu selten, worum es wirklich gehe. „Zu oft wird nur berichtet: Wer tritt wie auf? Wer benimmt sich daneben? Wer sieht hübsch aus oder formuliert besonders clever?“, sagte Scholz. „Wir machen hier aber keine neue Folge von 'Gute Zeiten, schlechte Zeiten' – es geht doch um Politik.“
Scholz: „Mich ärgert es, wenn die Betrachtung von Politik sich auf den Theaterdonner, der bei der Durchsetzung jeder entschiedenen Reform zu hören ist, konzentriert und bei der Berichterstattung die Inhalte kaum eine Rolle spielen.“
Scholz rechnet mit zweiter Amtszeit
Olaf Scholz hält auch nach den jüngsten Wahldebakeln und ungeachtet parteiinterner Kritik an seiner Kanzlerkandidatur bei der Bundestagswahl 2025 fest. Er rechne „fest damit, dass die SPD und ich 2025 ein so starkes Mandat bekommen, dass wir auch die nächste Regierung anführen werden“, sagte der SPD-Politiker dem „Tagesspiegel“.
„Regieren wird nicht einfacher, also sollten wir es machen“, sagte der Kanzler. Sein Ziel sei „eine SPD-geführte Bundesregierung“. Auf die Frage, ob ihn der Gedanke an vier weitere Jahre Ampel-Regierung nicht mürbe mache, entgegnete Scholz: „Ich bin Läufer und habe eine gute Kondition. Die braucht man auch.“
Scholz: Auch Pistorius will, dass ich wieder antrete
Ihm bereite Sorgen, dass es vor der nächsten Wahl „viele unplausible Vorschläge“ geben werde. „Eine ehrliche und wahrhaftige Betrachtung der Wirklichkeit kann da schnell unter die Räder geraten.“ Es werde um Charakter und Ehrlichkeit gehen. „Der SPD und mir ist wichtig, pragmatische und realistische Vorstellungen zu formulieren, wie Deutschland wirklich vorankommt.“
Mit Blick auf schlechte Umfragewerte sagte Scholz, er habe sich schon vor langer Zeit vorgenommen, Umfrage nie zu kommentieren. Er nehme Umfrage zur Kenntnis. „Politik an Umfragen zu orientieren, ist aber nie ein guter Einfall. Im Übrigen habe ich in meinem politischen Leben schon einige Wahlen gewonnen, obwohl Umfragen das nicht nahelegten.“
Auf die Frage, ob er Verteidigungsminister Boris Pistorius die Kanzlerkandidatur überlassen würde, wenn er zu dem Schluss käme, dass die SPD mit ihm bessere Chancen hätte, antworte der Kanzler: „Auch Boris Pistorius will, wie viele andere, dass ich wieder als Kanzler antrete. Ich sehe das genau so.“
Die SPD erzielte am vergangenen Sonntag in Thüringen und Sachsen mit 6,1 und 7,3 Prozent ihre bisher schlechtesten Wahlergebnisse. Das Ergebnis in Thüringen war sogar das schlechteste bei einer Landtagswahl überhaupt.
Scholz über Rentenpaket: „Das muss kommen“
Scholz pocht auf eine zügige Verabschiedung der Rentenreform durch den Bundestag. „Das muss kommen. Das wissen alle“, sagte der SPD-Politiker dem „Tagesspiegel“. Zuletzt hatte die FDP noch Gesprächsbedarf angemeldet.
„Es gibt eine feste Verabredung, dass das Rentenpaket II zügig im Parlament beraten und noch vor dem Haushalt 2025 im November verabschiedet wird“, sagte Scholz nun. „Dass wir stabile Renten garantieren, ist eines der zentralen Vorhaben, auf denen sich diese Koalition gründet.“ Mit dem im Mai vom Kabinett beschlossenen Rentenpaket II will die Bundesregierung unter anderem das Rentenniveau bei 48 Prozent fixieren.
Auf die Frage, ob das Rentenpaket eine rote Linie für ihn sei, entgegnete Scholz, die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland hätten einen Anspruch auf stabile Renten. „Wer mit 17 Jahren die Schule verlässt und dann fünf Jahrzehnte arbeiten und Beiträge zahlen muss, möchte Gewissheit haben, wie es um seine Rente steht.“