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Keine schnellen Erfolge im Kampf für saubere Luft

Besonders schwierig ist der Kampf für saubere Luft in stark belasteten Städten wie München, Hamburg oder Frankfurt. Foto: Marcus Führer
Besonders schwierig ist der Kampf für saubere Luft in stark belasteten Städten wie München, Hamburg oder Frankfurt. Foto: Marcus Führer

Schmutzige Abgase in Großstädten und Fahrverbote für ältere Dieselautos - beides will die Bundesregierung mit einem Milliardenprogramm verhindern. Der Mann, der die Fördermittel verwaltet, bremst aber die Erwartungen. Und was machen die Städte?

Nürnberg/Berlin (dpa) - Bei den Bemühungen um saubere Luft in stark belasteten Großstädten rechnet der Sonderbeauftragte der Bundesregierung, Siegfried Balleis, nicht mit kurzfristigen Erfolgen.

Die Maßnahmen des von ihm betreuten «Sonderprogramms Saubere Luft 2017-2020» würden wahrscheinlich frühestens 2020 greifen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Nürnberg. Dann erwartet er aber erste greifbare Erfolge bei der Schadstoff-Senkung.

Besonders schwierig sei die Lage in stark belasteten Städten wie München, Hamburg oder Frankfurt. Dort wird es nach Balleis' Einschätzung auf die Schnelle «keine durchschlagenden Erfolge» geben. Auch auf mittlere Sicht werde es nicht gelingen, den Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft zu unterschreiten - dazu sei die Verkehrsdichte auf den am stärksten belasteten Straßen zu hoch.

Das Bundesverkehrsministerium kritisierte die Aufklärungsarbeit der Autohersteller: «Es sollte nicht so ein, dass immer wieder erst durch Untersuchungen des Kraftfahrt-Bundesamts Missstände bekannt werden», sagte der parlamentarische Staatssekretär Steffen Bilger (CDU) der «Stuttgarter Zeitung» und den Stuttgarter Nachrichten (Samstag). Vielmehr müssten die Hersteller von sich aus offenlegen, wo noch Nachbesserungen erforderlich sind.

Audi-Chef Rupert Stadler schließt weitere Rückrufe nicht aus. Der «Augsburger Allgemeinen» (Samstag) sagte er: «Neue Rückrufe sind nicht die Folge von Untätigkeit, sondern im Gegenteil das Ergebnis konsequenter Aufklärung.» Der Audi-Chef forderte in der Debatte um Fahrverbote eine bundeseinheitliche Regelung.

Hamburg setzt vom 31. Mai an beschränkte Diesel-Fahrverbote auf zwei Straßenabschnitten durch. In einigen anderen Städten halten die Verwaltungen ähnliche Schritte nicht für ausgeschlossen, konkrete Vorhaben für Verbote gibt es aber bisher nicht.

Grundsätzlich sieht Balleis die Bundesregierung mit dem Ende 2017 gestarteten Sonderprogramm im Volumen von einer Milliarde Euro auf dem richtigen Weg. Die Autoindustrie beteiligt sich daran mit 250 Millionen Euro. In Sachen digitaler Verkehrssteuerung gibt es nach seinen Erkenntnissen in vielen Kommunen noch Nachholbedarf.

Als Beispiele nennt er die Schaffung von mehr «grünen Wellen» mit entsprechenden Ampelschaltungen. «Je mehr man mit weniger Ampel-Stopps den Verkehr verflüssigt, desto stärker verringert man den Schadstoff-Ausstoß», betonte Balleis. Neue oder verbesserte Parkleitsysteme sollen zudem verhindern, «dass Autofahrer auf der Suche nach einem Parkplatz 1000 Mal im Kreis fahren». Mit klaren Hinweisen auf freie Parkplätze könnten Tausende von Kilometern Suchfahrten eingespart werden.

Ferner sollen mit Wetterdaten gekoppelte Informationssysteme Autofahrer etwa bei problematischen Wetterlagen frühzeitig auf Bus und Bahn verweisen. «Es gibt enorm viele Möglichkeiten, mit Hilfe der Digitalisierung Verkehrsschadstoffe zu verringern», sagte Balleis. Auch der Umstieg aufs Fahrrad sei ein Beitrag zur Schadstoff-Senkung.

Für wenig hilfreich hält der Sonderbeauftragte der Bundesregierung hingegen die Entscheidung der EU-Kommission, Deutschland und vier weitere Länder wegen der hohen Schadstoff-Belastungen in vielen Städten vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu verklagen. Dabei geht es um die Missachtung von EU-Grenzwerten für Stickoxide, die bereits seit 2010 verbindlich für alle Mitgliedstaaten sind.

«Natürlich will die EU damit Druck auf die deutsche Regierung ausüben. Dabei scheint die EU-Kommission aber zu übersehen, dass kein Land für die Verbesserung der Luft in belasteten Städten so viel Geld ausgibt wie Deutschland», sagte Balleis. Das einzig Gute an der Klage sei, dass die neue Regierung nun gefordert sei, das Sonderprogramm finanziell aufzustocken. Nach seiner Ansicht dürfte die angekündigte Summe von einer Milliarde Euro nicht ausreichen, um die betroffenen Städte bei der Verbesserung ihrer Luftqualität zu unterstützen.

Bei der Stadt Köln hieß es: «Sicherlich werden wir uns die Maßnahmen und deren Wirksamkeit in Hamburg anschauen.» Mitte Mai hatte Oberbürgermeisterin Henriette Reker gesagt, dass man um Fahrbeschränkungen wohl nicht herumkomme, um die Gesundheit der Bürger zu schützen. «Diese müssen aber nicht nur gerichtlich erlaubt, sondern auch praktikabel kontrollierbar und immer verhältnismäßig sein», sagte die Rathauschefin. In Dortmund etwa ist laut Stadt und Bezirksregierung derzeit kein Fahrverbot geplant. Aus der Bezirksregierung Düsseldorf hieß es: «Unser Ziel ist es, Fahrverbote möglichst zu vermeiden.»

In etlichen niedersächsischen Städten werden die Stickoxid-Grenzwerte ebenfalls überschritten. Überlegungen für Fahrverbote gibt es in konkreter Form jedoch noch nicht. In Stuttgart sagte ein Sprecher des baden-württembergischen Verkehrsministeriums, die Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts werde weiter geprüft. Die obersten Verwaltungsrichter in Leipzig hatten Diesel-Fahrverbote bei Wahrung der Verhältnismäßigkeit prinzipiell für möglich erklärt.

Kritisch sieht Balleis den von den EU festgelegten Grenzwert für Stickoxid-Belastungen (NOx) von 40 Mikrogramm. An vielen Arbeitsplätzen sei die NOx-Belastung um ein Vielfaches höher. Die Festlegung der Schwelle hält Balleis zudem für intransparent. «Das Zustandekommen des Grenzwerts hat bisher keiner kritisch überprüft», betonte er. Auch die von EU-Umweltkommissar Karmenu Vella genannte Zahl von 400 000 Menschen, die jährlich wegen zu hoher Luftschadstoffbelastung sterben sollen, hält der Sonderkoordinator für unseriös. Dafür gebe es keine stichhaltigen Belege, sagte Balleis unter Berufung auf die Deutsche Gesellschaft für Umweltmedizin.