Wie schwer ist ein Kilogramm? Mit dieser Frage mussten sich jetzt Forscher auseinandersetzen

Solche Kugeln aus Silizium-Einkristall sollen bald ein Kilogramm definieren. (Bild: Physikalisch-Technische Bundesanstalt)
Solche Kugeln aus Silizium-Einkristall sollen bald ein Kilogramm definieren. (Bild: Physikalisch-Technische Bundesanstalt)

Wie viel wiegt eigentlich ein Kilogramm? Die Antwort auf diese Frage war bislang in Form eines Metallzylinders in einem Tresor im Pariser Vorort Sèvres zu finden. Das “Urkilogramm” wurde 1889 angefertigt und gilt seither als internationaler Maßstab für die Masse. Doch der Klotz soll nun ausgedient haben. Am 16. November werden neue Standards für Maßeinheiten etabliert, die sich dann an Naturkonstanten orientieren.

Um an das Urkilogramm zu gelangen, braucht es drei Schlüssel, die von drei Personen aufbewahrt werden. Nur etwa alle 30 Jahre kommen die Schlüsselträger in den Räumen des Internationalen Büros für Maße und Gewichte zusammen und öffnen die Tresortür. Dahinter befindet sich ein kleiner Zylinder aus einer Iridium-Platinum-Legierung, der für alle Zeiten ein Kilogramm wiegen soll, um international Klarheit über die Masse-Einheit zu schaffen. Doch es gibt ein Problem: Der Zylinder verliert an Gewicht.

Durch Abgleiche mit sechs Duplikaten wurde ermittelt, dass das Urkilogramm mittlerweile 50 Mikrogramm eingebüßt hat – ein riesiger Gewichtsverlust in der Nanotechnik. Für Wissenschaftler ist es ein unhaltbarer Zustand, dass eine Maßeinheit nicht eindeutig bestimmt ist. Zumal vom Kilogramm andere Einheiten wie etwa Newton (Kraft) oder Joule (Energie) abhängen.

Eine anspruchsvolle Aufgabe

Im Jahr 2011 wurde daher beschlossen, dass eine neue, gänzlich unveränderliche Einheit für die Masse gefunden werden muss. Die Maßeinheit für Gewicht soll sich, genau wie die Maßeinheiten für Zeit (Sekunde), Entfernung (Meter) und Lichtstärke (Candela), an einer Naturkonstanten errechnen lassen.

Der internationale Kilogrammprototyp (das “Urkilogramm”), aufbewahrt unter drei Glasglocken. (Bild: PTB/BIPM)
Der internationale Kilogrammprototyp (das “Urkilogramm”), aufbewahrt unter drei Glasglocken. (Bild: PTB/BIPM)

Eine solche Naturkonstante wurde mit dem Planckschen Wirkungsquantum in einer Größe aus der Quantenphysik gefunden. Dieses hatte der deutsche Physiker Max Planck im Jahr 1900 eingeführt, um das beständige Verhältnis zwischen Energie und der Frequenz eines Lichtteilchens zu beschreiben. Die Aufgabe nun bestand darin, die sogenannte Avogadro-Konstante zu bestimmen: den Faktor der Planck-Konstante im Verhältnis zum Urkilogramm.

Erst wenn drei unabhängig voneinander ermittelte Avogadro-Konstanten übereinstimmen würden, so die Vorgabe, sei die Neudefinition des Kilogramms in Betracht zu ziehen. Diese Aufgabe wurde nun offensichtlich gelöst. Forscherteams aus den USA, Kanada und Deutschland haben in jahrelangen Experimenten dieselben Werte ermittelt.

Eine reine Siliziumkugel ist das neue Urkilogramm

Die deutschen Wissenschaftler von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt haben eine hochreine Siliziumkugel hergestellt, anhand derer die Masse eines einzelnen Siliziumatoms berechnet werden kann. In Verbindung mit der Avogadro-Konstanten ist es nun möglich, Siliziumkugeln von genau einem Kilogramm herzustellen. Am Gewicht eines Kilos ändert sich dabei also nichts. Nur die Bezugsgröße wird krisensicher festgelegt.

Mitte November wird im Palais des Congrès de Versailles die 26. Generalkonferenz für Maße und Gewichte (CGPM) abgehalten. Hier werden aller Voraussicht nach die neuen Standards für die Maßeinheiten Stoffmenge (Mol), Stromstärke (Ampere), Temperatur (Kelvin) und eben Masse (Kilogramm) definiert.

Am 16. November sollen die Mitgliedsstaaten der Resolution zustimmen und damit für alle Zeiten internationale Maßstandards schaffen, die sich an Naturkonstanten orientieren.